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Mies aufgelegt: Michael Reinboth
Mein schlimmstes Erlebnis als DJ hatte ich vor fünf Jahren: Es war ein schwüler Sommerabend, ich bereitete mich daheim auf meine abendliche Radioshow vor. Spielte die Vinyls noch mal an, die ich später live in der Sendung auflegen wollte: Drum'n'Bass, Elektrobeats, Techno-Jazz – auf Zimmerlautstärke. Wegen der Hitze hatte ich alle Fenster aufgerissen. Dann mitten während Roni Sizes Drum'n'Bass-Hymne „Brown Bag“: Piiiiisch! Päng! Ein Pfeifen und ein Geräusch, als würde man eine aufgeblasene Milchtüte zertreten.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Ein Pressfehler? War die Nadel gesprungen? Das Knallen jedenfalls passte nicht auf den Beat – und war zudem viel lauter als der Rest der Musik. Mein Blick schweifte beunruhigt durchs Zimmer. Und fiel auf das Ölgemälde an der gegenüberliegenden Wand. Es hatte sich auffällig verändert. Statt straffer Leinwand, eingerissener Stoff, der schlaff im Rahmen hing. Bei näherer Betrachtung sah ich das Einschussloch. Am Boden lag das dazugehörige Projektil. Ein Blick aus dem Fenster: Alles Dunkel. Hatte ich einen Blindgänger aus dem Luftgewehr abbekommen? Oder handelte es sich doch um eine handfeste Warnung meines Nachbarn? Ich wechselte sofort den Raum, packte hastig meinen Plattenkoffer und machte mich auf den Weg ins Sendestudio der Münchner Jazzwelle. Mit ziemlich flauem Magen. Als ich die Vinyls, die ich kurz zuvor noch bei offenem Fenster gehört hatte, auf den Plattenteller hievte, wollte ich meiner Verstörung am Mikrophon ein wenig Luft machen: Ich erzählte von schießwütigen Nachbarn. Mitbürgern, die Musik mit Munition bekämpften. Deejays die um Leib und Leben fürchten müssten. Da klingelte das Studiotelefon. Eine tiefe Männerstimme. Und ein knapper Kommentar, der mir den Schweiß aus allen Körperporen trieb: „Ist doch kein Wunder bei der Musik!“