- • Startseite
- • Mommy-Kolumne
-
•
Mutter-Kolumne: Wenn Ängste in der Schwangerschaft teuer werden
In dieser Kolumne geht es um Schwangerschaft und Eltern-Sein, um die Hürden, das Glück, die Mythen rund ums Thema Baby. Unsere Autorin ist Mutter einer zweijährigen Tochter. Folge fünf: Ängste und der Umgang damit.
Ich behaupte von mir selbst, in meiner Schwangerschaft relativ wenige Ängste gehabt zu haben. Im Großen und Ganzen war ich zuversichtlich, dass schon alles irgendwie gut gehen wird, dass das Baby sich gesund entwickelt. Schließlich gab mir mein Körper nach dem ersten Schwangerschaftsdrittel nur wenig Anlass zur Sorge: Weitestgehend kam ich ohne Beschwerden durch bis zur Geburt. Dennoch habe ich am Ende mehr als 300 Euro für Untersuchungen bezahlt, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden. Vor allem für Blutabnahmen und Tests, aber auch für einen zusätzlichen Ultraschall.
Ich wollte eigentlich nur das Standardprogramm – wurde aber bei fast jedem Praxisbesuch um den Ausgleich einer Rechnung gebeten
Dabei war mir gar nicht richtig klar, dass ich Sonderleistungen in Anspruch nahm. Als Erst-Schwangere war ich unsicher und schlecht informiert. Ich vertraute meiner Gynäkologin, und während ich meine Schwangerschaft noch geheim hielt, fragte ich auch niemanden in meinem Bekanntenkreis nach Rat. Relativ früh in der Schwangerschaft bot mir die Sprechstundenhilfe eine Menükarte mit zusätzlichen Ultraschalluntersuchungen und Tests an, die Preise standen jeweils daneben. Ich wählte nichts aus dem Menü, ich wollte eigentlich nur das Standardprogramm. Nach jedem Termin informierte mich meine Ärztin über die nächsten Untersuchungen, an der Rezeption sollte ich dann noch etwas unterschreiben. Treudoof las ich mir den Wisch nie in Ruhe durch. Und übersah, dass ich nicht nur mein Einverständnis für die Untersuchung gab, sondern auch, dass ich dafür bezahlen würde.
Bei fast jedem Praxisbesuch wurde ich neben Versichertenkarte und Mutterpass auch um den Ausgleich einer Rechnung gebeten. Und ständig bekam ich Post von einem Labor, das ebenfalls für irgendeine Untersuchung bezahlt werden wollte. Bis zum Schluss ging ich davon aus, dass ich diese Rechnungen lediglich bei meiner Krankenkasse einreichen müsste. War ja schließlich alles Standardversorgung. Aktiv danach gefragt habe ich allerdings nie. Heute weiß ich, dass ich viele dieser Tests nicht gebraucht hätte. Nicht in meinem Alter, nicht mit meinen Werten. Auch an das CTG-Gerät zur Messung des winzigen Herzschlags in meinem Bauch wurde ich wohl öfter und länger angeschlossen, als es laut meiner Hebamme nötig gewesen wäre. „Aber das können Ärzt:innen eben gut mit den Krankenkassen abrechnen“, sagt sie mir heute.
Mit dieser Erfahrung bin ich nicht allein: Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2015 bezahlten 80 Prozent der Schwangeren zusätzliche Tests und bekamen häufiger CTG- oder Ultraschalluntersuchungen, als von den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehen und von den Krankenkassen abgedeckt. Ohne erkennbaren Grund wurden demnach sehr viele Frauen so behandelt, als hätten sie eine Risikoschwangerschaft. Und natürlich sind Schwangere dankbare Kundinnen. Die ganze Schwangerschaft hinweg, vor allem die ersten und letzten Monate, begleitet Frauen auch die große Angst: Ist noch alles in Ordnung mit dem Baby? Schlägt das Herz noch, ist die Sauerstoffversorgung gut? Da können regelmäßige Untersuchungen und Tests ein Anker sein.
