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Was läuft eigentlich schief beim Echo?

Foto: Jens Kalaene /dpa

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Habt ihr dieses Jahr den Echo mitverfolgt? Ich auch nicht. Ein Blick in die Liste der Auszeichnungen lässt einem aber kalte Schauer über den Rücken laufen: Das Album des Jahres ist eine Sammlung aufgewärmter Weihnachts-"Klassiker" von Helene Fischer, bester Rockpop-Act sind Pur aus dem Abenteuerland und die 2013 noch vom Wettbewerb ausgeschlossenen IchbinkeinRassistaber-Brüllrocker Frei.Wild durften sich gestenreich über den Rock/Alternative National Echo freuen:

Jeder Mensch mit auch nur einem Hauch Geschmack fragt sich da zurecht: Wie zur Hölle kommen diese Auszeichnungen zustande? Hat sich der Echo mittlerweile zur Goldenen Himbeere der Musikbranche gewandelt? Warum werden Nominierte, Moderatoren und Laudatoren ausschließlich mit potentiellen Dschungelcamp-Teilnehmern besetzt? Und warum waren Frei.wild in diesem Jahr überhaupt eingeladen? Ein Erklärungsversuch:

Wer bestimmt die Liste der Nominierten?

Traurig, aber wahr: Hauptsächlich die deutschen Musikkäufer. Die Nominierten jeder Kategorie ergeben sich aus den Verkaufszahlen des vergangenen Jahres, zumindest in den klassischen Bereichen Rock/Pop/International/National und so weiter. Die fünf Bestplazierten sind automatisch nominiert.

In anderen Kategorien entscheidet, warum auch immer, der Vorstand des Bundesverband Musikindustrie e. V. (BVMI), zum Beispiel bei den Auszeichnungen Lebenswerk, soziales Engagement oder bester Live-Act, wobei hierbei auch Ticketverkäufe eingerechnet werden. Beim Radio-Echo zählt das Airplay auf deutschen Sendern.

Und wer bestimmt die Gewinner?

In den klassichen Bereichen darf eine Jury aus Vorjahressiegern im Bereich Pop und Mitgliedern des BVMI ihre Favoriten auswählen, die anschließend zu den aus den Charterfolgen zugerechneten Punkten addiert werden, wobei die Jurystimmen nur 10 Prozent der Entscheidung ausmachen.

In den Kategorien, über deren Nominierungen der Vorstand oder Sonderjurys bestimmen, werden unterschiedliche Maßstäbe angelegt. Über Lebenswerk und soziales Engagement entscheidet der Vorstand selbst, in der Kategorie Bester nationaler Act Ausland  zählen Verkaufszahlen außerhalb Deutschlands, beim Radio Echo das Airplay bei deutschen Radiosendern, beim Kritikerpreis eine Jury "musikaffiner" Journalisten... kurz: Es ist kompliziert. Wer es noch genauer wissen will – hier entlang.

Ok, wie auch immer. Aber warum Frei.wild?

2013 waren Frei.wild bereits für den Echo Rock/Alternative National nominiert. Nachdem andere Nominierte (MIA., Die Ärzte, Kraftklub) protestiert und zum Echo-Boykott aufgerufen hatten, wurde die Band wieder ausgeladen und die Gründung eines Echo-Beirats beschlossen, welche die nominierten Werke auf die Einhaltung gesellschaftlicher Normen überprüfen soll.

Die alten Frei.wild-Alben oder frühere Tätigkeiten des Sängers bei der Naziband Kaiserjäger ("Ich hasse diese ganze Gesellschaft, diese Neger und Yugos werden sesshaft") spielen in der Bewertung also keine Rolle, da nur das 2015er-Album "Opposition" überprüft wurde.

Der Echo-Beirat stufte "Opposition" als ungefährlich ein, sie fanden offenbar keine Aufrufe zu Gewalt, Rassenhass oder "Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit".

Hatte die Band auf früheren Alben total unabsichtlich die Sportpalast-Rede von Joseph Goebbels zitiert ("Sturm, brich los!") oder die "Feinde Südtirols" in der "Hölle schmoren" sehen wollen, besteht "Opposition" nämlich zu großen Teilen aus seichter Balladenkost auf Musikantenstadtlniveau, vermengt mit vergleichsweise zahmer Heimatliebe.

Und nun kommen wieder die Käufer ins Spiel: Im zu bewertenden Zeitraum war "Opposition" offensichtlich ganz oben in den Albumcharts vertreten. Warum. auch. immer.

Muss man das alles ernstnehmen?

Den Echo als trauriges Schaulaufen der deutschen Pop-Belanglosigkeiten sicher nicht. Dass dort aber die inoffiziellen Pegida-Soundtrackschreiber ihre Auszeichnung als "Symbol für Widerstand gegen Ausgrenzung " feiern konnten, ist Zeugnis einer Geschmacksverirrung, die schwerer wiegt als jedes Helene-Fischer-Weihnachtsalbum.

 

Kleiner Trost: Der ausgestreckte Mittelfinger von Frei.wild war nicht der einzige des Abends:

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