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Mies aufgelegt: DJane Shebangsthedrums

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Meinen schlimmsten Abend hinter den Plattenspielern habe ich 2004 in Berlin erlebt: Ich sollte für die Aftershow-Party der Killers auflegen, der Bastard Club war supervoll und ein Hauch von Rockstar-Hysterie lag in der Luft: Schließlich hatte sich die Killers-Posse persönlich angekündigt. Der Abend würde als Highlight in meine Karriere eingehen. So hoffte ich zumindest. Zwar hatte ich schon seit vier Jahren in einem Berliner Wohnzimmerclub auf Monospielern Sixties-Vinyl aufgelegt – aber das hier war eine andere Liga. Meinen Koffer hatte ich sorgfältig sortiert: Ein paar Allzeit-Favoriten von The Smiths, The Kinks und The Who, dazu jede Menge neuer britischer Indie Pop von den Arctic Monkeys & Co. Um Mitternacht hieve ich mein erstes Vinyl auf den Plattenspieler: Kaum habe ich die Nadel aufgesetzt, kommt eines dieser typischen Indie-Girls – Ponyfrisur, Chucks, rot-schwarz gepunktete Jacke - zum DJ-Pult gelaufen. „Kannste nich mal was von den White Stripes spielen? Ich hebe bedauernd die Handflächen. Sie will es nicht fassen:„Haste nich?“ – „Tut mir leid, ich habe die heute wirklich nicht dabei.“ Damit hätte der Fall eigentlich erledigt sein können. Doch Mrs. White Stripes gibt nicht auf. Wenn sie schon ihren Musikwunsch nicht durchbringt, will sie wenigstens als Kritikerin punkten. Mault, meckert, mischt hartnäckig ihre Kommentare zwischen die Stücke. Vielleicht würde sie The Who und „My Generation“ auf die Tanzfläche zwingen? Fehlanzeige: „So alte Scheiße!“ Ich bin entnervt. Soll ich den Kopfhörer auflassen? Oder den Türsteher holen, um das Lästermaul vom DJ-Pult fernzuhalten?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Okay: Warum ihr nicht das Maul stopfen, indem ich die 300 Leute im Raum zum Ausrasten bringe? Ich lege meine Lieblingssingle auf. Ein todsicherer Indierock-Smasher: „She suits me to a T“ von 22/20. Das muss einfach funktionieren! Tatsächlich kommt Bewegung in die Bude. Hey, denke ich mir, jetzt reiße ich das Ruder rum. Rocke den Laden in Grund und Boden.... Das Hochgefühl hält etwa eine Minute lang an. Der Song ist zu einem Drittel gelaufen, da setzt dieses Jaulen ein, das jeder DJ wie den Teufel fürchtet, und innerhalb von ein, zwei Sekunden fährt der Plattenspieler runter... Stillstand. Ein dröhnendes Soundloch. Ich drücke immer wieder auf den Startknopf. Tot. Der ganze Laden schaut zu mir hoch. Jetzt bloß lächeln und möglichst unbeteiligt wirken, während ich hektisch in meiner CD-Tasche wühle. Da ist sie wieder, diese grässliche Stimme neben dem DJ-Pult.: „Wenn man nicht auflegen kann, sollte man es lassen“. Der finale Messerstich! Dagegen wirkten die „Frauen und Technik“-Spötteleien der Jungs geradezu zärtlich. Am liebsten hätte ich die keifende Ponyfrisur an die Wand geklatscht. Stattdessen schleiche ich mich – ein Kollege war inzwischen ans defekte DJ-Pult geeilt - an die Bar. Ducke mich hinter einem, zwei, drei, vier Drinks. Und ertränke den Rest des Abends diese Endlosschleife in meinem Kopf: „...sollte man es lassen, sollte man es lassen, sollte man...“ Foto: privat

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