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Mixtape: Tom Odell stellt seine Lieblingssongs vor
In der Mixtape-Kolumne unterhält sich Jan Limpert mit kreativen und musikalischen Köpfen über ihre Lieblingssongs – und packt sie für euch in eine Spotify-Playlist.
Mit „Another Love“ gelang Tom Odell 2013 ein Welthit. Bis heute wurde der Song 375 Millionen Mal gestreamt und ist bis heute der bekannteste Song des 30-Jährigen. Am 25. Juni erscheint sein viertes Studio-Album „Monster“. Kurz vor seinem Auftritt bei der populären Graham Norton Show haben wir mit Tom über seine Lieblingstracks gesprochen. Dabei wurde schnell klar, dass er vor allem eins ist: ein leidenschaftlicher Musik-Nerd, der mit Songtiteln und Namen nur so um sich wirft und sich mit Begeisterung in Details verliert. Im Gespräch wirkte er deshalb weniger wie der ernste Pop-Star, sondern viel mehr wie der lockere Buddy, mit dem man gerne bei ein paar Bier in einem Pub abhängt.
Tom Odells Mixtape:
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jetzt: Im Video zu „Numb“ von deinem neuen Album rasierst du dir den Kopf und die Musik klingt auch eher düster. Da fragt man sich schon: Geht es dir gut, Tom?
Tom Odell: Vor einiger Zeit habe ich viele Nachrichten über Social Media bekommen – viele davon mit genau dieser Frage. Ich hätte sogar fast mein Album „Are you okay?“ genannt. Diese Frage hat so viele Songs inspiriert. Mir geht es jetzt zwar besser denn je, aber ja, als ich „Numb“ geschrieben habe, ging es mir schlecht. Ich hatte Depressionen und mit üblen Angstzuständen zu kämpfen.
War Musik ein Weg, deine psychischen Probleme zu lösen?
Ich glaube nicht. Die Musik, die ich mache, dokumentiert eher meine Probleme. Ich habe aber oft gehofft, dass meine Musik die Lösung für meine Probleme sein könnte. Wenn du etwas wirklich Großartiges erschaffst, dann bringt dich das schon auch als Person weiter. Aber es ist ein obsessiver Zustand, in dem ich 14 Stunden lang an einem Song arbeite und unbedingt will, dass er wundervoll wird. Dieser Drive ist glaube ich derselbe, der mir auch Panikattacken beschert.
Wie schreibst du Songs?
Ich schreibe hauptsächlich alleine am Klavier. Heute sind ja eigentlich immer mindestens fünf Leute im Raum, die mit dem Künstler zusammen Songs schreiben. Das ist auch irgendwo verständlich, denn beim Songwriting musst du so unfassbar viel in so wenig Zeit verpacken. Du hast in einem Lied nur wenig Zeit, um tiefgründig zu sein, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und die Hörer zu überzeugen. Ich zerbreche mir den Kopf über Songtexte, schreibe 15 Versionen, feile Wochen und Monate an den Lyrics und – ich will nicht lügen – das ist manchmal eine echte Quälerei.
Die Musikerin Rosalía singt ihre Songs meistens auf Spanisch – das ist für die internationale Popszene immer noch eher ungewöhnlich. Sie ist weltweit trotzdem sehr erfolgreich, wie man am Song „TKN“ sieht, den sie mit Travis Scott zusammen gemacht hat. Was ist deiner Meinung nach ihr Erfolgsrezept?
Sie bringt den Flamenco in die Songs. Wie sie Rhythmus in ihren Songs verwendet, ist nicht von dieser Welt und wie sie Songs strukturiert, ist total verrückt und untypisch – das ist faszinierend. Sowohl bei Rosalía als auch bei Travis Scott erinnert mich das generell auch total an Kanye West.
Travis Scott und Kanye West haben ja beide oft mit demselben Produzenten, Mike Dean, zusammengearbeitet. Der war nicht nur für den Sound zuständig, sondern ist auch selbst ein extrem guter Musiker.
