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Backstage bei den Eagles of Death Metal in Paris
Wahrscheinlich gab es selten bei einem Konzert so aufwendige Sicherheitsvorkehrungen wie bei dem Auftritt der Eagles of Death Metal am Dienstag in Paris. 300 Polizisten, ein abgesperrtes Gelände und Metalldetektoren. Nichts durfte beim ersten Paris-Gig nach dem Attentat im November passieren. Raphaëls Geschichte zeigt: Die Sicherheit war vielleicht nur Trug und Schein.
Denn er hat die Sicherheitsvorkehrungen überwunden. Der Student konnte alle Hürden umgehen. Ohne Eintrittskarte ist er bis in den Backstage-Bereich und später sogar in den Hotel-Pool der Band gekommen. Die Geschichte des 23-Jährigen klingt unglaublich, nicht alles lässt sich nachprüfen. Aber die Fotos seiner Nacht sind eindeutig.
Raphaels Sicht vom aus dem Backstage-Bereich – wo er eigentlich gar nicht hätte sein dürfen.
Mittendrin, obwohl er gar nicht da sein sollte – Raphael fotografierte Eagles-Sänger Jesse Hughes aus nächster Nähe.
Dreistigkeit siegt – selbst bei einem Konzert mit Hochsicherheits-Vorkehrungen.
Raphaels gefälschter Backstage-Pass verschaffte ihm tatsächlich Zugang in den Privatbereich der Band hinter der Bühne.
Nach einer weiteren Lügengeschichte hatte er sich den gültigen Backstage-Pass erschlichen.
Der Abend endete für Raphael (vorne rechts) und seinen Kumpel Arnaud (hinten) im Hotel-Pool mit dem Eagles-Sänger.
Hier erzählt Raphaël, wie er es ohne Karte in den Backstage-Bereich geschafft hat:
"Es war eine Herausforderung. Ein Konzert mit außergewöhnlichen Sicherheitsvorkehrungen. Ich wollte wissen, ob ich sie umgehen kann und es in den Backstage-Bereich schaffe, wie ich das sonst oft bei Konzerten mache. Das ist so eine Art Hobby von mir. Die Fotos, die dabei entstehen, stelle ich auf Instagram.
Dabei war ich mir diesmal gar nicht sicher, ob ich überhaupt hingehen sollte. Ich hatte Angst, dass keine Stimmung aufkommt. Und ich hatte in einigen Artikeln gelesen, dass die Opfer des Bataclan lieber unter sich bleiben wollen. Aber ich wollte es trotzdem versuchen.
Ich war total nervös, ich hatte ja nicht mal ein Ticket. Also habe ich es am Künstlereingang versucht. Dort stand eine Frau mit der Gästeliste. Ich habe sie auf Englisch angesprochen und ihr erzählt, dass ich von der Produktion bin. Dazu habe ich ihr einen selbstgebastelten Ausweis gezeigt. Sie hat gesagt, mein Name stehe nicht auf der Liste und der Ausweis sei ungültig. Aber ich konnte sie davon überzeugen, dass der Ausweis noch vom Konzert im November ist. Und so hat sie mir eine Eintrittskarte gegeben. Damit bin ich ganz normal reingekommen, vorbei an der Polizei und den Sicherheitskontrollen.
Ich habe die Tür geöffnet und meinen Kumpel reingelassen. Einfach so. Ich dachte: Wie gut, dass wir nicht gefährlich sind.
Und eigentlich waren die Sicherheitsmaßnahmen gar nicht so streng. Im Gegenteil: Es lief alles wie immer. Ziemlich beunruhigend eigentlich. Ich bin zu einem Notausgang, der direkt auf die Straße führt. Kein Sicherheitspersonal, überhaupt nicht bewacht. Ich habe die Tür von innen geöffnet und meinen Kumpel Arnaud reingelassen. Einfach so, keiner hat uns aufgehalten. Das hat mich wirklich geschockt. Ich dachte mir: Wie gut, dass wir nicht gefährlich sind.
In der Halle ist uns ein junges Mädchen über den Weg gelaufen, sie war total verheult. Ich hab’ mich unwohl gefühlt. Ich hatte Angst, dass die Stimmung umschlägt. In den ersten Minuten waren die Leute auch noch echt benommen, aber dann haben sie sich entspannt. Alle haben gesungen, getanzt, geschrien. Es war ein richtiges Rockkonzert! Die Stimmung war super. Für das letzte Lied ist Sänger Jesse Hughes ins Publikum gegangen. Zu den Opfern, viele sitzen jetzt im Rollstuhl. Sie haben gemeinsam gesungen. Das war sehr bewegend.
Die Band war total mitgenommen. Vor allem Jesse Hughes. Seine Stimme, die Texte – da habe ich seine Trauer gespürt. Als er am Ende des Konzerts von der Bühne ist, hat die Menge angefangen zu schreien. Das hat ihn offenbar an die Schreie von damals erinnert. Er wirkte plötzlich sehr gestresst. Es hat ihn viel Kraft gekostet, wieder auf die Bühne zu gehen. Vor die Masse zu treten, mit denen er die Tragödie besiegt hat.
Ich konnte diese Szenen ziemlich genau beobachten, ich hatte ja mit meinem Backstage-Pass Zugang zur Bühne und konnte alles von da oben sehen. Ich habe auch da der Security einfach meinen selbstgebastelten Ausweis gezeigt. Die haben gar nichts gemerkt. Ein Stück Papier mit der Aufschrift „Artist. All access“ und eine Portion Selbstvertrauen haben gereicht, um in die Garderobe der Band zu kommen. Dort bin ich zur Produktion und habe gesagt, ich hätte meinen Ausweis verloren. So hab’ ich einen offiziellen bekommen. Ein schönes Andenken.
Normalerweise ist es backstage sehr lustig, jeder trinkt und feiert. Diesmal war das anders. Sehr emotional, sehr ruhig. Viele Umarmungen. Einige Opfer des Attentats waren da. Ich habe mich mit ihnen unterhalten. Das war sehr interessant. Schließlich kamen auch die Bandmitglieder dazu und wir sind ins Gespräch gekommen. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. So haben sie uns mit in ihr Hotel genommen. „Les Bains“ heißt das, im dritten Arrondissement. Da gab es eine kleine Aftershow-Party. Vielleicht 15 Leute, in der Hotelbar. Sogar ein Pool war dort. Jesse ist mit uns reingesprungen. Er war richtig erleichtert und glücklich, dass es mit dem Auftritt geklappt hat. Danach haben wir uns noch lang über das Konzert im November unterhalten. In Brüssel werden wir uns wiedersehen. Auf einem Festival, das haben wir schon ausgemacht."