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Im Gespräch mit Dendemann
Dienstagmittag im 2. Stock einer seltsamen Mischung aus Steakhaus und Soho House, draußen Renovierungsarbeiten, drinnen unverputzte Wände, die Möbel aber demonstrativ edel – richtig, wir sind in Berlin Mitte. An einem Bistrotisch mit Aschenbecher steht Dendemann, die Füße in gepolsterten Stiefeln mit orangenen Bändern, die ein bisschen an das Schuhwerk erinnern, in das besorgte Eltern ihre Kinder für den Rodelausflug stecken. An ihm sehen sie aber sehr gut aus.
Darf man hier rauchen? „Man muss“, sagt Dendemann, erzählt kurz von der kommenden Release-Party seines neuen Albums, sein alter Freund DJ Koze soll auflegen. Der sei mit seinem Album ja total durch die Decke gegangen. Wie der die Stimme der Soulsängerin Gladys Knight über ein Sample aus einem völlig anderen Track gelegt hat – fantastisch. Und das dann auch noch alles lizensiert zu bekommen! Wir sind aber eigentlich da, um über Dendemanns neues Album „da nich für!“ zu reden, auf das die Welt immerhin acht Jahre warten musste. Wir wechseln auf ein bestimmt sehr teures Ledersofa. Dende sagt, er würde gerne weiter über Musik abnerden. Mal sehen, fangen wir mal ganz simpel an.
jetzt: Du bist Dendemann.
Dendemann: Ja.
In den vergangenen acht Jahren auch mal darüber nachgedacht, nicht mehr Dendemann zu sein?
So weit würde ich nicht gehen, ich bin sehr gut im Verdrängen von Grundsatzfragen. Aber bei den ersten Aufnahmen zu diesem Album war ich tatsächlich ziemlich unzufrieden. Und ich wusste nicht, woran es liegt, ich habe alles wie immer gemacht: Die Beats waren in Ordnung, die Texte auch, alles wie immer. Am Ende klang das alles aber total altbacken in meinen Ohren. Als wären das Stücke, die es nicht auf meine erste Solo-EP geschafft haben, oder sowas. Ich habe mich im Kreis gedreht, dachte ich.
Und dann? Alles weggeworfen?
Nein, im Gegenteil. Ich habe damals einfach nicht gesehen, dass sich Dinge verändert haben – das ein paar Sounds mittlerweile nicht mehr altbacken, sondern gerade wieder angesagt sind. Ich hatte zwischenzeitlich viel zu wenig aktuellen Deutschrap gehört, Xatar, SSIO und all diese Leute. Ich habe nicht mitgekriegt, wie reduziert und rückwärtsgewandt das heutzutage oft klingt – im positiven Sinne. 90 Prozent der Beats stammen heutzutage ja aus einer Kiste, die 1981 auf den Markt kam, also in meiner Kindheit.
Du meinst die Drummachine TR-808 der Firma Roland?
Ja, es wird wieder nerdig! Die wurde ja schon in „Let The Music Play“ von Shannon verwendet, das war einer meiner absoluten Lieblingssongs zu Grundschulzeiten. Und das ist soundmäßig ja absolut nah an dem, was im Rap gerade passiert. Ich habe also gemerkt, dass man dieses „Altbackene“ gar nicht so sehr zum Problem machen muss. Dass Songs nicht oldschool oder superfuturistisch klingen müssen, sondern bestenfalls beides gleichzeitig. Und damit hatte ich endlich einen Grundanspruch gefunden, mit dem ich arbeiten konnte.
Gab es da so eine Art Heureka-Moment?
Das war beim ersten Track des Albums, „Ich Dende also bin ich“. Ich habe mir da einen Beat aus dem Ordner meines Produzententeams The Krauts genommen und direkt darüber gerappt. Da haben wir uns entschieden, dass eigentlich alles so unvermittelt klingen muss, als wäre es gestern fertig geworden, also so ein richtiges Zack-Zack-Prinzip. Bei „Menschine“, das ein Su-Kramer-Sample enthält, kam ich allerdings dann auf diesen Deutsche-Vocal-Samples-Film, habe ewig nach neuen Versatzstücken gesucht und hunderte von Song-Skizzen gemacht – also das genaue Gegenteil der schnellen Arbeitsweise. Aber ich wusste auch genau, wo ich hinwollte.
