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Mies aufgelegt. Franz Dobler wird im Café Burger genötigt
Mein schlimmster DJ-Abend? Muss wohl das Gastspiel 2006 im Café Burger in Berlin gewesen sein, ein Laden in dem Donnerstags üblicherweise das Genre Funk & Soul bedient wird. Diesmal aber stand nicht nur mein Name auf dem Programm – sondern auch das Wörtchen „Country“. Offensichtlich nicht in großen, hintergrundbeleuchteten Bildzeitungs-Lettern, vielleicht hätte ich sonst hinter dem DJ-Pult weniger erklären müssen.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Zum Beispiel dem leicht anämisch wirkenden Brillenträger, Typ Student der Philosophie und Mediavistik 19. Semester, der gleich am Anfang an mein Pult stürmte: „Du spielst doch noch James Brown, oder?“ Ich erkläre höflich, dass ich von dem „Godfather of Soul“ nichts dabei hätte, nicht einmal „Sex Machine“. „Leider“, lüge ich. Kaum hat er mir den Rücken zugedreht, beugt sich eine junge Frau im Stretch-Oberteil zu meinem Ohr. „Kannst Du nicht mal was Fetziges auflegen?“ Puh, und das während sich Dwight Yoakams „Guitars & Cadillacs“ auf dem Plattenteller dreht. Eine Nummer, die ich bisher für einen Dancefloor-Killer mit dem Prädikat „extra-fetzig“ gehalten hatte. Eine Platte später hakt sie noch einmal nach:„Geht das nicht schneller?“ Ich schalte den Geschwindigkeitsregler meines Plattenspielers von 33 auf 45. „Devil On My Shoulder, Angel In My Arms“ greint Gene O’Quinn nun mit Micky-Maus-Stimme zu einem nochmals beschleunigten 50er Jahre Country-Boogie. Die junge Frau lächelt nicht einmal. Und der bleiche Brillenträger erinnert sich nach jedem gekippten Pils, warum er heute in diese Diskothek gekommen ist: Nicht um mich am Plattenpult werken zu sehen, auch nicht für Dale Watsons „Whiskey Or God“, sondern einzig und allein wegen ihm: „Leg doch mal James Brown auf!“ Ratloses Schulterzucken meinerseits und ein Fingerzeig in Richtung Tanzfläche, wo sich ja mittlerweile auch ohne James Brown einige Dutzend Paare amüsierten. Offensichtlich ohne ihn zu überzeugen. Konnte es wirklich DJs geben, die seinen Liebling nicht im Koffer haben? „Nur eine Nummer, bitte!“
Aus dem Augenwinkel sehe ich einen großen schwarzen Mann auf mich zuschreiten. Breite Schultern, stierer Blick. Der Rausschmeißer des Ladens? Ein afroamerikanischer GI, dem nach zwei Stunden ohne Funk und Soul nun endgültig der Kragen platzt. Oder der Vollstreckungsgehilfe des James-Brown-Nörglers? Ich erwarte nichts Gutes. Bastele in Gedanken schon an einer weiteren „Leider“- Ausrede. „Hey DJ“, raunt der Zwei-Meter-Hüne, als hätte er geahnt, welche Platte ich gerade auspacken wollte, „you play some Johnny Cash for me?”
Text: jonathan-fischer - Foto: Ralf Illing