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Designerinnen verzichten auf Nominierung bei Euro Fashion Awards 2018
Es ist eine schwierige Frage, die vermutlich jedem schon mal so oder so ähnlich begegnet ist: Kann ich etwas von jemandem annehmen, der Überzeugungen vertritt, die ich nicht gutheißen kann?
Diese Frage haben sich Lisa Mann und Hagar Rieger kürzlich ebenfalls stellen müssen. Und in ihrem Fall war die Verlockung, einfach „Ja, geht schon mal“ zu sagen, besonders groß: Es ging schließlich um die Chance auf 25.000 Euro. So hoch nämlich ist der erste Preis des Euro Fashion Awards dotiert, für den beide Frauen nominiert waren. Lisa und Hagar hatten sich jeweils mit der Kollektion beworben, die sie für ihren Masterabschluss an der Universität der Künste in Berlin (UdK) angefertigt hatten.
Zum Zeitpunkt der Bewerbung allerdings war den beiden Studentinnen noch nicht klar, von welcher Sorte Mensch der Preis gestiftet wird. „Wir haben uns ganz blauäugig mitten in den Mastervorbereitungen unter Stress für den Euro Fashion Award beworben – und deshalb leider erst im Nachhinein festgestellt, was da dahinter steht“, sagt Lisa im Gespräch mit jetzt.
Dahinter steht das Kaufhaus Görlitz in Görlitz, der östlichsten Stadt Deutschlands. Und dahinter wiederum Eigentümer Winfried Stöcker, Geldgeber der Awards. Sobald Lisa und Hagar festgestellt hatten, mit wem sie sich als Preisträgerinnen gemein machen würden, traten sie deshalb von ihrer Nominierung zurück: „Wir sehen das Weltbild, das Herr Stöcker vertritt, nicht in der Welt, in der wir leben möchten“, erklärt Lisa.
Wie Stöckers Weltbild in etwa aussieht, kann man im Internet herausfinden. Er betreibt einen eigenen Blog, auf dem er seine Überzeugungen teilt. Eine Kostprobe aus seiner Weihnachtsansprache 2017, die vielmehr ein Rant auf die #metoo-Kampagne ist:
„Die Mädchen könnten zurückhaltender gekleidet und weniger provozierend zum Casting gehen, dass die armen Regisseure auf dem Pfad der Tugend bleiben. (...) Es ist anzunehmen, dass vorwiegend diejenigen unserer Gesellschaft so erbost und hysterisch aufschreien, die von der Natur optisch weniger vorteilhaft ausgestattet worden sind.“
Auf Stöckers Blog findet man Aussagen, dass Menschen mit Migrationshintergrund es sich nicht zu gemütlich in Deutschland zu machen sollten
Allerdings äußerte sich Stöcker bisher nicht nur auf sexistische, sondern vor allem auch auf fremdenfeindliche Art und Weise. Sowohl auf seinem Blog als auch in diversen Medien findet man Aussagen von ihm, die Menschen mit Migrationshintergrund nahelegen, es sich nicht zu gemütlich in Deutschland zu machen – selbst die „vielen Türken“ nicht, die für ihn arbeiteten und über die er „sehr froh“ sei. Geflüchtete Afrikaner beschreibt er als besonders „reisefreudig“.
Nachdem sich Hagar und Lisa dazu entschieden hatten, ihre Nominierung zurückzuziehen, war ihnen deshalb auch wichtig, dies nicht schweigend zu tun. Sie wollten nicht, dass das Ganze „unter den Teppich gekehrt“ würde, wie Lisa sagt. „Deshalb dachten wir, es sei eine gute Idee, die Universität als große Institution um Rückhalt zu bitten.“ Sie veröffentlichten eine Stellungnahme auf der Webseite der UdK, die die Absolventinnen tatsächlich unterstützen wollte.
Darin schrieben die beiden unter anderem: „Herr Stöcker gehört zu jenen Menschen, welche zwar beteuern, weder Rassist, Ausländerfeind noch Chauvinist zu sein, den anschließenden Satz jedoch mit einem gewichtigen „aber“ einleiten und darin jegliche Zweifel an ihrer Geisteshaltung durch rassistische, ausländerfeindliche und chauvinistische Aussagen ausräumen.“ Deshalb sei es ihnen aus moralischen Gründen nicht möglich, mit diesem Mann zusammenzuarbeiten, geschweige denn Preisgelder von ihm entgegen zu nehmen.
Im Gespräch mit jetzt sagt Lisa nun: „Wir fühlen uns extrem wohl mit unserer Entscheidung. Wir haben viele positive Rückmeldungen bekommen, auch aus Görlitz – was uns besonders gefreut hat.“ Natürlich hätten sie unter Artikeln aber auch negative Kommentare gelesen. Das allerdings nehmen die beiden gelassen auf: „Auf eine Meinung folgt eben oft auch eine andere Meinung“, sagt Lisa. „Das ist auch in Ordnung. Wir wollten ja vor allem erreichen, dass Diskurs entsteht.“
Ganz so wohl wie die beiden Jung-Designerinnen fühlen sich allerdings nicht alle mit deren Entscheidung. Am wenigsten vermutlich Stöcker selbst. Er bezog Tag24.de gegenüber Stellung: „Die im Internet veröffentlichte Begründungen des Rückzugs fußen auf oberflächlichen Trugschlüssen und unwahren Behauptungen. Sie spiegeln einen mangelnden Respekt vor der Meinungsfreiheit wider, wie sie in unserer Demokratie geboten ist." Er sei außerdem weder Rassist noch Sexist. Mit dieser Behauptung hatten die beiden Designerinnen ja schon gerechnet.
Generell wünschen sich Lisa und Hagar, dass Studenten aus dem Fehler, den sie fahrlässigerweise begangen hatten, eine Lehre ziehen: „Man sollte sich als junger Mensch immer erst einmal genauer anschauen, wofür man sich da bewirbt und wofür man dann als Preiträger am Ende auch steht“, sagt Lisa.