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„Ich habe einem Arschloch gesagt, dass er ein Arschloch ist“

Foto: Stefan Wiebel

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Hans Söllner ist einer der provokantesten Liedermacher Deutschlands, der 62-Jährige gilt als bayerischer Rebell. Seit den 70er-Jahren singt er gegen die CSU an, gegen Umweltverschmutzung, für Toleranz.  Immer wieder bewegt er sich dabei auch unter der Gürtellinie. Sein Feindbild sind die Mächtigen, seine Solidarität gilt den Underdogs. Über Jahrzehnte leistete er sich juristische Auseinandersetzungen mit Politikern, Polizei und Behörden, die ihn bis an den Rand des Ruins trieben – ihm aber auch viel Respekt verschafften. Vor Kurzem erschien sein neues Album „Genug“.

Wir trafen ihn in der Küche des Münchner Trikont-Verlags und sprachen mit ihm über Angela Merkel, den Protest, den Abertausende junge Menschen dieses Jahr auf die Straße trugen, über das Erstarken der Nationalisten, übers Kiffen und über seinen Tod. 

jetzt: Deine Wut auf die Politik, Gerichte und Polizei hat dich über die Jahre 300.000 Euro und viel Zeit und Freiheit gekostet. Die Polizei hat immer wieder dein Haus durchsucht, dich auf der Straße kontrolliert. Warum hast du dieses Spiel so lange gespielt?

Hans Söllner: Das war kein Spiel für mich. Für die Polizei war es eines! Die wollten mich kleinkriegen. Ich hab die oft sagen hören, jetzt haben wir dich! Am Arsch! Ich hab nichts verbrochen, nichts gestohlen, habe niemand verletzt, bin nicht gewalttätig geworden. Gar nix.

Du hast Menschen beleidigt.

Ja, ich habe einem Arschloch gesagt, dass er ein Arschloch ist. Mein Gott, der Franz Josef Strauß hat den Grünen so oft gesagt, dass sie Verbrecher sind. Auf der Bühne. Ich bin halt ein Bayer, gottverdammt. Bei bestimmten Sachen bin ich eben impulsiv.

Wie hast du es geschafft, an dem Druck, den die Behörden auf dich aufgebaut haben, nicht zu zerbrechen?

Ich kann dir nur sagen, ich habe 30 Jahre Marihuana geraucht, das hat seinen Teil dazu beigetragen. Und ich habe immer einen Platz auf der Welt gehabt, wo ich daheim war, wo alles von mir abgefallen ist. Ich kam aber auch aus einer Familie, wo du viel Kraft brauchtest, um mental gesund zu bleiben, wo der Vater und die Mutter viele Probleme hatten. Meine Geschwister sind daran zerbrochen, meine Brüder sind schwer alkoholkrank. Und ich kam durch. Ich habe eine gesunde Wut, die ich nicht unterdrücke. Aber das darf man nicht mit Hass verwechseln. Wut ist gesund. Hass nicht. Hass erzeugt immer etwas, wo du einen Schuldigen brauchst.

Was war die letzte Demo, auf der du warst?

Mitte September in Fulda, auf einer #wirsindmehr-Demo. Dort stand ich auf der Bühne. Als Demonstrant war ich auch kurz vor der Tour noch in München auf einer, einfach unter den Leuten halt. Bei den großen Demos muss ich nicht unbedingt auf der Bühne stehen, das soll der Wecker (Konstantin Wecker, Anm. der Redaktion) machen.

Was macht das mit dir, wenn du vor allem junge Menschen siehst, die im Hambacher Forst Widerstand leisten, gegen Hetze, Rassismus, gegen das Polizeiaufgabengesetz in München auf die Straße gehen, oder gegen hohe Mietpreise?

