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Giant Rooks: „Warum sollten wir ein größeres Recht haben, hier zu leben, als andere?“

Foto: Joseph Kadow

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In der Mixtape-Kolumne unterhält sich Jan Limpert mit kreativen und musikalischen Köpfen über ihre Lieblingssongs – und packt sie für euch in eine Spotify-Playlist.

Die Giant Rooks gehören zu den spannendsten deutschen Künstler*innen der vergangenen Jahre. Die fünf Musiker kommen aus Hamm, klingen aber wie der heißeste Scheiß aus Großbritannien, spielen europaweit ausverkaufte Konzerte und sind nebenbei erst Anfang 20. Im August 2020 haben sie ihr Debut-Album „Rookery“ veröffentlicht und hätten mit Milky Chance auf USA-Tour gehen sollen. Da sie ihre Pläne verschieben mussten, bleibt nun mehr Zeit, um mit uns über ihre Lieblingstracks zu sprechen. Interviews überlässt die Band meistens Frontmann Frederik Rabe und Gitarrist Finn Schwieters. Die beiden sind seit Schulzeiten befreundet und haben sich schon früh gegenseitig musikalisch beeinflusst.

Finns und Freds Mixtape:

jetzt: Euer Mixtape beginnt mit dem Song „Positions“. Mal ehrlich: Einen Track von Ariana Grande hätte ich nicht unter euren Lieblingssongs vermutet  …

Fred: „Positions“ ist ein absoluter Hit – man kann es nicht anders sagen. Finn hat ihn mir geschickt und seitdem habe ich einen Ohrwurm von der Zeile „Switichin‘ the position for you“. Ich konnte deshalb sogar mal nachts nicht einschlafen. Vor allem das Musikvideo ist interessant: Ariana Grande inszeniert sich als Präsidentin, ist aber nur von Frauen und queeren Leuten umgeben. Natürlich ist das eine klare Kritik an Trump.

Finn: „Positions“ ist ja eigentlich ein Love-Song, aber dann kommt noch das Politische im Video dazu. Ich finde es geil, dass Popmusik zwei Ebenen haben kann.

Seht ihr euch in der Verantwortung, politische Statements zu setzen?

Finn: Umgang mit Privilegien, mit der eigenen Rolle in der Welt, das sind Dinge, die uns bei unserem Debut-Album „Rookery“ beschäftigt haben. Wir haben zum Beispiel bei „Watershed“ die doppelte Ebene reingebracht: Man kann den Song politisch interpretieren, also bezogen auf die Klimaproteste, oder eben auf einer persönlichen Ebene.

Fred: Das Politische wird vielen Leuten erst bewusst, wenn wir über unsere Songs sprechen. Unsere Lyrics sind ja oft ein bisschen kryptisch und nicht so klar zu verstehen. Wir positionieren uns aber deutlich und setzen Statements – haben zum Beispiel bei „SOS Méditerranée“ gespielt, um Geld für die Geflüchteten in der Nähe der EU-Außengrenzen zu sammeln. Uns ist bewusst, dass wir Leute für solche Projekte gewinnen können, weil wir Aufmerksamkeit haben.

Auch in die Songs von Bob Dylan kann man natürlich auch heute noch viel Politisches interpretieren. Habt ihr deshalb „Simple Twist of Fate“ ausgewählt?

Finn: Man kann die Lyrics auf die Flüchtlingskrise übertragen. Wir sind total privilegiert aufgewachsen, aber das ist eben ein totaler Zufall, ein „Simple Twist of Fate“. Wir können daraus einfach keinen Anspruch ableiten, deswegen: Warum sollten wir ein größeres Recht haben, hier zu leben, als andere? Aber ganz allgemein sind Fred und ich einfach wahnsinnige Dylan-Fans. Fred ist mit einer riesigen Collection aufgewachsen, die er von seinem Papa mitbekommen hat. Und mich hat er als Teenie damit angesteckt.

Wir werden keine Autokonzerte spielen, egal wie lange diese Pandemie andauert

Billie Eilish hat ja heute quasi den Fame, den Bob Dylan in den 50ern und 60ern hatte. Auf ihrem Album „when we all fall asleep where do weg go“ sind unfassbar viele Hits drauf. Warum habt ihr euch mit „ilomilo“ gerade für einen der eher unbekannten Billie-Eilish-Songs entschieden?

