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Mies aufgelegt: Hiphop-Legende Questlove wird bestochen
Mein erschreckendstes Erlebnis als DJ hatte ich vor zwei Jahren bei einem Clubabend in Philadelphia: Wie immer wühlte ich in meinen Kisten mit den Vinyls neben dem DJ-Pult, in Gedanken die Reise durch Jazz-Nummern, Rare Grooves, Filmsoundtracks und Hiphop-Beats sorgfältig vorausplanend – schließlich brauche ich mindestens fünf Lieder Vorsprung, um nicht erst im letzten Moment die Brücke von einem zum nächsten bauen zu müssen. Das bedeutet volle Konzentration: Kein Alkohol, keine Drogen und erst Recht keine lästigen Fragen am DJ-Pult. Das gilt für alle. Selbst meine Ex-Freundin bekam bei unserer ersten Begegnung eine Abfuhr: „Oh Questlove“, säuselte sie mir ins Ohr, „was spielst du da Schönes?“, bevor ich sie mit einem energischen Handwedeln verscheuchen konnte. Bloß niemals die Augen von Plattenspielern, CD-Spielern und Laptop nehmen - sonst bin ich sofort aus dem Rhythmus, kommt der komplette Beatbauplan durcheinander.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
An diesem Abend aber lief es hervorragend. Ich hatte den perfekten Flow – und war auf meinem erhöht angebrachten DJ-Pult für alle Störer von der Tanzfläche unerreichbar. Dachte ich. Da plötzlich, ich lege gerade nach einer Louis Jordan- und Duke Ellington-Nummer eine seltene orchestrale Fassung von „Erotic City“ auf, schieben sich zwei Hände von unten vor mein Gesichtsfeld. Was will der Typ? Da ich nicht mehr von ihm sehen kann, klopfe ich ihm auf die Finger. Tut weh, ist aber der sicherste Weg in Ruhe arbeiten zu können. Nur bei Hiphop-Urvater Kool Herc hatte ich mal eine Ausnahme gemacht - und es sofort bereut: Nachdem er in meiner Plattenkiste wühlen durfte, hatte ich am Schluss eine seltene Maxi weniger in der Sammlung und er eine mehr in seiner. Wieder schieben sich diese Hände von unten heran. Wedeln vor meiner Nase. Mit einem Zwanzig Dollar Schein. Was für eine Beleidigung! Schließlich bin ich weder bestechlich, noch brauche ich das Geld. Also: Auf die Pfoten. Doch der Typ bleibt hartnäckig. Hat offensichtlich keine Nerven. Und wieder wedeln die Finger vor meinem Gesicht. Jetzt nehme ich meine Faust zu Hilfe. Ein paar Sekunden später sehe ich den Besitzer der nervenden Hände zu einem Klimmzug am DJ-Pult ansetzen. Ein schmaler Typ zieht sich bis zum Kinn hoch, lächelt mir ins Gesicht: „Oh shit! Prince! Was machst du denn hier?“ schreie ich – während mir der nächste Beat aus dem Ruder läuft. Der Flow ist dahin, und – verdammt! - welches Stück wollte ich als nächstes starten? Mr. Sexy Motherfucker hin oder her. Mein DJ-Ruf steht auf dem Spiel. Jetzt bloß cool bleiben. Also reiß ich ihm den Zwanziger aus der Hand, schiebe ihn routiniert in die Brusttasche und beuge mich, als wäre nichts gewesen, über meine Platten. Was aus dem Geldschein geworden ist? Den werde ich erst ausgeben, wenn ich mein letztes Hemd verkauft habe. Foto: myspace