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Spotify: Antisemitische Playlists wurden erst spät gelöscht
Das Bild: Adolf Hitler mit Sonnenbrille und Kopfhörern, rechts daneben ein Smiley in Denkerpose und im Hintergrund ein Feuerwerk. Der Titel: „auschwitz rave party“.
Diese und zahlreiche weitere Playlists mit antisemitischen Titeln und Bildern wurden beim schwedischen Musiktreamingdienst „Spotify“ veröffentlicht – also von privaten User*innen dort erstellt und öffentlich zugänglich gemacht. Darüber hat vergangene Woche die Zeitung The Times of Israel berichtet. Bebildert waren jene Playlists unter anderem mit: Hakenkreuzen, Ku-Klux-Klan-Symbolen, einer Hitler-mit-Sixpack-Montage und Memes wie „Pepe The Frog“, der 2016 von der „Anti Defamation League“ als rassistisches Hasssymbol eingestuft wurde.
Opfer des Holocaust werden in diesen Playlists verhöhnt, Hitler verherrlicht
Auch die Titel der Playlists waren alarmierend: Opfer des Holocaust wurden darin herabgewürdigt und verhöhnt, Hitler verherrlicht und der Holocaust geleugnet. In manchen Titeln hieß es etwa: „Gas the Jews“ – „Vergast die Juden“. In anderen: „The Holocaust was an exaggerated game of hide and seek” – „Der Holocaust war übertriebenes Verstecken spielen“. Oder: „Hitler did nothing wrong“ – „Hitler hat nichts falsch gemacht“. Mittlerweile hat Spotify den Großteil dieser Playlists wieder gelöscht, einige wenige sind aber immer noch abrufbar.
Außerdem: Mehr als 100 User*innen-Profile mit dem Namen „Adolf Hitler“ sind auch heute auf der Plattform zu finden. Das Löschen von Profilen dauere bisweilen 24 Stunden, erklärte Spotify gegenüber dem „Tagesspiegel”. Diese 24 Stunden sind seit dem Statement Spotifys allerdings längst überschritten, weiterhin sind derartige Profile online. Auf Anfrage von jetzt hat Spotify noch nicht reagiert.
Die Musik, die sich dahinter verbirgt, liegt weitestgehend im Mainstream
Als Grund für die Löschungen vieler Playlists führt Spotify an, dass sie ihren Richtlinien widersprechen. Zwar sind die Titel jener Playlists allesamt englischsprachig, zugänglich sind sie aber weltweit – auch in Deutschland, wo die Leugnung und grobe Verharmlosung des Holocaust als Teil des Volksverhetzungspragrafen ein Straftatbestand ist. Die Musik, die sich hinter den Playlists verbirgt, liegt weitestgehend im Mainstream. Darunter sind „American Idiot“ von Green Day, Rammsteins „Du hast“ oder „Lose Yourself“ von Eminem. Laut The Times of Israel befand sich auf manchen der Playlists aber auch deutsche Militärmusik.
„Wir nehmen dieses Thema sehr ernst“, sagte Spotify gegenüber The Times of Israel. Inhalte (Musik und Künstler*innen), die von der „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ gelistet sind, würden proaktiv entfernt werden – die restliche Bearbeitung erfolge einzeln, also von Fall zu Fall. Aber das dauert. Und es verhindert nicht unbedingt, dass neue Playlists mit solchen Titeln gepostet werden. In den Datenschutzrichtlinien von Spotify steht, wie man Inhalte melden kann. „Ein Missbrauch (...) kann dazu führen, dass das betreffende Spotify Konto aufgelöst wird”, heißt es dort.
Es ist nicht das erste Mal, dass der Streamingdienst wegen rassistischer Inhalte in der Kritik steht. Bereits 2017 identifizierte die Webseite „Digital Music News“ 37 rassistische Musiker*innen und Neonazi-Bands auf der Plattform. Spotify reagierte damals mit dem Statement: „Wir sind froh, auf diese Inhalte aufmerksam gemacht worden zu sein, und haben diese, sobald es uns bekannt war, entfernt.”
In den USA erklärte die „Anti-Defamation League gegen Diskriminierung von Juden“ am vergangenen Mittwoch, alle Plattformen im Netz sollten Hassinhalte verbieten, die sich gegen Religion, sexuelle Orientierung, Geschlecht oder Herkunft richten. Sie wollen Spotify dazu bringen, in Zukunft effizientere Maßnahmen gegen Hass und Antisemitismus im Netz zu entwickeln.
Antisemitismus hat im digitalen Zeitalter signifikant zugenommen
Für Spotify sind Vorfälle wie dieser trotz der Löschmaßnahmen verheerend. Denn diese erfolgten im Grunde viel zu spät: Nämlich nachdem eine Zeitung auf das Material stieß, es sammelte und Spotify zum Handeln aufrief. Etwas, das Spotify selbst hätte tun müssen. Denn erst kürzlich kam eine Langzeit-Studie der Technischen Universität Berlin zu dem Ergebnis: Antisemitismus hat im digitalen Zeitalter signifikant zugenommen.
„Das Internet fungiert (…) als Multiplikator, da es Antisemitismen in großem Ausmaß zugänglich macht, sie global und auf allen Ebenen des Web 2.0 verbreitet und damit der Normalisierung von Judenhass Vorschub leistet“, heißt es dort. Umso wichtiger also, dass Anbieter sozialer Plattformen im Netz mehr Verantwortung übernehmen und aktiver werden, Hassinhalte zu moderieren.
Für soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook gibt es in Deutschland immerhin seit zweieinhalb Jahren das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Es sollte ein härteres Vorgehen gegen Hass im Netz bewirken. Strafbare Inhalte sollen innerhalb von 24 Stunden gelöscht, auf Meldungen innerhalb von 48 Stunden reagiert werden. Aber auch hier hakte es bislang – zum Beispiel daran, dass rechtswidrige Hass-Inhalte, auch wenn sie bereits gelöscht wurden, immer wieder neu gepostet werden können.
Betreiber von Facebook, Twitter & Co. konnten sich bislang weitestgehend aus der Verantwortung ziehen. Der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas erklärte in einer Pressemeldung: „Das größte Problem liegt darin, dass die Beschwerden der Nutzerinnen und Nutzer von den Plattformen nicht ernstgenommen werden. Hier müssen die Unternehmen dringend besser werden.” Am Beispiel von Spotify scheint dieses Problem immer noch aktuell.
Auf der Twitter-Seite der KZ-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau riefen zahlreiche Nutzer*innen nun dazu auf, Spotify zu boykottieren. Der Account „Auschwitz Memorial“ selbst twitterte schlicht: „Spotify. Do better, please“– „Spotify, macht’s bitte besser.“
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