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Eli Davies im Interview: Über „Under my Thumb“, ein Buch über frauenfeindliche Musik
Wer sich ansatzweise mit Feminismus auseinandergesetzt hat und Musik liebt, kennt das Gefühl. Das Wort „Unwohlsein“ trifft es wohl am besten. Da steht man im Club oder vor der Stereoanlage, ein altes Lieblingslied setzt ein, das #metoo-sensibilisierte Ohr hört den Text, zum Beispiel die ersten Zeilen von „Big Pimpin“ von Jay-Z:
You know I thug em, fuck em, love em, leave em
Cause I don't fuckin' need em
Take em out the hood, keep em lookin' good
But I don't fuckin' feed em
Brutal frauenfeindlich, denkt man sich da. Warum rappe ich trotzdem gerade mit? Und warum macht die Freundin neben mir genau das gleiche? Über diesen Zwiespalt haben die Britinnen Eli Davies und Rhian Jones ein Buch herausgebracht, es heißt „Under My Thumb“ wie der Die-Frau-hab-ich-unter-meiner-Fuchtel-Song der Rolling Stones. Der Untertitel: „Songs That Hate Women And The Women Who Love Them“. 29 Autorinnen schreiben darin in Essays über ihre Lieblingssongs, das Unwohlsein – und warum sie trotzdem nie auf den Gedanken kämen, die Songs aus ihren Playlists zu werfen. Wir haben mit einer der Herausgeberinnen gesprochen.
jetzt: Eli, bei welchem Song hast du dieses von dir beschriebene Unwohlsein? Und hat das dann auch zu der Buchidee geführt?
Eli Davies: Zunächst mal hatte ich schon länger das Gefühl, dass die weibliche Sicht auf Musik noch nie so richtig zur Geltung gekommen ist, auch im musikjournalistischen Sinn. Auf die Idee für das Buch bin ich dann gekommen, als ich einen Artikel über das 20. Jubiläum des Albums „From a Different Class“ von Pulp geschrieben habe. Ich bin ein riesiger Fan der Band und habe beim Durchhören für den Artikel festgestellt, dass da einige Zeilen enthalten sind, mit denen ich aus meiner feministischen Perspektive nicht unbedingt zufrieden sein kann. Jarvis Cocker ist einfach ziemlich oft wütend auf Frauen. Aber gleichzeitig habe ich auch gemerkt, dass ich allein deswegen nicht sagen würde:„Ich höre das jetzt nicht mehr!“ Manche Songs sind frauenfeindlich, aber eben auch fantastisch. Diesen Zwiespalt fand ich wahnsinnig spannend und wollte dazu noch mehr Stimmen einholen.
Ist das Problem dann einfach, dass Männer in ihren Songs eben nur eine bestimme Perspektive bedienen, die durch – mal ganz platt – mehr Frauenstimmen ausgeglichen werden könnte? Oder ist das Problem tatsächlich, dass Songs aus einer männlichen Perspektive, zum Beispiel über eine zerbrochene Beziehung, oft frauenfeindlich klingen?
Das ist eine Kombination von vielen Aspekten. Die Musikindustrie wird natürlich auf der rein materiellen Ebene von Männern dominiert, keine Frage. Auf der kulturellen Ebene ist es so, dass es durchaus „genug“ weibliche Stimmen gäbe, die aber leicht übersehen werden. Wenn man an Begriffe wie Punk, Rock, Rebellion in der Musik und so weiter denkt, hat man eben doch meist einen Mann vor sich, auch in der musikgeschichtlichen Aufbereitung hinterher.
„Uns geht es nicht darum, Entschuldigungen für Frauenfeindlichkeit zu finden“
In einem Essay geht um „Big Pimpin“ von Jay-Z. Die Autorin kommt zu dem Schluss, dass Jay-Z „Machtstrukturen“ unterworfen ist, die ihn dazu zwingen, seine Verletzlichkeit zu unterdrücken – und er deswegen zu solchen Zeilen greifen muss. Ist das nicht eine etwas seltsame Entschuldigung für Gewaltfantasien gegenüber Frauen? Gibt es nicht auch Textzeilen, bei denen man tatsächlich sagen muss: Das ist jetzt wirklich totaler Müll.
