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Demokratie ist Entertainment

Foto: Ornella Cacace

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Teil meines Jobs ist es, Politiker zu verarschen. Ich werde dafür bezahlt, Parteivorsitzende und Abgeordnete zu inter­viewen. Ich zerre sie in ein rhetorisches Kuddelmuddel, aus dem sie sich dann vor laufender Kamera wieder befreien müssen. Das kann man sich anschauen, danach kann man mit­reden. Wenn ich Glück habe, lachen die Leute zu Hause. Wenn ich noch mehr Glück habe, sind sie danach sogar besser informiert.

Man kann sich das Ganze natürlich schönreden und sagen, dass Satire ein wichtiger Katalysator in der politischen Problembewältigung sei (ist sie), und dass die Regierenden erst durch den selbstironischen Approach so weit vermenschlicht würden, dass man sich auf abstrakter Ebene mit ihnen als demokratische Vertrauenssprecher befassen könne (werden sie und kann man). Aber eigentlich ist es Entertainment. Satire ist Entertainment, jetzt ist Entertainment, Demokratie ist Entertainment. Den Applaus dafür gibt es in der Wahlkabine mit einem Kreuzchen. ­Alles, was übers Funktionieren hinausgeht, ist Entertainment. Und das ist gar nicht mal so schlimm.

Als Hamburg im Juli brannte, war ich in New York. Zwei Wochen Hipster-de-luxe-Treatment mit Smoothies, Craft Beer und Bagels. Das Geile an New York ist, dass du so sehr im Geschehen steckst, dass dir plötzlich ganz offen jeder egal wird, der nicht du oder die Person, mit der du gerade Sex hast, ist. Großstädte schaffen das: Der Einzelne weiß zwar, wie austauschbar er ist, fühlt sich aber trotzdem als wichtiger Teil von etwas Riesigem und daher ­unersetzlich. Have fun, otherwise the terrorists win!

"Ich kann nicht glauben, dass dich das nicht interessiert", sagte mein Freund, der in unserer Airbnb-Wohnung in Brooklyn durch die G20-Artikel jagte. Ich zuckte mit den Schultern, holte mir einen Joghurt und war irrelevant für die Welt. Ein bisschen war ich von ihm angeödet, ein bisschen bewunderte ich ihn für seinen Fleiß, seinen Kopf immer wieder auf den neuesten Stand zu bringen.

Ich hätte gern einen kritisch-witzigen Tweet zur Lage rausgepfeffert, aber ich war müde. Es hätte ein schöner Tweet werden können, vielleicht einer, der dann in den Gedärmen der sich ewig selbstverdauenden Medienlandschaft als Furz von einer Zeitung zitiert worden wäre und mir 300 Follower mehr beschert hätte. Mitreden, wie man das heute tut: Einer redet, die anderen re­tweeten, es regnet Herzchen, und ein paar regen sich drüber auf.

In meinem Freundeskreis ist es in, mitzureden. Alle wissen ungefähr, was passiert, niemand hat wirklich eine Ahnung, und tatsächlich was gemacht haben sowieso die wenigsten. Der Bundestag ist das Dschungelcamp für den Bildungsbürger. Nur, dass keine Maden gefressen, sondern Gesetze verabschiedet werden, mit denen dann wiederum Flüchtlinge abgeschoben werden, die dann wiederum oft gar nichts zu fressen haben. Die Linken sagen: "Hey, Mann, es wäre doch wundervoll, wenn alle sich vertragen könnten." Sie haben recht dabei, sind aber kindisch. Und die Rechten sagen: "Weißt du, was noch wundervoller ist? Das Gefühl, mehr Geld als andere zu haben." Sie haben auch recht, sind aber Arsch­löcher. Beide reden mit, niemand redet miteinander. Und irgendwo hängt ein Plakat von Christian Lindner, wie er sexy schaut für die freie Marktwirtschaft und darauf wartet, dass jemand ihm mit Edding einen Pimmel ins Gesicht pflanzt.

Wer sich wirklich mit Politik befasst, wird merken, dass das keinen Spaß macht. Das Leben ist hart und unlustig. Der Kern der Politik ist harte, unlustige Arbeit. Und wer da mitmacht, hat keine Zeit mehr, um einfach nur mitzureden – sonst würde Frau Merkel doch viel öfter etwas sagen, wenn sie spricht.

Hazel Brugger ist Comedian und Moderatorin aus der Schweiz. Sie tritt unter anderem als Außenreporterin bei der „heute-show“ des ZDF auf. Sie gewann zum Beispiel den Salzburger Stier und den ­Förderpreis zum Deutschen Kleinkunstpreis 2017.

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