Warum hast du dich eigentlich nicht – wie gerade die meisten Top-Alben von Trettmann bis Haiyti – komplett vom Producer-Team Kitschkrieg produzieren lassen, das mit „Littbarski“ ja einen Track beigesteuert hat?
Deren Sound auf Albumlänge wäre mir zu sehr Konzeptalbum gewesen. Und zu samplefrei, die verwenden ja so gut wie keine. Die Krauts waren da meine Traum-Besetzung. Vor allem, was die Aufnahme meiner Rap-Parts betrifft. Da haben die eine ganz eigene Herangehensweise, so eine Art wohltuenden Befehlston.
Wie äußert sich der?
Da kam es durchaus vor, dass ich einen Part aufgenommen habe, mit dem ich direkt ganz zufrieden war – und dann sagt einer von denen: „Sorry, aber da musst du noch mal ran. Da sind Unmengen an Füllwörtern drin, die müssen weg.“ Und ich so: „Morgen dann?“ Und der: „Nee, in einer Stunde. Ich komme dann vorbei und hör mir an, was du hast!“ Das habe ich dann auch gemacht, weil die Krauts sind Profis, zu denen ich aufschaue. Nicht umgekehrt.
Ist das nicht etwas unangenehm, wenn der Produzent dem Rapper in seinen Text reinredet?
Gar nicht, das ist reines Handwerk. Viele Füllwörter haben sich für mich bisher immer total natürlich angehört, viele „abers“, „dochs“, „unds“ oder „wenns“. Die tolerieren das aber nicht. Die haben mir das Selbstbewusstsein gegeben, fragment-artiger zu werden, mehr auf die Essenz zu gehen. Eigentlich genau das zu tun, was ich an anderen Rappern immer bewundert, mir selbst aber nicht wirklich zugetraut habe: So direkt wie möglich zu klingen.
Als du der Musik-Sidekick bei Jan Böhmermanns Neo Magazin Royale warst, kam diese Direktheit wahrscheinlich ganz von selbst, oder?
Klar, das war ja immer unfassbar kurzfristig. Das Neo Magazin war wie ein Rap-Bootcamp. Da konnte ich Knoten zum Platzen bringen und dank des positiven Drucks Werkzeuge entwickeln, die mir dann auch bei der Arbeit am Album geholfen haben. Und das alles bei hundertprozentiger künstlerischer Freiheit: Ich habe denen teilweise bis zur Generalprobe gar nicht gesagt, was ich diesmal mache.
Gab es da auch mal Schreibblockaden?
Genau solchen Problemen musste ich mich ja stellen, gerade am Anfang. Und manchmal gab es Doppelaufzeichnungen, für die ich dann eben auch doppeltes Material gebraucht habe. Für die Sendung habe ich sogar zwei, drei potentielle Albumstücke geopfert. Gleichzeitig sind aber zumindest auch drei, vier Sätze aus dem Neo Magazin auf der Platte gelandet.
Blieb in deiner Zeit beim Neo Magazin nicht trotzdem das Album etwas auf der Strecke?
Wir haben ja gleich zu Beginn meiner Arbeit dort das neue Album angekündigt – einfach aus Panik, dass das uns und den Fans aus dem Blick gerät. Aber die Panik war unbegründet, irgendwann hat sich alles gegenseitig befruchtet. Und die Scham, die ich in den ersten zwei, drei Sendungen noch hatte, ist verflogen: Ich konnte Beats ausprobieren, politische Themen beackern, jede Woche aufs Neue. Das war eine völlig neue Arbeitsweise, die dann auch für das Album total hilfreich war.
