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Rapper*innen, gebt euch endlich vernünftige Namen!

Illustration: Julia Schubert

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Es gibt Menschen, die werden von ihren Eltern mit Namen gestraft, für die sie sich ein Leben lang schämen: Cinderella-Melodie, Matt-Eagle, Brunnhilde, Sheriff, Siebenstern – alles Namen, die in Deutschland und Österreich vergeben werden dürfen. Daneben gibt es aber auch Menschen, die sich Namen wie diese (und schlimmer!) selbst aussuchen: Rapperinnen und Rapper nämlich. Die taufen sich schließlich zu Beginn ihrer Karriere mit Künstlernamen, die gefühlt immer absurder werden. Harmlose Pseudonyme kennt man noch von früher: Tupac, Eminem, Missy Elliot, 50 Cent, Nelly. Immerhin alles in einem Rutsch auszusprechen. 

Inzwischen haben Rapper*innen aber oft überhaupt keinen Skrupel mehr, wenn es darum geht, mit welcher Buchstaben- und Zahlenanreihung sie öffentlich in Verbindung gebracht werden wollen. Der Rapper, der den bisher erfolgreichsten Rap-Song aller Zeiten veröffentlicht hat, trägt im Business beispielsweise den Namen: Lil Nas X. Die Kombination aus „Lil“ (er habe gedacht: „Heißt so nicht jeder Rapper?“) und seinem Internet-Nickname „Nas“. Das X am Ende kam erst dazu, als es ihm ernst wurde mit der Karriere und er den Namen aufpeppen wollte. Aber hätte es das gebraucht?

Sind Rapper*innen einfach in der Bu$$i-HdGdL-*g*-Phase hängen geblieben?

Offenbar schon, zumindest wenn man seine Rap-Kolleg*innen fragt. Die heißen nämlich ähnlich umständlich, zum Beispiel: Rappin’ 4-Tay, Gudda Gudda, Thirstin Howl III, Boogz Boogetz, Chali 2na. Und auch deutsche Rapper*innen haben offenbar den Anspruch an sich selbst, möglichst komisch zu heißen: Ufo 361, Schwesta Ewa, Gzuz, SXTN, B-Tight. Während alle andere Menschen spätestens 2010 die Bu$$i-KiZz-*g*-Sonderzeichen-Phase (schlimme Zeiten!) hinter sich gelassen haben, scheinen Rapper*innen darin hängen geblieben zu sein.

Krasse Pseudonyme haben im Rap-Business eben Tradition, würden die meisten nun erwidern – und sie hätten damit durchaus recht. Denn zum Rapper wurden früher vor allem Männer, die vorher echte Gangster und in alle möglichen kriminellen Aktionen verwickelt waren. Daher brauchten sie natürlich einen Straßennamen, damit ihr bürgerlicher Name nicht direkt mit Schlägereien, Raub oder Graffitis in Verbindung gebracht würde. Ihren Gang-Namen behielten sie dann eben auch fürs Rappen.

Inzwischen entstehen die Decknamen aber oft nicht mehr auf der Straße, viele Rapper*innen suchen aktiv selbst nach einem Pseudonym –  natürlich nur für die Karriere. Klingt irgendwie alles andere als Gangster. Verbrochen haben viele moderne Rapper*innen eh nichts (was ja durchaus löblich ist!), den Sonderzeichen-Gangster-Namen brauchen sie nur, um ein Image zu erfüllen, eine Kunstfigur zu erschaffen. Dafür suchen sie sich oft bedeutungsvolle Namen aus, die einen tieferen persönlichen Sinn haben oder auf schicksalhafte Begegnungen verweisen, wie beispielsweise Ufo361 und Olexesh gegenüber hiphop.de behaupteten. Aber Pooh-Man? Und Ty Dolla $ign? Das ist doch Real-Satire.

„Wu Def Flex“ oder „Inspectah Flowery“ wären solide Name für die Autorenzeile dieses Textes

Im Netz findet man daher Hunderte Listen, die versuchen, „die schlechtesten Rapper-Namen“ nach absteigender Qualität in eine Reihenfolge zu bringen. Eine Liste der schönsten Rapper-Namen gibt es dagegen übrigens nicht. Dafür genügend Anleitungen, wie man sich selbst ein solches Pseudonym zulegen könnte. 

Einer Grafik auf Webfail zufolge wäre „Wu Def Flex“ ein solider Name für die Autorin dieses Textes. Die Seite name-generator.org.uk schlägt dagegen gleich mehrere Lösungen vor, aus denen gewählt werden könnte: CooloThiede, Larastic L T, Inspectah Flowery, Floweryface Lara oder doch TeeAitchEyeEeDeeEe. Diese Empfehlungen sind natürlich lustig gemeint und wollen übertreiben – aber ganz ehrlich: Klingen diese Fantasie-Gebilde wirklich bescheuerter als manch „echte“ Rapper*innen-Namen? 

Merkwürdige Namen gehören aber offensichtlich immer noch zum Rap dazu. Vielleicht weil schwerverständliche Namen besser zu schwerverständlichen, weil schnell gesprochenen Texten passen. Oder weil man die eigene politische Inkorrektheit gerne hinter einem unangenehmen Pseudonym und einer klaren Kunstfigur versteckt – in der Hoffnung, dass keiner dahinterschaut und herausfinden will, was das genau mit dem echten Menschen zu tun hat.

Die Namensfindung von Rapper*innen wirkt am Ende jedenfalls wie ein Akt der Selbstgeißelung. Während ihnen mit Gründung ihrer Künstler*innenidentität heute alle Möglichkeiten von Ali über Marie bis Zylvanio offenstehen, entscheiden sie sich dafür, ihre Karriere an eine möglichst garstige Buchstaben-Zahlen-Kombination zu binden. Dabei klingt selbst Heinz besser als Lil Nas X. 

Haben sie das noch nicht selbst erkannt? Einige wie Casper, Marteria oder Azad wohl schon, die Aussprache ihrer Künstlernamen ist immerhin klar. Und wer weiß – vielleicht sind sie nicht alleine. Vielleicht braucht es stattdessen nur ein wenig mehr Mut in der Szene, die eigenen Buchstaben-Kombis nicht mehr wie wild verteidigen zu wollen. Zu wünschen wäre es ihnen ja.

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