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Mode: Nachhaltigkeit als Trend
Vor Kurzem tauchte bei verschiedenen Medien und in den sozialen Netzwerken die Lacoste-Kollektion „Save Our Species“ wieder auf. Die stammt schon aus dem vergangenen Jahr – aber sie passt eben so gut zu 2019 und dem immer größer werdenden Bewusstsein für Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Im Rahmen der Aktion ersetzte Lacoste das Krokodil-Logo auf Polohemden durch vom Aussterben bedrohte Tierarten. Zehn verschiedene Spezies waren vertreten und die Hemden streng limitiert. So gab es zum Beispiel 67 mit dem Java-Nashorn, 150 mit dem Schwarzen Schopfgibbon und 30 mit dem kalifornischen Schweinswal – immer genau so viele Shirts wie es noch bekannte lebende Vertreter der jeweiligen Tierart gibt. Wer sich ein Shirt für 185 US-Dollar (ca. 163 Euro) im Online-Shop bestellte, dem versprach Lacoste, die Hälfte der Einnahmen an die Weltnaturschutzunion (IUCN) zu spenden und die andere Hälfte ebenfalls für eine größere Sichtbarkeit von Artenschutz einzusetzen. Gewinn wurde mit der Aktion angeblich keiner gemacht.
Außer natürlich der eines guten Images. Die „Save our Species“-Shirts waren Zeitgeist-Marketing, das gut funktioniert hat. Die Kollektion ist ausverkauft. Lacoste ist nicht das einzige Label, das auf die Idee gekommen ist, eine Aktion für Nachhaltigkeit zu starten. Ein anderes bekanntes Beispiel ist die jährlich neue „Conscious“-Kollektion von H&M, für die nach Angaben des Unternehmens vor allem recycelte und Bio-Materialen verwendet werden, oder die Adidas-Sneakers aus recyceltem Müll aus dem Meer.
Helfen schicke Turnschuhe und niedliche Prints dabei, einen Diskurs über Umweltschutz anzustoßen?
Als Konsument steht man oft ratlos vor den Werbeplakaten, Kollektionen und Produkten und fragt sich, wie man sie finden soll. Sollte man das unterstützen, weil es Aufmerksamkeit für wichtige Themen schafft und zeigt, dass Unternehmen umdenken? Oder ist es reines „Greenwashing“, geben die Labels also vor, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen, ihre Produktionsbedingungen sind aber alles andere als das? Und: Dient es dem Naturschutz, wenn Nachhaltigkeit zum Modetrend wird? Wer Meermüllsneakers, ein Polo mit einem bedrohten Tier als Motiv oder das aktuell so beliebte „There is no Planet B“-Shirt (hinter dem allerdings kein großes, sondern ein kleines, angeblich nachhaltiges Label steckt) trägt, nutzt diese Produkte als Distinktionsmerkmal. Nehmen schicke Turnschuhe und niedliche Prints dem Thema die Ernsthaftigkeit oder helfen sie dabei, einen notwendige Diskurs anzustoßen?
Auf diese Fragen gibt es keine Antworten, die für alle Aktionen und Produkte gelten. Aber man kann versuchen, Antworten zu finden, die einem dabei helfen, sie zu bewerten.
Auch Tillmann Buttschardt, Professor für Landschaftsökologie der Universität Münster und Vorstandsmitglied des „Zentrums für Interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung“ (ZIN), sagt als erstes, dass es auf den Einzelfall ankomme. Die Lacoste-Aktion, so Buttschardt, wirke zum Beispiel „nicht unehrlich“, weil den Paketen mit den Shirts Informationen zu den bedrohten Tierarten beigelegt wurden. So etwas könne einen positiven Effekt haben: „Es erregt Aufmerksamkeit, für die wir im Naturschutz dankbar sind.“ Über „ikonische Elemente“ lasse sich solche Aufmerksamkeit besonders gut erzeugen. Das berühmte Lacoste-Krokodil also durch andere Tier-Motive im gleichen Stil zu ersetzen, ist ein kluger Kniff. Es sei auch nicht zwingend so, dass solche Aktionen immer von den Unternehmen ausgehen, sagt Buttschardt: „Umweltschutzorganisationen wie der WWF oder die IUCN suchen immer wieder nach Sponsoren.“ Denn durch Kooperationen mit großen Labels können sie eine breitere oder sogar neue Zielgruppe erreichen.
