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Mies aufgelegt. Heute mit Oliver Koletzki und der großen Erschöpfung
Dass dem Berufsstand des DJs gerne pauschal Unzuverlässigkeit angedichtet wird – das hat mich schon immer geärgert. Schließlich kann man nur mit eiserner Disziplin in der Topliga der Plattendreher mitmischen. Welches Publikum nimmt schon Rücksicht auf biorhythmische Tiefs, Jetlags und Schlafdefizite? Und wer hätte schon mal eine Panne am Mischpult mit den Härten seines Berufslebens entschuldigt?
Bei mir gehört folglich Pflichtbewusstsein zu den unbedingten DJ-Tugenden. Seit über fünf Jahren schon habe ich keinen Gig verspätet angetreten oder gar abgesagt – auch wenn das meinem Körper manchmal so passen würde. Als ich vor drei Jahren die DJ-Kanzel des Club 50 Grad in Mainz bestieg, hatte ich einen Open-Air-Gig an der Ostsee und eine durchgemachte Nacht hinter mir: Anstatt zu schlafen war ich mit dem Auto durch halb Deutschland gefahren. Aber keine Sorge. Sobald sich die Plattenteller drehen, würden wieder sämtliche Nervenenden entflammen, ein Kribbeln in die Hände fahren und die Beats und Basslinien meinen müden Kopf elektrisieren. So war das immer. Und so funktionierte es auch diesen Abend. Zweifellos würde ich die Tanzfläche bis zum Morgen am Brodeln halten. Ein Blick auf die Uhr: Noch gut drei Stunden. Zeit, die Bretter aus der Kiste zu ziehen. Allen voran mein erster großer Hit „Mückenschwarm“. Noch während ich am Vorhören bin, dieses Ziehen im Unterleib: „Kannst du die mal kurz einspielen? Bin gleich zurück...“ rufe ich meinem DJ-Kollegen ins Ohr und rausche Richtung Toilette. Eine kurze Sitzung nur...
Während ich die Augen zu Schlitzen verenge, um nicht ins grelle Licht zu blicken, rüttelt jemand unsanft an meiner Schulter. „Hey!“ Kein Traum. Und doch dämmert mir, dass etwas nicht stimmt an diesem Bild: Was wollen die beiden Typen? Wie kommen die in die abgeschlossene Klokabine? Und warum sitze ich mit herunter gelassener Buchse vor ihnen? „Ich muss zurück an den Plattenspieler“, schießt es mir plötzlich durch den Kopf. Im Laufen knöpfe ich die Hose zu, und stolpere in einen dunklen Raum: Die Lichter gelöscht, die Gäste gegangen, nur noch die süßlichen Duftfäden von verschüttetem Bier und Redbull in der Luft...
„Halt, Security!“ rufen die beiden Gestalten hinter mir. Auf dem Weg ins Clubbüro werde ich kleiner und kleiner: Tantiemen für den Toilettenschlaf kassieren – wie peinlich! Mit welchem süffisanten Spruch würde mir der Gehaltsumschlag gereicht werden? Und was würde das für meinen Ruf bedeuten? Auch wenn ich mit ein paar Lachern davonkam: Ich beschloss, künftig nicht nur pünktlich auf der Kanzel zu stehen – sondern den Wecker mit aufs Klo zu nehmen.
Text: jonathan-fischer - Foto: privat