Die gibt es auf jeden Fall, natürlich muss man eine Grenze ziehen. Aber uns geht es nicht darum, Entschuldigungen für Frauenfeindlichkeit zu finden. Ebensowenig geht es darum, Songtexte einem Korrektheits-Check zu unterziehen. Die Autorinnen sollten einfach ihr Verhältnis zu den Songs beschreiben. Und offensichtlich hat die Autorin bei „Big Pimpin“ einen Weg gefunden, das Lied eben trotz allem zu mögen.
Die meisten Autorinnen in eurem Buch finden diesen Umgang für sich. Fehlt da nicht auch ein Aufruf zu einer Veränderung?
Natürlich wäre es schön, wenn sich auch etwas ändert. Wir sagen nicht: Texte sind frauenfeindlich, findet euch damit ab. Aber wir wollen auch keine Richtlinien oder so etwas festlegen, wir sind ja keine Zensurbehörde. Uns geht es nicht um Verbote, sondern um neue Perspektiven, um die weibliche Sicht auf Musik. Und ich glaube, die schränkt niemanden ein, sondern ist am Ende für jeden eine Bereicherung.
Der ganzen Rock-Rebellion ging es ja eigentlich darum, Konventionen, auch im Hinblick auf Sexualität, aufzubrechen, sie zu überwinden. Warum wurden Frauen dabei so oft überhört?
Ich glaube, dass auch rebellische Bewegungen wie Hippies oder Punks nicht komplett imstande waren, ihren soziokulturellen Hintergrund hinter sich zu lassen. Die Gesellschaft war eben patriarchal und von Diskriminierung geprägt. Und die Popkultur der Zeit hat sich vielleicht dagegen gestemmt, aber fand eben trotzdem in ihr statt.
Viele der Autorinnen sind zunächst mal große Fans einer Band oder Musikrichtung. Das latent Frauenfeindliche scheinen sie oft erst mit einem gewissen Abstand zu ihrem Hardcore-Fantum zu bemerken. Wie erklärst du dir das?
Bei vielen der Essays – auch meinem – ist es so, dass die Autorinnen die jeweiligen Musiker als Teenager kennengelernt haben. Da war plötzlich diese neue Band, die war anders, die war super. Da ist man dann eben Fan, ohne sich direkt über die Maleness Gedanken zu machen. Wenn man zu einem Lied abfeiert oder seinen Ärger rauslässt, dann ist das ja ein total anderer Zugang zu einem Song, als wenn man sich an einen kritischen Essay über den Songtext setzt. Beides hat seine Berechtigung.
Klammert diese Maleness denn grundsätzlich Frauen aus? Kann ein Mann in seinen Songs nicht auch die weibliche Perspektive berücksichtigen?
Auf jeden Fall! Ich nenne da immer Prince. Der singt zwar sehr direkt über Sex und Begehren, erzählt aber auch Geschichten über Frauen oder nimmt die Frauen ernst, die in seinen Songs vorkommen.
In dem Buch geht es auch um Bob Dylan und Songs wie „Just Like a Woman“ oder „Don't Think Twice It's All Right“, die beide von einer gescheiterten Beziehung zu einer Frau handeln. Wenn ein Mann über eine miese Zeit mit einer Frau singt, kann das dann nicht immer als irgendwie frauenfeindlich interpretiert werden?
Da fällt mir ein positives Beispiel ein: Es gibt ein Lied von Madness, „My Girl“. Da geht es um einen Mann, der nicht versteht, warum seine Freundin immer von ihm genervt ist. Und obwohl er dieser Frau harte Vorwürfe macht, klingt das dabei nie nach einem generellen Frauenhass. Aber mal unabhängig davon: Ich glaube auch, dass die schmerzhaften, brutalen und irrationalen Seiten der Liebe ihren Platz in der Musik haben müssen. Wenn du als Frau ein Lied hört, in dem ein enttäuschter Mann eine Frau beschimpft und du merkst: Das ist nicht in Ordnung, aber ich mag es – da ist genau die Spannung, um die es im Buch geht.