Lacoste hat viel mehr von der Aktion als das Java-Nashorn
Buttschardts Kollege Thomas Dietz, Politikwissenschaftler und ZIN-Mitglied, sieht das Thema kritisch. Er forscht zur Nachhaltigkeit in der Kaffeeindustrie und dem Nutzen von Zertifikaten wie etwa dem „Fairtrade“-Siegel. Solche Siegel würden oft vor allem den großen Röstereien dabei helfen, ihr Image aufzupolieren, sagt Dietz – und es ist davon auszugehen, dass Image-Politur auch in der Modebranche meist höher gewichtet wird als echte Nachhaltigkeit. „Unternehmen verfolgen heute zwei sich widersprechende Ziele: Zum einen müssen sie Gewinn erzielen, zum anderen sind sie dem Nachhaltigkeitstrend unterworfen, denn ein negatives Image in diesem Bereich wirkt sich auch negativ aufs Geschäft aus. Aber die Umstellung der Produktion kostet Geld, was wiederum den Gewinn schmälert“, sagt Dietz. Dieses Spannungsverhältnis werde oft gelöst, indem Unternehmen sich zwar gute Ergebnisse in ihre Nachhaltigkeitsberichte schrieben, die Gelder für echte Nachhaltigkeit aber so gering wie möglich hielten.
Am Beispiel von Lacoste kann man das grob durchrechnen: Für die „Save our Species“-Aktion wurden 1775 Shirts produziert und verkauft, mit denen angeblich kein Gewinn erzielt wurde. Ein Baumwoll-Shirt kostet in der Herstellung zwischen einem und fünf Euro. Im Jahr 2018 hat Lacoste einen Umsatz von etwa zwei Milliarden Euro gemacht. 1775 wohltätige Polos bedeuten bei diesen Dimensionen eine minimale Investition in den Umweltschutz – und der Gewinn für das Image des Labels ist im Vergleich dazu riesig. Am Ende hat Lacoste wohl viel mehr von der Aktion als der Schwarze Schopfgibbon oder das Java-Nashorn. „Greenwashing“ ist hier also ein berechtigter Vorwurf.
Der lässt sich dadurch erhärten, dass Lacoste nicht dafür bekannt ist, nachhaltig zu produzieren. Auf der Seite „Rank a Brand“, auf der man die Nachhaltigkeit und Fairness von Marken vergleichen kann, erhält das Label ein E-Ranking, das schlechteste. Vor allem, weil es seine Produktionsbedingungen nicht transparent macht und der Konsument nicht nachvollziehen kann, wie fair, umwelt- und klimafreundlich die Marke ist. Bei H&M ist es ähnlich: Rank a Brand vergibt hier ein C, das bedeutet „bedingt empfehlenswert“. Das Online-Magazin „Utopia“ schreibt, dass bei H&M teilweise auf Bio-Baumwolle umgestellt wurde und die „Conscious“-Kollektion eine breite Konsumentenschicht auf das Thema nachhaltige Mode aufmerksam mache, sei positiv. Aber darüber hinaus sei die Produktion weiterhin weder fair noch nachhaltig.
Es ist nachhaltiger, kein Shirt zu kaufen, als ein nachhaltiges Shirt zu kaufen
Dass vom Konsumenten, der die Umweltschutzbotschaft mit seiner Mode in die Welt trägt, ein „normativer Wandel“ ausginge, sei möglich, sagt Thomas Dietz. Das könnte zum Beispiel beim „There is no Planet B“-Shirt der Fall sein. „Aber auch hier muss ich wieder genau die Fakten wissen: Welche Zertifizierung hat die verwendete Bio-Baumwolle? Inwiefern fördert das Label nachhaltige Produktion?“ Und auch sich selbst müsse man hinterfragen: Auch, wenn ich mir mit so einem Shirt ein gutes Image anziehe – wie viel bin ich wirklich bereit, in echte Nachhaltigkeit zu investieren? In der Kaffeebranche, sagt Dietz, sei das Problem, dass die Konsumenten abseits von Nischenmärkten nicht bereit seien, die dafür nötigen Summen zu bezahlen. In der Mode ist das vermutlich ähnlich. Wenn ein Unternehmen wachsen und günstige Produkte anbieten will, muss es irgendwo Abstriche machen – und dann lohnt es sich finanziell eben mehr, nur mit Nachhaltigkeit zu werben, anstatt die Produktion darauf umzustellen.
Man muss Umwelt-Aktionen wie die von Lacoste oder H&M nicht verteufeln, weil breite Aufmerksamkeit für diese Themen ja eine gute Sache ist. Aber am Ende ist es wie bei fast allem: Es lohnt sich, genau hinzuschauen. Um dadurch herauszufinden, wie nachhaltig Modelabels wirklich sind. Helfen können dabei Seiten wie Rank a Brand oder Utopia. Dort (und in diesem Text) findet man auch die eher unbekannten und kleinen Labels, die wirklich umweltfreundlich und fair arbeiten.
Und eines sollte man noch bedenken: Auch, wenn man ein zu 100 Prozent nachhaltig produziertes Shirt kauft, auf dem noch dazu eine Naturschutz-Botschaft steht, die womöglich eine Diskussion anregt, bedeutet das immer noch, dass man konsumiert. Und Konsum belastet die Umwelt und das Klima immer. Darum gilt die Devise: Es ist nachhaltiger, kein Shirt zu kaufen, als ein nachhaltiges Shirt zu kaufen.