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Frauen im Battlerap - Porträt von Alice MC
Nach drei Stunden voller Wortspiele, Doppelreimketten und Mutterfickvariationen steht die Siegerin des Abends fest. Und allein das ist schon eine Sensation. Denn mit Alice Mc gewinnt an diesem Abend in einem Club in Berlin Kreuzberg erstmals eine weibliche Battlerapperin das Mainmatch eines großen Events.
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„Auch wenn es scheiße klingt: Das war das beste Battle, was ich bis jetzt von einer Frau in Deutschland gesehen habe“, urteilt einer der Juroren anschließend.
Alice heißt im echten Leben Anne, ist 24 Jahre alt und arbeitet als Ergotherapeutin in Rostock. Ihr Hobby: andere Leute beleidigen. Die Shows, bei denen in der Regel lyrisch mal mehr, mal weniger begabte junge Männer aufeinander treffen, um einander auf möglichst kreative Weise zu dissen, finden mal vor einigen Dutzend Fans in Hinterhöfen, mal vor Tausenden in ausverkauften Veranstaltungshallen statt oder wie an diesem Abend vor einigen Hundert Leuten im Kreuzberger Club Bi Nuu (den ganzen Auftritt gibt es hier, allerdings kostenpflichtig).
„Alles was ich will ist kochen und nackt sein,
back deine Lieblingstorte, dekorier' sie mit Hackfleisch.“
Alice Mc
Nicht nur ihr Geschlecht, auch ihr Kampfstil unterscheidet an diesem Abend Alice von ihrem Kontrahenten Mc Geuner. Der zählt nicht nur im übertragenen Sinne zu den Schwergewichten der Szene. Die komplette erste Runde nutzt Alice für eine vergiftete Liebeserklärung an ihren Gegner, verspricht ihm eine Hackfleischtorte zu backen oder ihm die Wohnung barrierefrei einzurichten.
„Es ist kein plumpes Beleidigen. Es ist eine Kunstform. Es geht um Schlagfertigkeit“, erklärt Alice, den Reiz eines Battles für sie. Battlerap sei eine „Show, ein Sport. Wie Wrestling - nur mit Worten.“ Dass bei diesem Sport Tiefschläge nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht sind, wird deutlich als Mc Geuner zum Konter ausholt. Punchline um Punchline wirft er seiner Gegnerin Gewalt-, Erniedrigungs- und Sexfantasien entgegen. Dabei ähnelt das Aufeinandertreffen der beiden tatsächlich manchmal einem Boxkampf. Weil es immer dann am spannendsten wird, wenn sich ein Schlagabtausch entwickelt. Sie reimt abfällig über seinen Oberlippenbart. Er antwortet: „Ich mag deinen auch“. Er droht ihr mit Vergewaltigung. Sie kontert, sein Penis sei dafür zu klein.
Alice' Weg auf die Bühne begann wie bei den meisten Battlerappern. Als Fan. 2015 besucht sie zum ersten Mal die mittlerweile eingestellte Veranstaltungsreihe „Rap am Mittwoch“ in Berlin. Die Einstiegshürde ist niedrig. Rappen darf, wer will. „Ich hab schon immer viel Hip Hop gehört und irgendwann dachte ich, schreibst du halt mal einen Text und fährst hin.“ Aufmerksamkeit erregt sie zum ersten Mal Ende 2016 mit ihrem Oreo-Keks-Song: „Komme betrunken auf die Stage, schreie Olé Olé, meine Lieblingssexstellung? Oreo-Keks!“
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„Und was für Frauenrechte? Ihr könnt mal meinen Penis lecken“
Außerhalb der Szene bekommt Battlerap, wenn überhaupt, wegen seiner vermeintlich sexistischen oder rassistischen Verse Öffentlichkeit – und die ist dann meistens empört. Aber auch innerhalb der Szene ist die Diskussion über die Grenzen allgegenwärtig. „Für mich sind Witze über Religion eine Grenze. Aber ansonsten ist alles erlaubt“, sagt Alice. Battlerap bedeute für sie, Klischees auszuschlachten und sie dadurch vorzuführen. „Das ist für mich auch eine Art von Gesellschaftskritik“, sagt Alice.
„Mit einer Line, die Araber abwertet, kannst du Leute dazu bringen, Araber abzuwerten. Du kannst aber auch Leute hinterfragen lassen, warum Araber abgewertet werden.“ Dass beispielsweise frauenverachtende Lines dazu führen, sexistische Klischees im Alltag der Fans zu normalisieren, spürt sie nicht: „Auf der Bühne wirst du natürlich sexistisch beleidigt, aber in der Crowd wurde ich noch nie angepöbelt.“
Im Zweifel entscheidet das Publikum selbst, wo die Grenzen liegen. Als Mc Geuner über den imaginären Sex mit der siebenjährigen Tocher von Alice rappt, applaudiert kaum jemand. Ein paar protestierende Zwischenrufe sind die lautstärkste Reaktion. „Geht raus, das ist Battlerap ihr Fotzen“, ruft MC Geuner zurück.
