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Kanye Wests Twitter-Comeback wirft Fragen auf

Bild: dpa / Jonathan Brady

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Kanye West gibt es anscheinend nur in zwei Aggregatzuständen: abwesend oder hyper-anwesend. Ein wohltemperiertes, etwas langweiliges Normalo-Seelenkostüm steht ihm vermutlich nicht zur Verfügung. Nachdem er mehrere Monate komplett auf Social Media verzichtet hatte und in der Öffentlichkeit hauptsächlich als Anhängsel seiner berühmten Gattin Kim Kardashian West auftrat, ist West seit einigen Tagen wieder aktiv auf Twitter. Aber jetzt also wirklich: sehr aktiv. Quasi ununterbrochen tweetet der Mann seine Erkenntnisse in die Welt. Und diese sind extrem vielfältiger Natur.

Kanye nach einer Stunde Proseminar „Philosophie für Anfänger“:  

Kanye über seine sportlichen Fähigkeiten:

Kanye über seine und Präsident Trumps spezielle Form der Energie: 
Kanye über die Farben seiner Emojis:  
Kanye über seinen neuen Hut: 
Kanye über Innenarchitektur:  
Kanye über die Entdeckungen seiner Tochter:  
Kanye über Respekt: 
Kanye über seine eigene Bedeutung:  

Kanye über die Medien:

Kanye über sein Management: 
Kanye und der Präsident: 

Was erst mal ziemlich unterhaltsam erscheint, hat durchaus einige problematische Komponenten. Vor allem seine Unterstützung der von US-Präsident Donald Trump und der schwarzen konservativen Aktivistin Candace Owens ärgert eine Menge seiner Fans.

Owens ist eine konservative Medienpersönlichkeit, die vor allem durch ihre Kritik an der „Black Lives Matter“-Bewegung für Aufsehen sorgte. Unter anderem bezeichnete sie BLM-Demonstranten als „Heulsusen“, zudem betreibt sie einen Youtube-Kanal, auf dem sie versucht, Afroamerikaner für konservative Politik zu begeistern.

Kanye West hat schon 2016 auf seiner „Saint Pablo“-Tour auf der Bühne gesagt, er habe bei der Wahl für Trump gestimmt. Wenig später traf er den damals designierten Präsidenten in dessen „Trump Tower“ in New York. Kurze Zeit später wurde West unfreiwillig ins Krankenhaus eingeliefert, offiziell aufgrund von Erschöpfung.  

Auch Kanye Wests Unterstützung von Donald Trump stößt bei seinen Fans auf wenig Gegenliebe. Problematisch daran finden die meisten vor allem, dass West nie erklärt, warum er Trump unterstützt. Er sei mit einigen Dingen nicht einverstanden, die Trump mache, erklärte er, nachdem seine Gattin ihn anscheinend um eine Schadensbegrenzung gebeten hatte. Allerdings erklärte er auch nie, welche politischen Vorhaben oder Überzeugungen Trumps er denn nun genau unterstützte.

Sogar einige seiner Freunde haben ihn dafür öffentlich kritisiert. Unter anderem der Soulsänger John Legend, der ihm vorwarf, den Rassismus Trumps einfach zu ignorieren.:

Der Radioproduzent und DJ Ebro erzählte Anfang der Woche von einer Konversation, die er am Wochenende mit West zu genau diesem Thema gehabt hatte. Ebro versuchte dabei, Kanye klarzumachen, warum seine Äußerungen so gefährlich seien: Er provoziere um der Provokation Willen, und um Aufmerksamkeit für seine Arbeit zu gewinnen. Dabei haue er eine Behauptung nach der anderen raus, die weder wahr, noch besonders hilfreich sei.

Kanye behaupte ständig, er wolle eine „offene Diskussion“ über Dinge und Ansichten haben. Nur habe er von diesen Dingen, so Ebro, einfach keine Ahnung. Die Diskussion sei seit Ewigkeiten offen, und erst jetzt komme er, Kanye, daher und erzähle irgendwelche kontroversen Dinge, weil sein Album demnächst veröffentlicht wird. Ebro erzählte, Kanye habe ihm erwidert, er wolle einfach aussprechen, was er denke und nutze dafür seine Plattform. Ebro habe ihn daraufhin ermahnt, seine Gedanken mal zu Ende zu denken. Kanyes Gefühl, er werde dämonisiert, weil er unkonventionelle Meinungen äußere, sei totaler Quatsch. Ebro erzählte auch, dass Kanye während der Diskussion mehrmals wörtlich gesagt habe: „Ich liebe Donald Trump.“

Warum Kanye West gerade jeden Mikrogedanken mit der Welt teilt, weiß niemand außer ihm. Manche vermuten, dass er sich gerade in einer manischen Phase befindet und deshalb so erratisch erscheint. Was seine Frau Kim Kardashian zum Anlass nahm, sich ebenfalls zu dem Thema zu äußern: 

Andere glauben, dass er einfach Aufmerksamkeit für seine demnächst erscheinenden Alben und Schuhe erregen möchte und glaubt, dass ihm das mit kontroversen Statements am besten gelingt.

Ein Autor des Magazins very smart brotha hat dagegen eine sehr schlichte Erklärung: Kanye interessiere sich schlicht nicht für Zusammenhänge und weigere sich, zu lesen. Das habe er selbst mehrfach betont und damit würden sich viele seiner Ansichten erklären: Seine Begeisterung für Candace Owens und Donald Trump stamme daher, dass er sie aus Unwissenheit für Freigeister halte, die keine Angst vor unpopulären Meinungen hätten. Wenn er aber tatsächlich mal ein Buch lesen würde (und zwar keines dieser bescheuerten Selbsthilfe-Bücher, die er scheinbar verschlingt), wüsste er, wie gefährlich diese Sorte Menschen sei und dass es denen in keinster Weise um Freiheit gehe. Im Gegenteil. Kanye sei ein dünkelhafter Mensch ohne intellektuelle Ambitionen, der nur deshalb so gefährlich sei, weil er so viel Aufmerksamkeit generieren könne. 

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