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„Es gab immer schon gleich viele Idioten“

Foto: oh

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Frank Spilker, 51, gründete vor 25 Jahren die Band Die Sterne. Sie waren eine der prägenden Bands der Hamburger Schule – und damit auch immer auf subtil-intellektuelle Art politisch. Das ist ihm immer noch wichtig, unter anderem gibt Spilker deshalb auch Workshops für politisches Songwriting.

jetzt: Sie behaupten, es gebe keinen unpolitischen Pop. Besonders bei der deutschsprachigen Popmusik hat man aber das Gefühl, sie suhle sich in der Belanglosigkeit.

Frank Spilker: Das ist auch wirklich so, zumindest im Mainstream. Dieses seichte Songwritertum drückt ein Einverständnis mit den Verhältnissen aus. Oder auch Resignation, je nachdem, wie man das hören will. Diese Gefühlsduseligkeit steckt aber in jedem Menschen. Und das ist auch nicht schlimm: Jeder Mensch ist mal rührselig, egal wie hart er ist. Aber bei diesen seichten, wie Schlager anmutenden Popsongs, fragt man sich doch: Wollen die nicht mehr, weil sie Geld verdienen wollen? Oder ist vielleicht auch gar nicht mehr da als diese Rührseligkeit?  Gibt es bei diesen Künstlern überhaupt einen weiteren Gedanken?

Müsste es in der heutigen Zeit – Trump, Brexit, Abschiebungen –  nicht einfach sein, Deutsch-Pop politisch zu gestalten?

Wenn es erst auf dieser Ebene politisch wird, finde ich das langweilig. Es ist einfach, gegen Trump zu sein, weil niemand für Trump ist. Zumindest in Kreisen, die man mit Musik, wie wir sie machen, erreicht. Der Punkt ist aber, sich mit dem zu beschäftigen, mit dem sich keiner offen beschäftigt.

Warum passiert das in der Popmusik momentan so selten?

Es wird immer notwendiger, möglichst niemanden auszuschließen. Eine starke politische Meinung oder Positionierung bedeutet immer, dass Leute auch sagen: "Nein, der Meinung bin ich nicht." Dafür sind die Märkte aber jeweils zu klein. Wenn man deutschsprachige Indie-Popmusik macht, ist das sowieso schon eine Einschränkung, im ästhetischen und im sprachlichen Bereich. Wenn man sich dann noch eindeutig politisch positioniert, lohnt es sich wirtschaftlich nicht mehr.

Wurde der Punk vom Kapitalismus erstickt?

Jede Jugendbewegung, die im Kern rebellisch ist oder sein will, wird in der zweiten oder dritten Generation sediert wird. Das war so beim Grunge, das war so bei den Hippies und bei den Punks. Die dritte Generation des Punks, mit Nena und "Ich geb Gas ich will Spaß" hatte überhaupt nichts mehr mit Punk am Hut. Das war eigentlich nur noch Schlager im Gewand von New Wave. Das ist das Prinzip des Kapitalismus – Inhalte werden durch Form ersetzt. Aber man kann es auch so machen, wie es Schnipo Schranke oder Die Nerven tun. Die Nerven schielen mit Sicherheit nicht auf die großen Märkte, die gestalten ihre Musik so radikal, dass das gar nicht in Frage kommt. Und da liegt das Potential: genau da, wo gerade niemand mehr ist. Man muss das als Wellenbewegung sehen – irgendwo wird immer ein Raum frei, und als Künstler muss man diesen Raum neu gestalten und erobern.

 

 

Unserer Generation wird oft vorgeworfen, unpolitisch zu sein.

Das wurde jeder Generation nachgesagt, außer den 68ern. Alles davor und danach war immer "unpolitisch". Das wird einfach immer behauptet. Die 50er-Generation wollte konsumieren, die 70er-Generation war eskapistisch, die 80er waren wieder wie die 50er. Ich bin grundsätzlich kein Freund der Aussage, dass irgendeine Generation wütender oder politischer ist als die andere. Meistens erinnert man sich nur an den Teil, an den man sich erinnern will. Aber es gab immer schon gleich viele Idioten.

 

Was kann man gegen die Gefühlsseligkeit in der deutschsprachigen Popmusik tun?

Wenn man besser sein will als die Generation vor einem, sollte man nicht nur für den eigenen Erfolg kämpfen, sondern dafür, dass die Strukturen sich ändern. Dass eben nicht nur Stumpfsinn und Mainstream und Gedankenlosigkeit gefördert werden. Das hat auch die Punkgeneration versucht. Es geht darum, über die eigene Generation hinaus zu denken. Wir leben in Zeiten, in denen vor allem den Nischenmärkten die Basis entzogen wurde. In den letzten zwei Jahrzehnten wurde sehr viel Computermusik gemacht, weil die, wirtschaftlich gesehen, noch besser funktioniert. Die DJ-Kultur hat unglaublich viele Möglichkeiten und Stars hervorgebracht.

 

"Video killed the radio star" – DJ killed the popstar?

Nein. Das ist eher eine Wellenbewegung. Es gibt heute durchaus eine junge Generation an Indiebands mit einem gewissen politischen Bewusstsein. Die jungen Menschen greifen wieder zur Gitarre, weil sich das DJ-Wesen zu Ende kommerzialisiert hat. Genau da, wo alle gedanklich sind, ist irgendwann kein Platz mehr. Dort entstehen die Nischen, da wächst der neue Trend. Der Markt der Mainstreammusik ist immer gesättigt, das ist wie die Gaußsche Normalverteilung. Wahnsinnig langweilig! 

 

Was wäre also zu tun?

Man braucht neue Kanäle, muss sich austauschen. Ich versuche es mit einem Beispiel: Wenn im Free TV die Zuschauer wegbleiben, verändert sich das Programm hin zu einer Verflachung. Der kann man hinterherlaufen. Oder man kann versuchen, Netflix zu sein. Wenn die Verflachung weitergeht, muss man versuchen, kein Teil davon zu sein.

 

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