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Mies aufgelegt. Heute Philipp Jung aka M.A.N.D.Y. vergreift sich im Ton

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Mein schlimmster Abend auf der DJ-Kanzel? Das muss mein Ibiza-Gig im letzten Sommer gewesen sein. Ich war als Hälfte des House-DJ-Kollektivs M.A.N.D.Y. im "Poker Island" gebucht, eine Edel-Diskothek mit Bühne und Pool im offenen Patio. Mein Auftrag: Nach einem Auftritt der Pussycat Dolls ein bisschen Stimmung zu machen, dafür würde man mich auch eigens aus Hamburg einfliegen. Kein Problem, oder? Zumal nicht nur die Gage lockte, sondern auch die Aussicht, hunderte von Bikini-Schönheiten am Pool mit meinen Rhythmen in Wallung zu bringen, ja vielleicht sogar eine orgiastische House-Fiesta unter Ibizas Sternenhimmel zu zünden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Tatsächlich stehen alle Zeichen auf Party-Showdown - solange die Pussycat Dolls spielen. Der Club ist mit gut 1000 Besuchern gerammelt voll. Um den Pool drängen sich die braungebrannten Sonnenbrillen- und Stretchtop-Beauties, und ein Hauch von jugendlicher Euphorie liegt in der Luft. Traumhafte Voraussetzungen, um auf der DJ-Kanzel den Disco-King zu markieren. Hier brauchste nur noch abräumen, denke ich. Bis ich mit schwitzenden Fingern die erste House-Maxi auf den Teller hieve: Booker Shades „Sweet Life“. Erprobter Beat, gerade, durchpeitsche Basstrommel, ein Garant für Adrenalinschübe auf der Tanzfläche. Noch ein bisschen an den Filtern schrauben. Mehr Bässe reinlegen. Und ab geht die Post. Als ich 30 Sekunden später aufblicke, ist der Innenhof fast leer. Ein, zwei einsame Figuren drücken sich noch um den Pool. Wo sind die ganzen anderen 998 Partypeople geblieben? Kann man hier wirklich so schnell abhauen? Und: Ist Booker Shade vielleicht daran schuld? Ein Blick in die umliegenden Sitzkissen-Lounges bessert meine Laune kaum: Alle drängen sich dort auf engstem Raum. Als ob plötzliche Giftdämpfe aus dem Pool den Aufenthalt im Freien verbieten würden. Und mir dämmert eine der schlimmsten Erkenntnisse, die einen DJ überhaupt befallen kann: Überall da ist es besser, wo man deine Musik nicht hört. Ob ich den Abend noch mit ein paar „todsicheren“ Hits retten könnte? „I’ve Got That Feeling“ von Dakar oder Lopazz „Share My Rhythm“. Vergeblich. Die euphorischen Housegesänge verhallen unerhört am hinteren Poolende. Schließlich schlurfen die zwei einzigen Mädchen in Sichtweite an die Kanzel – nein, nicht um mich zu trösten, sondern mir irgendetwas von „HipHop wäre jetzt aber besser“ ins Ohr zu nölen. Da kommt die Ansage des Club-Chefs fast wie eine Erlösung. „Du kannst zusammenpacken“. Ich sollte wohl niemand länger belästigen. Den Rest der Nacht sitze ich mit ein paar Freunden am Pool und hörte House-Musik - aus meinem iPod.

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