Fred: Wenn ich Alben von Künstler*innen höre, dann höre ich nicht so sehr auf die Hits. Wir haben ja Ende August unser Debut-Album rausgebracht, konnten wegen Corona aber keine großen Konzerte spielen. Deshalb haben wir uns einen sehr speziellen Livestream überlegt, bei dem die Besucher*innen chatten und Merch kaufen konnte. Und dann habe ich Wochen später den Livestream von Billie Eilish gesehen, der sehr ähnlich zu unserem war. Mein Mitbewohner hat einen geilen Beamer und der hat den Stream übertragen – Billie Eilish hat ihr Konzert perfekt durchinszeniert. Ich hatte das Gefühl, live vor Ort dabei zu sein und „ilomilo“ war einer der Songs, die sie gespielt hat.

Livestreams sind während der Pandemie eine mögliche Konzert-Alternative. Wie steht ihr zu Autokonzerten?

Fred: Wir werden keine Autokonzerte spielen, egal wie lange diese Pandemie andauert. Wir haben aber viele Picknick-Konzerte gespielt, bei denen sich die Leute auf ihre Decken setzen, ihr Zeug mitbringen und quasi dadurch automatisch Abstand einhalten konnten. Wir haben das Feedback bekommen, dass die Leute während unseres Konzerts für eineinhalb Stunden Corona vergessen konnten – nicht falsch verstehen: Alle haben sich an die Hygieneregeln gehalten.

Wie schwer nimmt euch die Corona-Pandemie als hauptberufliche Musiker mit?

Finn: Wir wollen nicht rumheulen, weil wir keine existenziellen Nöte haben und gesund sind. Aber es trifft uns schon. Wir haben ja vor der Pandemie hunderte Konzerte gespielt. Ich habe echt lange gebraucht, die Corona-Situation zu akzeptieren.

Ich hoffe, dass sich der Zusammenhalt zwischen Künstler*innen in Zukunft vergrößert

Fred: Ich habe letztens mit einem Kollegen gesprochen, der hinter der Bühne arbeitet. Es kann nicht sein, dass irgendwelchen Airlines die Kohle in den Rachen geworfen wird, während die Kulturbranche mit Millionen von Menschen einfach vergessen wird. Man konnte ja diesen Hilfsantrag stellen, wenn man laufende Kosten als Künstler*in hat. Aber niemand, der hinter der Bühne arbeitet, hat laufende Kosten! Ich hoffe, dass sich der Zusammenhalt zwischen Künstler*innen in Zukunft vergrößert. Auch in Bezug auf andere Themen, wie die Plattendeals und das wenige Geld, das man für Streamingzahlen bekommt. Wenn es da mehr Zusammenhalt geben würde, könnte man viel erreichen.

„Venice Bitch“ von Lana Del Rey ist neun Minuten lang. Das ist in der Popmusik extrem ungewöhnlich und weder für Streamingdienste noch fürs Radio geeignet.

Finn: Das war von Lana Del Rey natürlich ein krasses Statement, diesen Song als Single zur veröffentlichen. Aber er fühlt sich trotz der Überlänge sehr natürlich an. Der Song hat eine wunderbar traurig-schöne Sehnsucht, die mich sehr berührt. Damit verbinde ich die Phase, als wir 2018 nach Berlin gezogen sind – mein Neues-Zuhause-Soundtrack.

Musstet ihr schon mal einen Song ändern, weil er zu lang war?

Fred: Ganz ehrlich, wenn wir diese Diskussion in der Band hätten, würde irgendjemand sagen: „Moment Leute, worüber reden wir hier gerade?!“, weil wir uns nicht in eine Form pressen lassen, die vielleicht auf Spotify besser ankommt.

Wie lange braucht ihr, um zu entscheiden, ob ihr einen Song mögt oder nicht?

Finn: Gestern habe ich mich dabei erwischt, wie ich durch eine Playlist gezappt und nach fünf Sekunden die Songs geskipt habe – total bescheuert! Aber wenn etwa Fred mir einen Song vorspielt, Lana Del Rey oder Bon Iver einen Song rausbringen, dann höre ich mir die Songs von vorne bis hinten komplett an.

Fred: Ich höre gerne Alben am Stück an. Bei Tiktok werden ja diese 15-Sekunden-Sequenzen von Songs verwendet, zu denen getanzt wird. Das finde ich schrecklich schade. Aber natürlich erwische ich mich auch dabei, wie Finn. Und wenn man sich nach wenigen Takten schon in einen Song verliebt, kann das ja etwas Schönes sein.

Finn: Bei „Hate The Club“ von Kehlani ging es mir so. Und dann habe ich das dazugehörige Album „It Was Good Until It Wasn’t“ täglich einmal von vorne bis hinten einmal gehört. Seitdem bin ich riesen Fan.

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