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Mies aufgelegt: DJ Surgeon nimmt's persönlich
Mein schlimmstes Erlebnis hinter den Plattentellern? Das muss wohl Mitte der 90er in Detroit gewesen sein: Ich freute mich auf meinen ersten Gig in der Stadt, die mir in meiner Vorstellung als „Techno Mecca“ zum mythischen Wallfahrtsort jedes halbwegs ernstzunehmenden Techno-DJs geworden war. In den Ruinen der einstigen Motown-Metropole stand Anfang der 80er Jahre die Wiege des Detroit-Techno, hier formten Legenden wie Ken Collins, Juan Atkins oder Derrick May den Sound der Zukunft. Und nun würde dieser Glanz auch ein wenig auf einen eingeflogenen DJ aus England abstrahlen. So hoffte ich jedenfalls.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Die Wirklichkeit aber sah ganz anders aus: Nach einer langen Fahrt durch Straßen voller ausgebrannter Gebäude wartete am Warehouse, wo ich auflegen sollte, schon eine ganz eigene Fanschar auf mich: „Surgeon sucks!“ stand auf ihren T-Shirts gedruckt. In großen leuchtenden Lettern. Surgeon, moment mal, sollte dieser Diss mir gelten? Und woher kannten die mich überhaupt? Der Veranstalter klärte mich auf, er führe seit langem eine Fehde mit einem örtlichen Konkurrenten, der wohl auch für die bedruckten T-Shirts zuständig sei. Ich sollte sie doch einfach ignorieren. Nun ja, ich würde einfach am DJ-Pult mein Bestes geben und dann könnten wir noch mal reden… Das war allerdings leichter gedacht als getan. Weil der Veranstalter die irrsinnige Idee hatte, alle Wände mit schwarzem Plastik zu verkleiden, rann mir schon nach fünf Minuten der Schweiß in Strömen von der Stirn. Die Halle war unsäglich überheizt, feucht – dazu lief direkt neben mir ununterbrochen eine Nebelmaschine. So hätte wohl ein Erlebnispark eine alttestamentarische Hölle nachgebaut. Da passte es, dass die Monitorboxen durchgebrannt waren, ich vom Sound nur ein dunkles verzerrtes Gewummer mitbekam. Wie konnte ich hier jemals ein vernünftiges Set spielen? Wo der Mixer auch noch an einer Stelle eingebaut war, die man nur am Boden knieend erreichen konnte? Jeder Übergang von einer Platte zur nächsten erschöpfte mich wie ein paar Liegestützen in der Sauna. Ich fantasierte von einer Kriechtour durch dampfenden Tropen-Dschungel und versuchte am Boden ab und zu ein bisschen unverbrauchte Luft einzuatmen. Als ich wieder auftauchte und die Figur sah, die sich bewegungslos genau vor meinem DJ-Pult postiert hatte, wusste ich, dass ich hier nur noch raus wollte. Mit oder ohne Bezahlung. Nein, ich könnte nicht die restliche Nacht auch noch auf dieses verdammte T-Shirt starren: „Surgeon sucks!“