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Der Echo wird abgeschafft: fünf Vorschläge für einen besseren Musikpreis

Foto: Matthias Balk/dpa

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Der Echo ist tot – und keiner weint. Denn ganz ehrlich: Dass sich diese Zombie-Veranstaltung bis zur beschämenden Vergoldung von antisemitischem Rap-Rotz auf den Beinen halten konnte, ist schon peinlich genug. Bereits in den Vorjahren sind dank der totalen Qualitäts-Entkoppelung des Echos Preise und Nominierungen vergeben worden, welche entweder den 08/15-Mainstream in seiner Hohlheit bestärkten – oder eben, wie im Fall von Frei.Wild oder Kollegah, sogar noch ein Denken adelten, das eher verurteilt als prämiert gehört.

Aber wie könnte es besser gehen? Schließlich sollten wir ja durchaus die Arbeit von Musikern wertschätzen und auszeichnen – entsteht diese schließlich größtenteils unter immer prekäreren Bedingungen. Wie könnte man dafür sorgen, dass der Echo Innovation und Talent belohnt und nicht billige Provokation oder einschläfernden Konsens-Pop? Und was tun gegen die Fremdscham? Fünf Vorschläge für eine Echo-Reform:

1. It's the jury, stupid!

Wer sich beim Verleihen eines Musikpreises zum Großteil auf Verkaufszahlen stützt, unterwirft die Kunstform Musik einer reinen Marktlogik – und das hat sie nicht verdient. Die Meistverkaufenden bekommen schon genug Anerkennung und Platin hinterhergeschmissen. Und McDonald's bekommt ja auch keine Michelin-Sterne, nur weil sich ihre Big-Mac-Pappe halbwegs verkauft. Ein Preis, der nicht nur das Bestehende manifestieren, sondern Newcomer und Querdenker fördern soll, muss sich daher auf eine Jury stützen.

2. Glamour-Kapitulation!

Bisher mochte man nach jedem Echo eine Schweigeminute für die  smarten Menschen im Saal abhalten, die diese Aneinandereihung von Peinlichkeiten am Stück aushielten – bestenfalls noch mit einem Lächeln, falls mal die Kamera vorbeifuhr. Bewundernswert war immer wieder, dass sich tatsächlich noch Gäste aus dem Ausland fanden, die sich diese verkorkst-deutsche Realsatire antaten. Dieses verkrampft internationale, dieser Geltungsdrang, niemand würde ihn vermissen. Vielleicht sind wir Deutschen einfach glamour-untauglich, vielleicht können wir das einfach nicht, so wie witzige Late-Night-Shows (Ausnahmen bestätigen die Regel). Hier plädiere ich für die Flucht nach vorne: Weg mit dem durchorchestrierten Glamourimitat, weniger Protokoll, das am Ende eh nicht aufgeht! Die Fadheit umarmen, oder so. Gut, diesen Punkt sollen andere Menschen zu Ende denken, fahren wir fort.

3. Mal die Leute im Hintergrund nach vorne stellen!

Das Musikgeschäft lebt nicht nur von den Menschen am Mikrofon, sondern, gerade im Pop, von den Masterminds und Nebendarstellern im Hintergrund. Songwriter, Produzenten und Tontechniker, Coverdesigner, Bühnenbauer und Backing-Bands mögen sich zwar auch über den Preis für die Figur im Rampenlicht freuen. Wäre es aber nicht schöner, ihre Leistung auch mal gesondert zu würdigen? Oder überhaupt mal deren Gesichter zu sehen?

4. Ausschlusskriterien festlegen!

Die Zensurkreischer mögen jetzt gerne ihre Troll-Kommentare vorformulieren. Uns als Gesellschaft aber sollte daran gelegen sein, dass beim wichtigsten deutschen Musikpreis keine Musik prämiert wird, die mit Antisemitismus, Homophobie, Frauenfeindlichkeit oder Rassismus spielt. Natürlich sollte dabei jedem Vorwurf zunächst ausgiebig nachgegangen werden und nicht jede provokante Textzeile zum sofortigen Ausschluss führen. Wer soll das beurteilen? Hier am besten direkt zum nächsten Punkt:

5. Nicht irgendeine Jury!

Wenn man von einer Jury spricht, klingt das erstmal nach undemokratischer Elite: Ein paar millionenschwere Säcke aus dem Musikgeschäft küren ihre eigenen Zöglinge und klopfen sich hinterher gegenseitig auf die Schultern. Das könnte aber auch anders laufen: Was, wenn sich der Echo vornimmt, eine vielfältige, diverse Jury aufzustellen, die stellvertretend für die Musikinterssierten dieses Landes steht? Die sich mit den jeweiligen Genres tatsächlich auskennt, Erfindergeist von Retorte und Cloud Rap von Fanta 4 unterscheiden kann? Hach, die Peinlichkeit verschwände ganz von selbst. Und der Echo dürfte auferstehen.

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