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Mies aufgelegt: Platten-Entführung und Erpressung
Meine schlimmste DJ-Nacht? Muss wohl 1994 im Fridge in Brixton gewesen sein. Eigentlich hatte es ganz gut angefangen, denn ich hatte endlich wieder meine besten Scheiben dabei. Über 2000 enthusiastische Tänzer waren zu meinem Abend in den Club geströmt, um zu hören, welche Raritäten und nie gehörten Jazz-, House- und Rare Groove-Singles ich aus meiner Pretiosen-Kiste ziehen würde. Einer Kiste, die ich erst ein paar Wochen zuvor verloren hatte. Verloren! Hatte wohl zuviel gekifft, und sie dann auf dem Bürgersteig von Brixtons High Street stehen lassen, als mich das Taxi nach Hause brachte. Am nächsten Morgen war ich erschüttert: Nur die zweite Kiste mit Allerweltskram stand neben meinem Bett. Ausgerechnet meine Lieblings-Singles hatte ich im Stich gelassen, Unikate aus verstaubten Lagerhäusern im mittleren Westen, archäologische Ausgrabungen von Plattenbörsen, Sensationen denen ich für viel Geld um den ganzen Globus nachgejagt war.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Gilles Peterson Bild: Brownswood Recordings Für eine gute Depression hätte schon gereicht, dass eines der guten Stücke fehlt. Nun aber das: Mir war der ganze Grundstock meiner DJ-Persönlichkeit weggebrochen. Fieberhaft suchte ich in den dunklen Ecken und Parks in der Nähe des Clubs nach Lebenszeichen meiner geliebten Schätze. Einem Stück Plattenhülle. Irgendetwas, das an meinen Koffer erinnerte. In meiner Verzweiflung klebte ich schließlich Suchmeldungen an die Laternenpfosten entlang der High Street. „Plattenkoffer verloren…“ Zwei Wochen später meldete sich telefonisch ein Pärchen – sie hätten die Schatzkiste gefunden. Es machte mir wenig aus, dass sie 500 Pfund Auslöse von mir wollten. „Finderlohn“ wie sie es nannten. Mit Geld allein hätte ich den Inhalt sowieso nicht wieder besorgen können. Wie wunderbar, endlich wieder von seinen besten Vinyl-Freunden umgeben zu sein. Ich genoss diesen Abend der Wiedervereinigung im Fridge bis auf den letzten Beat: Wucherte hinter den Plattentellern mit Nummern, für die sich andere DJs die Hand abhacken würden. Die Menge schwitzte. Nahm meinen Enthusiasmus auf. Und ich war glücklich wie ein Kind, das seinen Lieblingsteddy hinter der Bettritze wieder gefunden hat. Bis es ans Einpacken ging: Verflucht, die Kiste mit den Singles – wo war sie geblieben? Diesmal hatte ich sie bestimmt nicht vertrödelt. Sie musste auf rätselhafte Weise Beine bekommen haben. War die Geschichte von den 500 Pfund Finderlohn etwa in die falschen Ohren geraten? In der nächsten Woche nimmt mich einer der Türsteher beiseite: Ein Kollege habe die Kiste. Ich könne sie für 100 Pfund auslösen. „Gangster“ denke ich. Und möchte dem kriminellen Fleischberg am liebsten an den Kragen. Wenn ich nur nicht so ein Fliegengewicht wäre. Die Polizei rufen? Auch zu gefährlich. Am Ende zerkratzt er mir die Platten. Außerdem hatte ich mit Versuchen, mir mein Eigentum gewaltsam zurückzuholen, schon zu Zeiten meines Piratensenders in Südlondon schlechte Erfahrungen gemacht: Damals raubten uns konkurrierende Radiopiraten die Antenne vom Dach – als wir den Sendeausfall bemerkten und nachschauen wollten, schossen sie auf uns. Also nicke ich nur. Und fummele schweigend zwei 50 Pfund-Noten aus der Geldbörse. Liebhaber sind nun mal leicht erpressbar…