Und genau das ist der Punkt: Popmusik ist alles andere als stumpf und billig! All die Künstler und Songwriter, die wir zurzeit hören, haben etwas drauf und sind größtenteils ausgebildete Musiker. Schau dir zum Beispiel Frank Dukes an, der für Justin Bieber schreibt. In seinen Songs steckt so viel Knowhow in Bezug auf Melodie-Führung, Harmonisierung und Musiktheorie.
„Ich war vor etwa drei Jahren noch sehr voreingenommen gegenüber neuer Musik“
Du hast mal erzählt, dass du in jungen Jahren Songs geschrieben hast, die andere Musiker singen sollten – konntest aber niemanden finden. Für welche Künstler würdest du heute gerne mal einen Song schreiben?
Ich würde so gerne einen Song für Justin Bieber schreiben, und generell für großartige Sängerinnen und Sänger, wie die in meiner Playlist. Aber weißt du, ich war vor etwa drei Jahren noch sehr voreingenommen gegenüber neuer Musik. Ich dachte, früher war alles besser – diese Einstellung wollte ich ändern. In den letzten Monaten habe ich deshalb mit vielen jungen Songwritern zusammengearbeitet, um von ihnen zu lernen, zum Beispiel mit Jonny Coffer, der mit Beyoncé und Rag’n’Bone Man zusammengearbeitet hat und mit Saracastic Sounds, der bereits für Lil‘ Wayne gearbeitet hat. Ich fühle mich wieder als wäre ich 17 Jahre alt.
Gleich drei junge Künstlerinnen haben es auch in deine Playlist geschafft: Arlo Parks, girl in red und, natürlich, Billie Eilish. Warum genau diese drei Musikerinnen?
Neue Musikerinnen und Musiker faszinieren mich grundsätzlich immer. Was mich an Billie Eilish und girl in red fasziniert, ist dass sie scheinbar komplett frei Songs schreiben – ohne diese festgefahrenen Konventionen. Beide schreiben Musik am Laptop im Schlafzimmer. „Serotonin“ von girl in red hat ja sogar Billie Eilishs Bruder produziert. Arlo Parks klingt im Vergleich vielleicht ein bisschen traditioneller, aber sie erzählt faszinierende Geschichten in ihren Songs. „Black Dog“ liebe ich genau deshalb – der Song handelt von Depressionen.
Klingt als hättest du deine musikalische Neugier wiederentdeckt.
Ja, absolut! Ende 2019 habe ich in L.A. gewohnt. Bei einer Hausparty habe ich den Komponisten kennengelernt, der für den Film „Grease“ alle Songs geschrieben hat, unter anderem auch „Hopelessly devoted to you“ – dieser Song bricht mir jedes Mal das Herz! Also habe ich den Komponisten gelöchert, wie er diesen fantastischen Song geschrieben hat. Er hat gesagt, dass erst die Sängerin Olivia Newton-John dem Lied Leben eingehaucht hat, als sie ihn performt hat. Und genau diese Erfahrung möchte ich auch machen, wenn ich mal für andere Künstler schreibe.
In deiner Playlist sind eher avantgardistische Musikstücke: „Spiegel im Spiegel“ von Arvo Pärt und Mica Levi mit „Love“ aus dem Soundtrack zu „Under the Skin“. Für Pop-Hörer sind das eher ungewohnte Klänge. Wie bist zu dieser Musik gekommen?
Ich finde Arvo Pärt ist gar nicht so weit von Popmusik entfernt – letztens habe ich gelesen, dass er einer der meistgehörten Komponisten ist, die diese Art Musik machen. Das heißt ja, dass er populäre Musik komponiert. Ich habe mit sieben Jahren begonnen mich mit klassischer Musik zu befassen – in Chören, am Klavier aber auch mit der Theorie. Bach und Mozart haben mich aber nicht ansatzweise so bewegt, wie zum Beispiel die Rock– und Popmusik, die in meiner Jugend aktuell war. Interessanterweise haben Billie Eilish und Rosalía jetzt einen Song zusammen gemacht, „Lo Vas A Olvidar“ und der ist totale Avantgarde. Vor fünf Jahren war es in der Popwelt einfach undenkbar, so einen Song zu machen.