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Das ModeABC. Heute: L wie Liebe
Nicht falsch verstehen: An dieser Stelle wird nichts gegen die Liebe gesagt. Die Liebe ist eine außergewöhnlich gute Entdeckung, die dem verrückt machenden Durcheinander in dieser chaotischen Welt einen sinnvollen Inhalt schenkt. Allerdings gibt uns die Liebe nicht nur zuvor niemals entdeckte und glücklich machende Launen, sondern lässt die Betroffenen auch Dinge tun, die sie vorher selbst unter überdosiertem Amphetamin-Einfluss nicht durchgestanden hätten: Bei Nacht durch U-Bahntunnel schleichen und den Namen des Anderen in Pink und Gelb und Neongrün auf einen Zug sprühen. Gute-Laune-Bonbons verschenken, oder auch Ich-vermisse-dich-Pillen. Laut „Verdammt, ich lieb dich“ im Baumarkt singen, weil: da hallt es so schön, oder „Nothing Compares 2 U“ am Telefon, morgens um 3 Uhr. Ein „Städtetrip“ nach Florenz, anschließend Urlaub in einem mallorcinischen Club-Hotel. Und wir hätten vorher, vor dieser Liebe, niemals einen Künstler beauftragt, ein Bild von uns zu malen, damit man das dem Anderen dann zu Weihnachten schenken kann. „Aber bitte im Popart-Stil, so wie Andy Warhol, wissen Sie, die Dekade mag er so gern.“ Allerdings kann man diese emotionalen Ausrutscher rechtfertigen, eben mit der Liebe. Was jedoch nicht zu entschuldigen ist und auch nicht in Bauch-Flugzeugen und Rosarote-Brillen-Gefühlen seine Existenzberechtigung findet, ist der Partnerlook.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Partnerlook ist ein eigenartiges Phänomen. Im Nordseeurlaub auf dem Deich spazierende Verliebte mit dem gleichen blauen Windbreaker an: eigenartig. Windbreaker sind ohnehin eigenartig und schlimm und modisch nur akzeptabel bei Nieselregen oder auf Klettertouren, aber dazu vielleicht mehr, wenn wir bei dem Buchstaben W angekommen sind. Wie dem auch sei, diese auf dem Deich bummelnden Paare denken sich sicherlich viel Gutes und ihnen vor allem Guttuendes beim Kleiderkauf: Komm, wir lieben uns, im Urlaub noch viel mehr als sonst, der Alltag ist weg, hier kennt uns niemand, komm, ist doch so windig, und Blau ist so eine schöne Farbe, also komm schon, nimm du den Windbreaker, ich nehme diesen hier, ja, das ist die gleiche Jacke, denn ja: wir lieben uns. Da würde man als Danebenstehender am liebsten den Verkäufer bestechen, an der Kasse die Lassie Singers schreiend zu zitieren, damit dieses bis in die Haarspitzen verliebte Paar wieder zu Sinnen kommt und sie lässt, diese Windbreaker: „Pärchen stinken, Pärchen lügen, Pärchen winken und fahren nach Rügen / Cocktails trinken, Kartoffelchips essen, Händchen halten und die Freunde vergessen / Pärchen verpisst euch, keiner vermisst euch / Ihr denkt, ihr seid im Märchen und seid nur blöde Pärchen / Los stürzt euch ins Verderben, denn Pärchen müssen sterben.“ Manchmal ist es aber auch anders. Bei Nina und Tim zum Beispiel. Nina und Tim lernten sich auf einer Party kennen, er fand sie spannend, sie ihn lustig, also trafen sie sich wieder. Nina war schlau. Nina dachte sich: Beim ersten Date nicht zu dick auftragen, weder verbal, noch optisch. Bedeutete: Jeans, T-Shirt, grauer Kapuzenpulli, Lederjacke und Sneakers – das muss reichen. Gute Idee – dachte sich auch Tim. Denn Tim kam ebenfalls zum vereinbarten Zeitpunkt an den vereinbarten Treffpunkt in: Jeans, T-Shirt, grauem Kapuzenpulli, Lederjacke und Sneakers. Das einzige Kleidungsstück, das die beiden voneinander unter-schied, war Ninas lilafarbenes Halstuch. Und das auch bloß, weil Jungs selten Lila tragen – auch wenn sie es öfter sollten. Es folgte eine peinliche Situation inklusive erstaunter Musterung des Anderen, rot anlaufender Gesichter, schüchtern-verstörtem Lächeln und der unangenehmen Erkenntnis: Shit. Wir sehen gleich aus. Kommentiert hat Nina die hiesige Version des Phänomens „Partnerlook“ erst später, als sie bereits zwei Monate mit Tim zusammen war: „Naja, solange es keine Windbreaker sind.“