Das beruhigt mich. Weil ich sehe, dass die junge Generation sagt, das lass ich mir einfach nicht mehr gefallen. Ich rede von dieser Doppelmoral: Viele Politiker schreien Klimaschutz – und hintenrum schauen sie zu, wenn der Wald gerodet wird. Oder knicken vor der Autoindustrie ein, die die Leute anlügt und die Luft in unseren Städten verschmutzt. Das geht doch ned!

Was glaubst du, woher der Widerstand der Jungen kommt? Das ist ja eine Generation, der man häufig unterstellt hat, sie sei unpolitisch, angepasst, auf sich selbst bedacht.

Ich glaube, dass das nichts mehr mit Politik zu tun hat. Ich glaube, die jungen Leute erkennen, dass alles den Bach runtergeht, wenn es so weiterläuft wie bisher. Die Meere sind voll mit Plastik, Insekten sterben massenweise. Der Widerstand richtet sich nicht explizit gegen Politiker, sondern für den Hambacher Forst. Oder für Bürgerrechte. Die wollen eine Zukunft haben für sich und ihre Kinder.

Was hilft gegen den Aufstieg rechter Nationalisten, den wir momentan in vielen Ländern von den USA über Brasilien nach Deutschland, Italien und Österreich beobachten können?

Die Parteien, die jetzt da sind und noch was zu sagen haben, bevor die Rechte groß daher kommt, sollten dafür sorgen, dass die Leute entlastet werden. Jetzt muss man sich unterhalten über Dinge wie Grundeinkommen, um die Leute, die wegen ihrer drei Jobs ihre Kinder vernachlässigen, zu entlasten, damit die aus dieser Armutsfalle rauskommen.

Aber es gibt ja auch Menschen in der Mittelschicht und Reiche, die die AfD wählen.

Stimmt. Aber die Mittelschicht hat Angst, dass es ihnen irgendwann genau so geht, wie denen da unten. Und die Reichen haben sowieso Angst, dass ihnen was genommen wird. Deshalb wählen Menschen AfD, weil sie Angst haben und unzufrieden sind.

„Du darfst halt nicht das hochgezüchtete Zeug rauchen, das dich wirklich wegbeamt“

Was würde die Leute denn zufrieden machen?

Ein bedingungsloses Grundeinkommen. Und die Legalisierung von Marihuana, beziehungsweise von Drogen allgemein. Aber das wird bei uns nicht so schnell passieren, weil die nicht wollen, dass die Leute durchs Gras zum Denken kommen. Ich kann da nur aus meiner Erfahrung erzählen. Wenn ich Wein trinke, dann trink ich halt Wein, Glas für Glas, aber das war‘s dann. Da passiert nichts. In dem Moment aber, wenn ich, sagen wir, um elf Uhr vormittags einen Joint rauche, dann dauert es keine zehn Minuten, dann fängt es bei mir an zu arbeiten im Kopf. Dann schnapp ich mir eine Gitarre und fang an zu spielen.

Und wenn ich um elf Uhr vormittags kiffe und einfach sofort einschlafe, ohne groß nachzudenken?

Du darfst halt nicht das hochgezüchtete Zeug rauchen, das dich wirklich wegbeamt. Dann schläfst du auch nicht ein. Aber du bist du und ich bin ich, ich kann mit Gras umgehen, andere vielleicht nicht so. Falls man Gras legalisiert, dann müsste der Umgang damit begleitet sein,  Jugendliche sollten lernen, was die Konsequenzen des Konsums sein können – aber auch, wie er richtig funktioniert, wie man richtig mit Alkohol und Tabak umgeht. An letzterem sterben schließlich die meisten Leute.

Da wird Bayern aber das letzte Land der Erde sein, in dem das realisiert wird.

Absolut. Bin ich überzeugt davon. Wenn wir noch mal so eine Drogenbeauftragte wie die Mortler (Marlene Mortler, CSU, ist Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Anm. d. Red.)

kriegen, dann brauchen wir da auch gar nicht diskutieren.

