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Mama Maus kocht, Papa Maus liest Zeitung

Illustration: Daniela Rudolf-Lübke

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In dieser Kolumne geht es um Schwangerschaft und Eltern-Sein, um die Hürden, das Glück, die Mythen rund ums Thema Baby. Unsere Autorin ist Mutter einer dreijährigen und einer einjährigen Tochter. Folge vierzehn: Kinderbücher und die Werte, die sie vermitteln. 

Zum Abschied aus der Krippe bekam meine Tochter ein Buch von ihrer Erzieherin geschenkt. Darin geht es um ein Mäusemädchen, das sich nun groß genug findet, um sich selbst anzuziehen oder das Frühstück zu machen. Hin und wieder passieren ihm dabei Missgeschicke, doch die Eltern nehmen es entspannt. Soweit eine süße Geschichte, die sowohl den Kindern als auch den Eltern dabei helfen soll, mit einer neuen Phase in der Entwicklung des Kindes zurechtzukommen – der Autonomiephase zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr. Doch beim Lesen störe ich mich immer wieder an den Rollenklischees, die das Buch bedient. 

Da wäre zum Beispiel die Tatsache, dass Mama Maus die komplette Care Arbeit zu machen scheint. Sie weckt das Mäusekind, macht Frühstück, putzt, gießt die Blumen, kocht. Papa Maus liest währenddessen Zeitung und lässt am Nachmittag mit den Kindern Drachen steigen. Auch mit anderen Kinderbüchern kann ich mich nur schwer anfreunden. Ein Lieblingsbuch meiner Tochter handelt von einem Autofahrer, der eine Gruppe Hasen erst fast überfährt und sie dann auch noch anmeckert, sie sollten gefälligst aufpassen, wo sie hinlaufen. Die schönen Bilder und Reime, die meiner Tochter so gefallen, täuschen nicht darüber hinweg, dass die Geschichte rücksichtsloses Autofahren zelebriert. Ein neu aufgelegtes Märchenbuch habe ich vor einiger Zeit sogar aussortiert, nachdem ich den Satz „Eine Mutter hatte eine sehr schöne und eine sehr hässliche Tochter“ vorgelesen hatte.  

Nun sind viele Kinderbücher einfach schlecht gealtert und passen mit den Werten, die sie vermitteln, nicht mehr in unsere Gesellschaft – oder zumindest nicht zu dem Weltbild, das ich meinen Kindern mitgeben möchte. Das wissen auch die Verlage, die an Neuauflagen von Klassikern wie „Pippi Langstrumpf“ oder „Charlie und die Schokoladenfabrik“ bisweilen einige Änderungen vornehmen. Aus „enorm fett“ wird „kräftig“, Papa Langstrumpf zum „Südseekönig“, in Hörbüchern werden einige Charaktere nochmal neu ohne stereotypen Akzent eingesprochen.  

Bücher aussortieren, beim Vorlesen umdichten – Ist das Zensur im Kinderzimmer?

Das erntet nicht nur Applaus, sondern auch Kritik bis hin zum Vorwurf der Zensur. Und auch nach solchen Änderungen vermitteln einige Klassiker noch veraltete Werte und Rollenbilder. Sie sind und bleiben, wie man so schön sagt, Kinder ihrer Zeit. Beliebt bei Eltern und dem Nachwuchs sind viele von ihnen trotzdem. Ein Mitarbeiter von Tonie – die Macher der Tonie-Boxen und Hörbuchfiguren – postete vor drei Jahren auf Linkedin ein kleines Statement dazu, wie die Firma mit Kinderklassikern umgeht. Ihr Motto: Diskriminierende Begriffe ersetzen und mit neuen, diverseren Geschichten gegen die Stereotype arbeiten, die Klassiker weiterhin vermitteln. Soll heißen: Nachdem ich meinem Kind ein Buch mit klischeehafter Rollenaufteilung von Mama und Papa vorgelesen habe, greife ich danach vielleicht zu einer Geschichte, in der ein anderes Lebensmodell abgebildet wird. Genug Auswahl gibt es ja zum Glück mittlerweile. 

Auch einige neue Bücher beinhalten Szenen oder Sätze, die ich beim Vorlesen lieber weglassen oder umdichten würde. Und damit bin ich nicht allein. Unter Eltern gibt es viele Diskussionen dazu, Empfehlungen für und Warnungen vor bestimmten Büchern, Hörgeschichten, Serien, Filmen und Kinderliedern. Dahinter steht die Sorge, das Kind könnte die rezipierten Wertevorstellungen und Rollenbilder übernehmen. Und tatsächlich gehen Forschende und Expert:innen davon aus, dass die in Kindergeschichten vermittelten moralischen und sozialen Werte und die Darstellungen von Geschlechterrollen und kultureller Vielfalt einen Einfluss auf die Wertebildung und das Sozialverhalten von Kindern haben können.  

Nun können Eltern zumindest in den frühen Kindheitsjahren sehr gut steuern, was ihr Nachwuchs lesen, hören und sehen darf. Bücher aussortieren, beim Vorlesen umdichten, Passagen auslassen. Ist das Zensur im Kinderzimmer? Die Kinderpsychologin Michele Borba hält es ganz im Gegenteil sogar für eine wichtige Aufgabe der Erziehungsberechtigten, Medien mit Bedacht auszuwählen. Wenn das Kind schon groß genug ist, um ein Gespräch zu führen, könne man die Gelegenheit auch nutzen, um das kritische Denken zu fördern, indem man die Stelle oder die Szene bespricht und einordnet. 

Außerdem sind Bücher nicht der einzige Einfluss auf die Wertebildung von Kindern. Als langjährige TKKG-Hörerin war ich regelrecht geschockt, als ich vor einigen Jahren nochmal in die Hörbücher reingehört und den extremen Sexismus, die Ausländerfeindlichkeit und andere Diskriminierungsformen bemerkt habe. Obwohl ich heute ein ganz anderes Wertebild habe und lebe, bin ich mir aber auch sicher, dass diese Inhalte nicht völlig spurlos an mir vorrübergegangen sind. Beispielsweise war ich durchaus mal der Meinung, dass Frauen nicht arbeiten sollten, wenn sie gute Mütter sein wollen. Irgendwoher muss ich diesen Quatsch ja gehabt haben, vielleicht aus Kindergeschichten?

   

Solange ich noch als Gate-Keeper von Medieninhalten fungieren kann, werde ich deshalb aussortieren, umdichten oder beim Vorlesen weglassen, was ich für absolut nicht vereinbar mit dem halte, was ich meinen Kindern fürs Leben mitgeben möchte. Das Märchenbuch zum Beispiel bleibt vorerst im Keller – auch, weil ich meine Tochter noch zu jung finde, um mit ihr ein kritisches Gespräch über oberflächliche Schönheit zu führen. Bei dem Buch mit dem Auto nutze ich die Gelegenheit, um mit ihr über Vorsicht und Rücksicht im Straßenverkehr zu sprechen.  

Das Mäusebuch aber lese ich weiter kommentarlos vor – und gleiche die dort vermittelten Klischees nicht nur mit anderen Büchern, sondern auch mit unserer gelebten Realität aus. 

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