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Mies aufgelegt: Jan Delay aka DJ Flashdance

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Meine übelste DJ-Nacht erlebte ich vor drei Jahren in Wuppertal. Als DJ Mixwell und ich anfingen, aufzulegen, war uns noch nicht klar, welche Leinen man festziehen und welche Ansagen man machen muss, wenn man als unbekannter DJ und nicht als berühmter Rapper unterwegs ist. Die Veranstalter hörten den Namen Jan Delay und buchten einfach. Was interessierte sie, dass Jan Delay nur auflegt, und dass er dann auch nicht Jan Delay sondern DJ Flashdance heißt?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Auch diesmal wieder: Als wir am Dancehall-Club namens Wu-Tal ankamen, hing da ein überlebensgroßes Poster mit meinem Foto und einer metergroßen Schrift „Jan Delay“. Darunter gerade mal zentimetergroß „DJ-Set mit DJ Mixwell“. Uns schwante Böses. Nach diversen Aufwärmern schleppten wir um ein Uhr nachts unsere Plattenkoffer ans Pult. Sofort ging ein Zug durch den ganzen Laden: Whoom! Alles stürmte nach vorne, drängte sich vor der Bühne, in der Erwartungshaltung, dass ich gleich rappe. Vor mir hunderte von Foto-Handys in der Luft – alle auf mich gerichtet. Wir taten so, als ob wir das nicht bemerken würden: Plattenkoffer auf, Hits rausgekramt und einen Partyknaller nach dem anderen geflasht: Busta Rhymes, Michael Jackson, Christina Aguilera . . . aber die standen vor dem DJ-Pult wie angeschraubt: „Rap mal!“ – „Nimm mal das Mike!“ – „Füchse!“ – „Liebeslied!“. Irgendwann schnappte ich mir tatsächlich das Mike und versuchte zu erklären, dass das hier ein Tanzabend war, dass wir nicht rappen würden, dass man sich aber zu unserer Musik auch ohne Rap bewegen darf. Es nutzte nichts, da kamen die nicht drauf klar. Nicht dass ich irgendeinen verqueren Rucksack-HipHop aufgelegt hätte. Ich baute am Plattenspieler die derbsten Rutschen: von Madonna über Nirvana zu White Stripes, Biggie Smalls, P.Diddy ...Aber auf dem Poster stand eben Jan Delay. Und so wie sie guckten hatte niemand seine acht Euro abgedrückt, um DJ Flashdance zu hören. Ich holte alles aus meinem Koffer raus: Mischte R. Kellys „Fiesta Remix“ auf „Dub Be Good To Me“ von Beats International, um dann wieder den Haken zu schlagen zu „Informer“ von Snow, worauf wieder perfekt Princes „Musicology“ passt, gefolgt von Aretha Franklins „Rock Steady“ . . . und blickte doch nur in enttäuschte Gesichter. Gequälte Abstinenzler-Mienen. Als hätte jemand Freibier versprochen und nichts ausgeschenkt. Flüche von allen Seiten. Typen mit erhobenem Fuckfinger. Die hatten eine Blockade im Kopf: Weil sie auf Live-Rap programmiert waren. Da hätte ich selbst ihre Lieblingslieder spielen können . . .

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Erlösung kam erst als der letzte Fuckfinger sich Richtung Ausgang bewegt hatte. Und ganz normales Club-Publikum hereingespült kam. Typen, die noch nie von einem Jan Delay gehört hatten. Und wie die glücklich waren: Ein Abend nur mit Top-Ten-Hits von den Neptunes bis Kiss, von den Commodores bis P. Diddy. Seitdem habe ich strenge Verträge für meine DJ-Auftritte. DJ Mixwell muss ganz groß aufs Plakat. Und „Jan Delay“ nur als Untertitel, und bitte klitzeklitzeklein geschrieben! Protokoll:

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