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Eine Fashion-Kolumnistin hat ihren Kumpel als Hipster-Klischee verkleidet

Foto: Tara Kenny / The Age

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Er ist das liebste Feindbild langweiliger, schlecht gelaunter Menschen: der Hipster. Jemanden modisch als "total hipsterig" zu diskreditieren ist mittlerweile so nichtssagend wie einfach: enge Hosen, weite Hosen, kleine Sonnenbrillen, große Sonnenbrillen, Brillen überhaupt, 40er50er60er70er80er90er-Klamotten, komplett schwarzes Outfit, total buntes Outfit, Stiefel, Sandalen, Sneakers, bunte Socken, keine Socken, androgyn, hypermännlich – alles was nicht bei C&A in der Basics-Abteilung hängt (wobei, das wäre ja Normcore=Hipster), ist richtig richtig schlimm. Dass von Bushido bis Ingo Zamperoni so ziemlich jeder mit Vollbärten und Röhrenjeans rumläuft, dass es eigentlich überhaupt nichts gibt, was die Figur "Hipster" irgendwie fassbar macht, ist egal. Der Hipster, das ist auf jeden Fall immer der andere. Der, der halt irgendwie komisch aussieht.

Wie einfach man über den Hipster-Bashing-Reflex viral gehen kann, hat Tara Kenny aus Melbourne bewiesen: Für ihre Kolumne "Street Seen" fotografierte sie junge Menschen aus Melbourne und befragte sie für die Zeitung The Age nach ihrem Kleidungsstil. Das wurde ihr offenbar irgendwann zu langweilig und anstatt fremde Menschen auf der Straße anzusprechen, verkleidete sie einfach ihren Kumpel Samuel Davide Hains nach allen Regeln der Hipster-Klischee-Kunst, also: irgendwie ausgefallen bis schlicht sinnbefreit. Ein rosa Beret, eine umgedrehte Latzhose, darunter ein Rollkragenpullover, Jutebeutel.

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Bild: The Age/ Screenshot

Bild: The Age/ Screenshot

Dazu im Interview noch ein paar Sätze gespickt mit arty Reizwörtern wie "vintage", "blogger" und "feminist" und wirklich mehr als gelungene Hohlsprech-Dadaismen wie "my style is bucolic socialist with improvised elements (like jazz)".

Diese gefakte Provokation wurde natürlich sofort dankbar aufgenommen: In australischen und internationalen Medien ging der "Melbourne Man" sofort durch die Decke. ABC News, the UK Independent, Daily Mail und FoxFM berichteten ausführlich über den "world's biggest hipster", ein Bild des Zeitungsartikels wurde tausendfach im Netz geteilt – natürlich immer mit dem "Schaut eucht diesen überheblichen Hipster an"-Tenor.

In einem Interview mit der australischen Vice löste Hains den Fake dann schließlich auf: Abgesehen davon, dass er tatsächlich ein Web-Entwickler sei und manchmal Jazz höre, wäre alles an dem Artikel frei erfunden. "Die Idee, sich diesen Charakter auszudenken, kam eigentlich zustande, weil mir eine ehrliche Kolumne über mich recht peinlich gewesen wäre", sagte Hains. "Dann stellte mir Tara noch ein paar Fragen und ich antwortete einfach mit dem Erstbesten, das mir in den Kopf kam. Ich habe nur versucht, lustig zu sein."

Für Tara Kenny ging die ganze Sache leider nicht so lustig aus. The Age fühlte sich angesichts des viralen Fake-Stunts in seiner journalistischen Integrität verletzt und beendete die Zusammenarbeit. Schade eigentlich, was genau mit "bucolic socialist" nun gemeint war, werden wir wohl nie erfahren.

qli

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