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"Live Is Life – Nanananana"

Foto: prokop/photocase; Illustration: Katharina Bitzl

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Professor Eckart Altenmüller ist Direktor des Instituts für Musikphysiologie und Musikermedizin der Hochschule für Musik und Theater Hannover. In seiner Forschung beschäftigt er sich auch mit der Verarbeitung von Musik im Gehirn. Mit dem Thema „Ohrwurm“ hat er sich besonders intensiv beschäftigt.

Was passiert im Gehirn, wenn wir einen Ohrwurm haben?

Die Zentren im Schläfenlappen, die für das innere Hören zuständig sind, senden Reize an die Zentren im Stirnlappen, die für das Mitsingen zuständig sind, und die senden dann wieder Reize zurück an die Zentren für das innere Hören. So entsteht eine Endlosschleife, die schwer zu durchbrechen ist. Musikalische Menschen bekommen übrigens häufiger Ohrwürmer. Auch Menschen, die viel Musik hören. Berufsmusiker zum Beispiel haben damit viel häufiger Ohrwürmer als andere Menschen.

Wann bekommen wir Ohrwürmer?

Ohrwürmer bekommen wir besonders dann, wenn wir abschlaffen. Wenn wir konzentriert arbeiten, wird nämlich die Zellverbindung zwischen innerem Hören und Singen gehemmt. Wenn wir aber müde oder entspannt sind, wird sie nicht mehr so stark gehemmt und ein Ohrwurm kann leichter entstehen. 

Sie beschreiben einen normalen Vorgang bei gesunden Menschen. Gibt es auch krankhafte Ohrwürmer?

Die gibt es, aber sie sind sehr viel seltener. Die häufigste Form tritt bei Menschen auf, die ertaubt sind. Wenn das Gehirn keine Impulse mehr aus den Ohren bekommt, kann es vorkommen, dass es laufend neue Melodien produziert. Das kann sehr quälend sein. Deutlich seltener ist eine Erkrankung, bei der man den Ohrwurm als epileptischen Anfall bekommt. Epilepsie ist eine Nervenkrankheit, in diesem besonderen Fall produzieren also die Nerven den Ohrwurm. Der dritte, noch seltenere Fall tritt im Zusammenhang mit Schizophrenie oder Demenz auf. Hier können Menschen Melodien hören, die als Halluzinationen zu werten sind. 

Gibt es so etwas wie einen archetypischen Ohrwurm?

Das sind oft triviale Melodien, die man leicht mitsingen kann und die keinen komplizierten Rhythmus haben. Außerdem bekommen wir eher Ohrwürmer von Melodien, die häufig auftauchen. Zum Beispiel Lieder, die ständig im Radio gespielt werden. Auch durch starke emotionale Worte oder Erlebnisse speichert sich ein Ohrwurm verstärkt ein.

 

Zum Beispiel?

Ein klassischer Ohrwurm der älteren Generation ist das Lied „Yesterday“ von den Beatles. (singt) „Yesterday, all my troubles seemed so far away...“ Dieser Wunschtraum, alle Sorgen los zu sein, ist stark emotional belegt.

 

Manchmal bekommen wir Ohrwürmer aber auch völlig unvermittelt aus dem Nichts heraus. Wie kann das sein?

Das passiert durch sogenannte subliminale Hinweisreize, unterschwellige Reize im Gehirn. Die entstehen, wenn ich in die Stadt gehe und im Vorübergehen einen Gegenstand sehe, den ich auch beim Hören des Liedes gesehen habe, oder einen Duft rieche, den ich auch beim Konzert gerochen habe. Dann geht unser Gehirn blitzschnell darauf ein und holt den Gedächtnisinhalt aus den Schläfenlappen ins Bewusstsein.

 

Und wie werde ich einen Ohrwurm wieder los?

Die erste Möglichkeit ist, sich auf etwas anderes, Spannendes zu konzentrieren, zum Beispiel auf einen Film – mit anderer Musik natürlich –, der uns sehr gut gefällt. Eine andere Methode ist, ein anderes Lied zu singen. Dritte Möglichkeit: Kaugummi kauen. 

 

Bitte?

Ja. Die Bewegung des Kiefers durchbricht den Kreislauf und stört das innere Singen.

 

Nimm das doch auch noch schnell mit:

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