„Wir nehmen Dinge viel intensiver wahr, wenn sie uns in unserem Bild bestätigen“
Reden wir mal über die Songs. In „Wo ich wech bin“ rappst du über den Ort deiner Jugend, Menden. Du lebst ja mittlerweile in Berlin. Viele sagen, dass sich gerade eine gesellschaftliche Spaltung zwischen dem klassischen Kleinstadtleben und einer neuen urbanen Elite vollzieht. Kannst du das nachempfinden?
Ich verstehe schon, dass man dort vermeintliche Unterschiede sehen kann. Für mich klingt das aber nicht besonders zu Ende gedacht. Wenn du mal mit offenen Augen durch einen Ort gehst – egal ob Menden oder Berlin – und nicht sofort die erstbeste Erfahrung gleich als repräsentativ für alle Menschen in diesem Ort wahrnimmst, wirst du viel mehr Gemeinsamkeiten entdecken, als deinem Vorurteil lieb ist. Wir nehmen Dinge viel intensiver wahr, wenn sie uns in unserem Bild bestätigen, wir ignorieren Widersprüchliches.
Also keine Spaltung?
Man kann es auch so sehen: Einerseits drängen natürlich nach wie vor alle jungen Menschen in die Städte. Aber dort hat sich in den vergangenen Jahren auch eine Art Stadtflucht breit gemacht, plötzlich wollen alle wieder ein Häuschen mit Gemüsegarten. Da verwischt dann eh wieder alles.
Und in welchem Zustand befindest du dich gerade?
In einem erstaunlich guten! Ich hatte hervorragende 20 Jahre in meiner Heimat in Menden. Dann 15 Jahre in Hamburg, einer der schönsten deutschen Städte. Und jetzt eben Berlin, was ich mit absoluter Überzeugung eine der zehn interessantesten Städte der Welt nennen würde – zumindest, was meine Interessen betrifft. Berlin ist für mich die Hauptstadt Europas.
Entwickelt man da nicht auch eine gewisse Arroganz gegenüber Nicht- oder Neu-Berlinern?
Das versuche ich natürlich nach bestem Gewissen zu vermeiden. In der Hinsicht sind wir Zugezogenen ja die Schlimmsten. Mit einem gebürtigen Berliner kannst du nicht über Touristen oder sognannte Hipster lästern. Die machen da nicht mit. Die sind Veränderungen gewöhnt. Wobei natürlich der Ausverkauf der Stadt auch ihre Existenz bedroht.
In „Keine Parolen“ wehrst du dich gegen politische Ansagen, Versprechen und Zukunftsvisionen. Gibt es denn nicht auch gute Forderungen, hinter die man sich stellen könnte? Bezahlbare Mieten zum Beispiel?
Natürlich gibt es die. Aber ich finde, dass sehr oft vergessen wird, dass Politik eben auch Management bedeutet. Eine Regierung ist wie eine riesengroße Firma. Und da fehlt mir manchmal die Professionalität: Politiker setzen auf das Prinzip der Viralität, auf markige Sprüche, die gut ankommen. Gerne auch un-, wenn nicht sogar antidemokratisch. Hauptsache es knallt. Und inhaltlich passiert gleichzeitig kaum etwas. Ich verstehe es nicht mehr.
Aber am Schluss des Tracks zitierst du die Goldenen Zitronen und sagst „Alles, was ich will, ist die Regierung stürzen“. Woher kommt das? Ist das etwa keine Parole?
Aus mir spricht in dem Track ja der satte Mittelstandsesselfurzer ohne Rückgrat. Der keine Parolen will, genau das dann aber mit erhobenen Fäusten fordert und sich „Keine Parolen!“ am liebsten aufs T-Shirt drucken würde. Und am Ende des Tracks hat der eben diese riesige Sehnsucht nach Veränderung, weiß aber gar nicht so recht, was er sich überhaupt wünschen soll, gesättigt und zufrieden wie er ist. Und naja: Dann ist das Stürzen der Regierung eben die naheliegendste Forderung.