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Reini Jellen auf dem DKP-Sommerfest
Mein absonderlichstes Erlebnis als DJ liegt ein Jahr zurück und spielte sich auf dem Pressefest der DKP in Dortmund ab. Ich hatte mich gerade der Deutschen Kommunistischen Partei angeschlossen, da hatten ein paar findige Genossen schon herausgefunden, dass ich nebenbei als DJ arbeite und einst mit dem Soulful Shack-DJ Team durch die Clubs unserer Republik getingelt war.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Klar, diese popkulturelle Erfahrung musste genutzt werden. Ob ich nicht meine Plattenkiste zum Sommerfest der Parteizeitung mitnehmen könnte? Warum nicht, dachte ich, und packte – Soul oder Nicht-Soul - alles ein, was links, kritisch oder zumindest subversiv tönte: Bernd Begemann, Die Braut Haut Ins Auge, Bernadette La Hengst, die Merricks und die Moulinettes neben Elvis Costello, Scott Walker, The Kinks und The Specials. Das Festgelände bot neben Infoständen, Bierzelten und allerlei Imbissbuden vor allem Lesungen und Konzerte an. Linke Kleinkunst fand hier ihr Publikum: parteitreue Rentner, wie unauffällige ZDF-Kommissare gekleidete Gewerkschafter, ein paar Jungpunks und Dortmunder Arbeiterfamilien, die sich von den schwäbischen Genossen Spätzle kredenzen ließen. Meine Auftrittsbedingungen als DJ aber waren denkbar ungünstig: Ich sollte während des Konzerts des Hauptacts Konstantin Wecker auf der großen Bühne mein Set im Biergarten der bayerischen DKP hinlegen. A propos: Das einzige Lied von Wecker, das ich mit Titel kenne, ist: „Den Willy hams daschlong“, ein musischer Streich, der mich jahrelang bewog, um den Münchner Liedermacher einen großen Bogen zu machen. Die Massen strömten dennoch zu Wecker. Und ich versuchte die paar verbliebenen Biergartenbesucher zu halten. Hieß es nicht, man solle die Leute da abholen, wo sie sind? Folglich hieve ich Ernst Busch, die Zimmermänner und das Electric Light Orchestra auf die Plattenteller. Reaktion: Null. Vielleicht mussten die Zuhörer noch die mir vorausgehende Podiumsdiskussion zur EU-Verfassung diskutierend nachbereiten. Vielleicht hatte ich aber die Genossen bloß unterschätzt. Na, dann eben ein gesellschaftskritischer Countrytrack von Curtis Mayfield: „Dirty Laundry“. Auch hier kein Feedback. Das stachelt meinen Ehrgeiz erst recht an. Schließlich war ich einige hundert Kilometer weit aus München angereist und wollte dem Fest zumindest ein wenig meinen Stempel aufdrücken. War die Musik vielleicht immer noch nicht politisch eindeutig genug? Nach kurzem Wühlen in der Kiste entscheide ich mich für einen Klassiker des schwarzen subversiven Liedgutes: „The Revolution Will Not Be Televised“ von Gil-Scott Heron. Gil-Scotts von Congas getriebener Sprechgesang ist kaum beim ersten Refrain angelangt, da stürmt schon ein bayerischer Genosse – Typ: alternder Gewerkschaftler mit Jeansjacke und Bluesrock-Plattensammlung – ans DJ-Pult: „Erstens: Machst du die Musik bitte leiser?" – „Kein Problem!“ – „und zweitens: Leg von mir aus 60ies auf, aber spiel nicht so einen Schmarrn!“ Schmarrn? Ich nicke entgeistert, und erwartete, dass er mir gleich schelmisch grinsend auf die Schulter klopft und „the revolution will not be televised, it will not even be played at the DKP-Sommerfest“ ins Ohr brüllt. Tut er aber nicht. Schmarrn bleibt Schmarrn. Und die Ernüchterung erfasst mich wie ein kalter Regenguss: Message war heute schon. Jetzt wollen die Genossen nur noch Musik hören. Möglichst angenehme Bier-Kipp-Nummern ohne Congas, Sprechgesang und funky stuff. Ich spiele die Righteous Brothers. Und habe das gute Gefühl zumindest einem bayerischen Genossen ein „schmarrn-freies“ Fest zu bescheren. Foto: J. Fischer