„Und was für Frauenrechte? Ihr könnt mal meinen Penis lecken.
Nachdem ich dich zerstört habe, werd' ich dein Mädchen bangen.
Wenn sie mir einen lutscht, bleibt meine Vorhaut zwischen Spange und Zähnen hängen.
Und nur um zu zeigen, wie Leid es mir tut, ritze ich dir das Wort Emanzipation auf deine Schädeldecke.“
Mc Geuner
Auch ihr letzter Gegner machte Alice' Tochter zum Thema, warf ihr eine Runde lang vor, eine schlechte Mutter zu sein. Persönlich treffen würden sie das nicht, sagt Alice. „Allein schon deswegen nicht, weil ich keine Tochter habe. Ich habe mal einen Track namens 'Meine Tochter' geschrieben. Da geht es um amerikanische Frauen, die ihre Kinder auf Schönheitswettbewerbe schicken. Das haben die beiden wohl falsch verstanden.“
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„Wenn du einer von 800 Männern bist, ist es schwerer dranzukommen“
Die Grenzen zwischen Kunstfigur und echter Person verschwimmen zu lassen, kleine Infohäppchen aus dem echten Leben des Gegners zu bedeutungsschweren „Scemes“ aufblähen, auch das gehört zum Battlerap. Gegnerbezug, „Realtalk“ und „Personals“ sind mindestens genauso wichtig wie der nächste Sechsfach-Reim. Aus dem Lispeln ihres Gegners macht Alice einen behandlungsbedürftigen Sprachfehler. Mc Geuner wiederrum reicht der Umstand, dass Anne in Rostock lebt, um Alice als ausländerfeindlich abzustempeln. Alice nutzt ein altes Zitat von Mc Geuner, wonach Jesus sein bester Freund sei, um ihm einen ganzen Part lang vorzuwerfen, dass er mit seiner Fettleibigkeit gegen die christlichen Gebote verstoße. Er wiederum wirft ihr vor, sie könne nur gewinnen, weil die Crowd automatisch auf der Seite der Frau stehe. Es ist die einzige Line, von der Alice später sagen wird, dass sie sie persönlich getroffen habe.
„Ich weiß nicht, ob er vielleicht damit Recht hat. Ich meine ich war zweimal da und bekam gleich die Kontakte der Veranstalter. Wenn du einer von 800 Männern bist, ist es schwerer dranzukommen“, sagt Alice und beeilt sich einzuschränken: „Es gibt auch viele, die mich scheiße finden, weil ich eine Frau bin.“
„Das Interessanteste an dir ist, dass du eine Frau bist, ob du willst oder nicht.
Und du denkst, du kannst dich mit dem Image einer Hoe verewigen?
Doch du bist wie mein Tipico-Schein, weil du nur hier bist, um die Quote zu bestätigen.“
MC Geuner
Auch an vielen Youtube-Kommentaren zu ihren Battles, in denen anders als bei männlichen Rappern jedes Detail ihres Aussehen bewertet wird, merkt man, dass Frauen im Battelrap noch längst keine Normalität sind. Trotzdem: Respektbekundungen und sachliche Kritik an Punchlines und Reimtechnik überwiegen. Anders als bei der Lübecker Battlerapperin Pilz, die nachdem sie sich in einem Battle ein Kopftuch aufsetzte und ihrem Gegner anbot, sie auf seinem Gebetsteppich zu ficken, einen Shitstorm aus Vergewaltigungs- und Morddrohungen über sich ergehen lassen musste.
„Ich würde total gern ein geschlechtsneutraler Rapper sein und auf der Bühne nicht als Frau beurteilt werden“, sagt Alice und appelliert an Rapperinnen es ihr gleich zu tun: „Die Frauen sollen in die Battlerap-Szene kommen und da ihr Ding machen. Ich wünsche mir von weiblichen MCs vor allem, dass sie das stilvoll tun. Man muss nicht als Frau beweisen, dass man männlicher ist als die Männer.“
„Vielleicht ist das auch kein Mikropenis, der in deiner Hose steckt.
Der Arme wurde einfach nur jahrelang tot gequetscht.
Also lass dich von meinem Team behandeln, Geuner es lohnt sich.
Und ich versprech' dir, dass du in einem Jahr im Stehen das Klo triffst.“
Alice MC
Dass man ganz ohne Männlichkeitsgehabe, Mutterlines und Gewaltfantasien einen Abend gewinnen kann, beweist Alice auch in der dritten Runde. Mit einem gereimten Therapieangebot führt Alice die körperlichen und psychischen Defizite ihres Gegners vor und gewinnt das Battle knapp mit 3:2 Stimmen. Dass das nicht nur an ihrem Geschlecht gelegen haben kann, zeigt ein anderes Match am selben Abend. Im Vorprogramm von „Alice vs. Mc Geuner“ trifft noch eine Frau auf einen Mann. Sie verliert.