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Witzig ist heute anders: Warum der erzählte Witz nur noch dahinsiecht
Vor sechs Jahren startete eine Gruppe um Richard Wiseman von der Universität of Hertfordshire in Großbritannien eine große Aktion: Es galt, den besten Witz der Welt zu finden. Zig Tausende wurden eingeschickt und schließlich befanden die damaligen Computernutzer über den besten Witz der Welt. Hier ist er. „Zwei Jäger gehen auf die Jagd und wandern durch den Wald. Plötzlich greift sich der eine an die Kehle und stürzt zu Boden. Der andere Jäger gerät in Panik und ruft den Notarzt an: „Ich glaube mein Freund ist tot. Was jetzt?“ Der Arzt sagt: „Beruhigen Sie sich! Zunächst einmal müssen Sie sicher gehen, dass ihr Freund wirklich tot ist.“ Kurze Pause, dann ein Schuss. Dann kommt er wieder ans Telefon. „Okay, erledigt. Und was jetzt?“ Witze dieser Sorte leben, so sagt man, vom Erzählen und von den Fähigkeiten des Erzählers. So hingeschrieben und weggelesen sind sie eher eine fade Angelegenheit. Beim bloßen Lesen mutiert auch der beste Witz der Welt zum mittel-okayen Schreibtisch-Schmunzler, den man nach dem Lesen der nächsten Spaß-Mail schon wieder vergessen hat. Ich behaupte aber, dass für uns nicht mal mehr der begabteste Witze-Erzähler diesen Witz retten könnte. Denn der Witz als Erzählform, so wage ich zu sagen, siecht gerade vor sich hin. Auch wenn er noch nicht tot ist. Dazu braucht man bloß das Wort Witz an Google zu schicken, dazu muss man nur mal in das Schlechte-Witze-Forum auf jetzt.de schauen. Den erzählten Witz gibt´s noch. Mir geht es aber nicht um den Beweis des Nicht-mehr-Vorhandenseins des erzählten Witzes, mir geht es nur darum, mit der Taschenlampe unseren Humor-Inventar zu durchleuchten. Und da, behaupte ich, muss man lange kruschen, ehe man den erzählten Witz als tragendes humoristisches Element wieder findet.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Aber über was?
Der erzählte Witz mit seinen Österreichern und Fritzchen ist zum Humor-Accessoire unserer Elterngeneration geworden. Frank Elstner lässt in der Senioren-Sendung „Verstehen Sie Spaß?“ heitere Mitmenschen vom Typus Schrebergarten-Vorstand vor die Kamera ziehen, wo sie ihre Kracher zum Besten zu geben. Das Publikum darf dann über die Qualitäten der meist bemützten Witze-Erzähler und ihrer Arbeiten befinden und am Ende gar den „Witzbold des Jahres“ küren. Die Sieger des Jahres 2006, so ist auf der Internetseite nachzulesen, waren: Adolf Müller, Irmi Mayerhofer und Karl Oertl. Der erzählte Witz ist so alt wie seine Liebhaber.
Und tatsächlich begegnen uns in unseren Alltagen ja auch keine Witzbolde mehr. Das Prinzip „Einen hab` ich noch!“ ist, wenn überhaupt, geselligen Familienfeiern und wohlsortierten Herrenrunden vorbehalten. Menschen demnach, die in einer Zeit groß wurden, in der der erzählte Witz gleich nach dem Märchen und der Bibellese die nächste Erzählvariante war. In dieser Zeit wurden schauspielerisch begabte Witz-zum-besten-Geber zu Stars im kleinen Kreise. Sie eiferten Heinz Erhard nach und feierten ihre Witzigkeit noch mehr, wenn sie mit dem Vater des Witze-Erzählens verglichen wurde.
Heute dulden wir keine Witzbolde mehr. Wer mit Witze-Erzählen bei uns punkten will, kann sich schon mal warm anziehen und seinen Platz in der Nerver-Ecke beziehen oder er wird dem Lehrer gemeldet. Woher das kommt?
Wir sind Witz-kompetenter geworden. Die Überfülle an vermeintlich Lustigem, die wir via Mail zugeschickt bekommen, die wir im TV sehen oder im Radio hören, sie macht uns hart. Wir werden anspruchsvoller. Außerdem haben wir dauernd Bewegtbild parat, Internet, wir unterbrechen selbst Partygespräche für einen Witz, und googeln das YouTube-Video herbei, an dem wir abwechselnd die Persiflage, den Slapstick, die Schadenfreude oder das schlicht Absurde toll finden.
Wir lachen über die Abziehbilder des Echten. Wir sind Schadenfreuer geworden. Wir freuen uns nicht mehr an solch unschuldigen Dingen wie erzählten Witzen, wir lachen, wenn Leute auf die Fresse kriegen.
Schlimm? Nö.
Erzählter Witz, bleib drin, bist nicht mehr umzingelt.
Text: yvonne-gamringer - Foto: dpa