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Wünsch dir was: Warum Wünschen glücklicher macht als man denkt

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Es ist die wichtigste Lektion beim Erwachsenwerden und es ist wie das Erwachsenwerden selbst: es hört nie auf. Ich rede vom Wünschen, konkreter vom richtigen Umgang mit einem der schönsten Gefühle, die unser Emotional-Laden im Angebot hat: der Vorfreude. Die Lektion ist einfach und doch sehr spaßfrei. Sie besagt: „Sei vernünftig und schau dir dein Konto an“ – kurzum: „Schlag dir diesen Wunsch aus dem Kopf.“ Dieser Logik folgen wir, seit wir uns den einen großen Wunsch – den Wegzug aus der provinziellen Öde (vulgo: dem Elternhaus) erfüllt haben.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Und egal, ob es jetzt um eine sonnige Reise nach Sydney, einen neuen Laptop oder den unerreichbar tollen MP3-Player geht: Wir bleiben in unserem kleinen grauen WG-Zimmer, hacken langweilige Hausarbeiten in eine alte Tastatur und hören Musik stationär von selbstgebrannten CDs. Doch damit nicht genug, auch das Träumen von Sonne, Sound und neuen Tasten verwehren wir uns. Weil die immerwährende Debatte vom Sparen und vom Verzicht mittlerweile zum Soundtrack unseres so genannten prekären Lebens geworden ist. Soziologisch betrachtet ist das Praktikanten-Arbeiten an der Armutsgrenze tatsächlich ein großes Problem. Darum soll es hier aber mal kurz nicht gehen. Ich will auch niemanden vorschreiben, wie er sein ohnehin kaum vorhandenes Geld auszugeben hat. Ich möchte lediglich für eine sehr kindliche Tätigkeit werben, die in diesen Tagen etwas aus der Mode gekommen ist: für das Wünschen. Der Sprungturm der Gefühle Es gibt diese Versicherungswerbung, die mit dem Gefühl kindlichen Vertrauens wirbt. „Erinnern Sie sich noch“, fragt eine väterliche Stimme, „wie es war, als Sie ein Kind waren?“ Dann folgt eine Aufzählung, in der es um „vor nichts Angst haben“ und „großes Vertrauen haben“ geht. Immer wenn ich diese Werbung sehe (in der ein Anzugmann vom Sprungturm in einen See hüpft, Du weißt schon) muss ich an eine Fähigkeit denken, die ich als Kind hatte und die mir (und uns allen) heute fehlt: ich habe mir jede Menge Zeug gewünscht. Das meiste habe ich nicht bekommen, aber die Vorfreude auf eine neue Stereoanlage oder das Piratenschiff eines fränkischen Spielzeugherstellers sorgten für Ordnung in meinen Leben. Die Verwirrung, die sich aus einem Zuviel an Möglichkeiten und Wünschen ergibt, kannte ich als Kind nicht. Ich wollte ja die Stereoanlage. Darauf habe ich mich konzentriert. Manchmal habe ich dafür sogar gespart. Das war zäh, das war anstrengend, aber irgendwie war es ordentlich. Im besten und dümmsten Sinn des Wortes. Ich weiß, das ist eine Hollywood-Walt-Disney-Logik, aber es ist eine schöne Logik: gerade wenn man nichts hat, macht Wünschen Spaß. Wer sich alle seine (materiellen) Träumen mit einem Fingerschnippen (meist einer Unterschrift) erfüllen kann, hat kaum Spaß an dem neuen Soundsystem oder der tollen Wohnzimmer-Lampe. Stattdessen verfällt er in einen kapitalistischen Wunsch-Kreislauf, der nicht nur dem Wünschen seinen Zauber, sondern auch den erwünschten Produkten ihren Charme nimmt. Vielleicht ist das gut, schließlich ist all dieser Kram ja nur das: Kram. Nichts, an das man sein Herz hängen sollte. Nichts von wirklichem Wert. Aber diese Logik halte ich für weitaus zynischer als das Hollywood-Wünschen. Diese Logik muss man sich nämlich leisten können. Wer sich das nicht leisten kann, dem bleibt nur die eher unerfreuliche Realität. Aber eben auch sein eigenes Wünschen. Und das macht manchmal glücklicher als man denkt. Illu: marcus-holzmayr Mehr zum Thema auf jetzt.de - Der Tagesticker zur Frage: Erzähle uns deine materiellen Wünsche. - Das Porträt der Generation Option: "Die Vielfalt der Möglichkeiten macht uns verrückt. Aber wir können etwas dagegen tun."

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