Ich habe zwischenzeitlich überlegt, mir ein Herztongerät zu kaufen
Ängste in der Schwangerschaft sind ein Thema, so groß, dass aktiv Forschung dazu betrieben wird. Während im ersten Schwangerschaftsdrittel die Sorge vor einer frühen Fehlgeburt und die Auseinandersetzung mit den ersten Symptomen wie Übelkeit und Schwindel im Mittelpunkt stehen, machen sich im letzten Schwangerschaftsdrittel vermehrt Angst und emotionale Belastung breit. Eine Studie von 2003 kam sogar zu dem Ergebnis, dass fast sieben Prozent der untersuchten Schwangeren eine Angststörung entwickeln. Das kann für Mutter und Kind ernste Folgen haben, weil sich Schwangerschaftssymptome dadurch verstärken und auch das Risiko für eine Frühgeburt steigt. Aber auch „normale“ Ängste sind für die werdende Mutter belastend.
Ich habe zwischenzeitlich überlegt, mir ein Herztongerät zu kaufen, um auch zwischen den Untersuchungen überprüfen zu können, dass das Würmchen noch da ist. Allerdings sollen die Geräte wohl auch mal Fehlalarm schlagen. Und irgendwann bewegte sich meine Tochter dankenswerterweise viel in meinem Bauch und gab mir damit regelmäßig ein Lebenszeichen.
Was mir auch half, nicht durchzudrehen: Ich hielt mich an die Regeln. Beispielsweise schlief ich konsequent auf der linken Seite, weil das Baby laut Internet so am besten mit Nähstoffen versorgt werden soll. Ich fand das zwar sehr ungemütlich und hätte gerne auch mal die Schlafposition gewechselt, wollte aber lieber sicher sein. Zudem nahm ich Nahrungsergänzungsmittel wie Folsäure oder Eisen, verzichtete gänzlich auf Salami und andere Lebensmittel, von denen Schwangeren abgeraten wird. Die Sorge, etwas falsch zu machen und damit die Gesundheit des Kindes zu gefährden, hat man als Schwangere eben durchgehend ein bisschen.Es hilft, das Gefühl zu haben, alles einigermaßen „richtig“ zu machen.
Der schmale Grad zwischen Vorsicht und Panik
Wie streng man das tut, ist von Schwangerer zur Schwangerer unterschiedlich. Ich kenne viele Frauen, die sehr gelassen mit Nahrungsmittelempfehlungen umgegangen sind – vor allem bei ihrer zweiten Schwangerschaft. Eine Bekannte hatte hingegen einen kleinen Nervenzusammenbruch, nachdem sie ein alkoholfreies Bier getrunken hatte. Im Gegensatz zu 0,0-Bier enthält das nämlich noch bis zu 0,5 Volumenprozent Alkohol. Ist das noch angemessene Vorsicht oder schon übertriebene Panik? Am Ende wollen werdende Mütter einfach nur das Beste für ihr Kind und entscheiden nach Beratung und bestem Wissen und Gewissen selbst. Irgendwie muss man sich ja seinen eigenen Weg suchen zwischen Empfehlungen, Ratschlägen, Wahrscheinlichkeiten, Tests und Horrorgeschichten aus dem Internet.
Ob sich einige Ärzt:innen und Hebammen nun die Ängste und Unsicherheit der Schwangeren zu Nutze machen, um etwas mehr Geld zu verdienen, oder ob es vor allem die Schwangeren selbst sind, die zusätzliche Untersuchungen als Beruhigungsmittel einfordern: Es hilft sehr, sich mit anderen Schwangeren, Müttern und Hebammen über die eigenen Ängste auszutauschen. Spätestens im Geburtsvorbereitungskurs lernt man diese auch kennen, und übt gemeinsam konkrete Techniken für das große Finale. Dazu dann mehr in zwei Wochen, wenn die sechste Folge dieser Kolumne erscheint.