Wobei: Die CSU hat gerade ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 eingefahren, vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass Angela Merkel sich langsam von ihren Ämtern verabschiedet. Das Konservative, gegen das du immer gekämpft hast, scheint zu bröckeln. Macht dich diese Entwicklung froh?

Ja, mei, lass mich das so sagen: Ich habe die letzten Jahre, immer im negativen Zusammenhang, diesen einen Satz gehört: Wir schaffen das. Aber alle haben Merkels Zusatz vergessen: Wir schaffen das gemeinsam! Was sind denn eine Million Flüchtlinge, wenn man sie auf ganz Europa verteilt? Nichts. Aber wenn ich die alle in eine Turnhalle in einem Dorf stecke, dann brauch ich mich nicht wundern, wenn dort Probleme entstehen. Stellt dir mal vor, du lebst mit 800 Leuten in einer Turnhalle. Und benutzt zwei Toiletten.

Merkel hat aber nicht gesagt, wir schaffen das zusammen. Aber der Kontext war, wir haben schon so viel geschafft, dann schaffen wir das jetzt auch.

Ja, stimmt.

Das klingt ein wenig so, als hätte Hans Söllner Sympathie für Angela Merkel?

(Söllner rutscht ein wenig auf dem Stuhl hin und her). Ich habe nie viel Sympathie für Merkel gehabt, sie hat ja auch viel verbrochen. Aber für diesen einen Satz hat sie meine Sympathie. Wenn bei der Lösung dieser Katastrophe alle mitgezogen und mitgeholfen hätten, Horst Seehofer zum Beispiel, dann hätte Merkel mit dem Satz auch recht behalten.

Auf deinem neuen Album singst du gegen Rassisten, Hetzer, IS-Anhänger, watscht Markus Söder ab, du singst aber auch für die Liebe und die Verletzlichkeit. Du hast das Album „Genug“ genannt – heißt das, genug, es muss sich jetzt was ändern? Oder heißt das: Mir reicht es, ich hör jetzt auf mit der Musik?

Politisch reicht‘s, und mir reicht‘s auch. Es gibt 20 CDS, jetzt ist es genug mit dem Konservieren von Momenten und Gefühlen. Aber auftreten werde ich weiterhin. Ich werde auf der Bühne sterben, das ist klar.

Wäre das ein guter Abgang?

Wahrscheinlich wird‘s eher wie bei Hank Williams, man wird auf mich warten, dann wird einer fragen, wo ist der Söllner, es ist schon halb acht. Dann werden sie an meinem Wohnmobil klopfen, keiner wird aufmachen, dann kommt die Feuerwehr und sie finden mich.

Grinsend mit einer Gitarre in der Hand?

Nicht mit der Gitarre alleine (lacht). Wahrscheinlich wird‘s eher ein Schlaganfall oder Herzinfarkt, wie bei den meisten. Nicht, dass ich mir das wünschen würde. Ich leb ja auch bewusst und gesund und versuche mich nicht stressen zu lassen.

Du bist seit Jahrzehnten unterwegs, zu deinen Konzerten kommen immer noch junge Fans. Was glaubst du, warum die kommen?

Es ist immer wieder faszinierend für mich, wenn 17-Jährige drinsitzen. Ich glaube, viele kommen, wenn daheim über mich geredet wird. Viele wundern sich sicher, dass ich nach 40 Jahren immer noch unterwegs bin. Wundert mich ja auch. Und ich scheiß mir halt nichts.

Ich glaube die spüren, dass ich so bin, wie ich bin, und ihnen nichts vormache. Da sollten viele aufpassen, weil junge Menschen sehr schnell merken, wenn man ihnen was vormacht.

Was ist das wichtigste, das du vom Leben gelernt hast?

(lange Pause) Puh. Sag niemals nie. Zu allem, zu Beziehung, Sexualität, zu Drogen. Und: Achte erst auf dich selbst, versuch, mit dir selbst zufrieden zu sein. Schau, dass du niemandem neidisch bist. Dann kann auch nicht viel passieren.

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