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Mies aufgelegt: Kid Alex trockengelegt

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Meinen schlimmsten DJ-Abend habe ich im Sommer 2006 in Boston erlebt: Ich ging unter meinem DJ-Alias „Boys Noize“ auf meine erste US-Tour und freute mich, endlich vor amerikanischem Publikum meine Elektro-/Techno-Remixe auflegen zu dürfen. Ein Bostoner Club sollte den Anfang machen. Der vollkommen überkokste Veranstalter hatte mich vom Flughafen abgeholt und dabei pausenlos schwadroniert „It’s gonna be great, believe me!“.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die erste Ernüchterung aber wartete schon am Eingang des Etablissements. Verschränkte Arme. Bedauerndes Kopfschütteln. Er wisse nicht, ob ich wirklich schon 21 sei wiederholte der Türsteher: „Tut mir leid, ich muss hier meinen Job machen.“ Niemand hatte mir gesagt, dass ich meinen Ausweis mitnehmen soll. Und auch der Veranstalter kam mit seinen Protesten nicht weiter. Endlich nach langem Hin und Her, dann doch der Wink nach drinnen: Aber erst die Handflächen herzeigen! Mit einem dicken Edding malte mir der Türsteher ein X zwischen Finger und Armgelenk. Die andere Hand auch noch! Ich protestiere zögerlich, aber es hilft nichts. Wofür die Markierung gut ist? Ich sollte es bald an der Bar erfahren: „Wir dürfen an Dich keinen Alkohol ausschenken“ – „Warum denn das?“ – „Schau mal deine Hand an!“. Gedemütigt und trockengelegt schleiche ich zum DJ-Pult. Vielleicht würde ja die Musik den Abend retten. Um die vier dutzend HipHop-Kids hängen gelangweilt auf den Barhockern, und als ich die erste Nummer, Boys Noizes „Don’t Believe The Hype“, in den CD-Spieler schiebe, wird mir bald klar, dass bestenfalls ein Bruchteil von denen wegen mir da sind. Schon eine Viertelstunde später steht der Support-DJ neben mir: „Kann ich noch mal auflegen? Wir müssen hier gemischten Sound machen.“ Zu resigniert, um zu widersprechen, überlasse ich ihm die Kanzel. Aus den Boxen dröhnt Puff Daddy. Schlimmer noch. Mein Kollege bedient auch noch das Mikrophon: „Shake your ass... one, two!“ Als ich mein Set endlich wieder aufnehmen darf, habe ich gegen diese Animier-Nummer keine Chance. Niemand tanzt, ein paar der Baseball-Mützenträger strecken sogar Fuckfinger in meine Richtung. „Hey, ich kenne Deine Musik“, beugt sich einer der wenigen Boys Noize-Fans übers DJ-Pult. „Superstoff! Du bist hier leider nur im falschen Laden. Komm wir verarschen die zurück.“ Ich überlasse ihm das Mikro und er schreit über meine Beats: „Everybody say ho!“, „Shake your ass!“ Vier Stücke später ist der Laden leergespielt. Mein frischgekürter MC-Partner besorgt mir lachend ein Bier: „Vergiss den Abend einfach!“ Leichter gesagt, als getan: Die ganze Tour über prangt noch das Edding-Kreuz an meinen Händen. Foto: kid-alex.de

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