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Verzeih Ihnen, Herr! Wie die Kirche ihren Wurzeln tschüss sagt. Polemik

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Dass die Kirche anachronistisch, verstaubt und institutionell unbeweglich ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Dass sie mit ihrer Lehre die Menschen kaum mehr erreicht, ist ebenfalls nichts Neues. Dass ihre Würden- und Amtsträger das Wasser der Enthaltsamkeit predigen und oft vom Wein des Verbotenen nicht lassen können, quittiere ich inzwischen mit einem Augenzwinkern. Vielleicht hat das Wort „pastoral“ ja tatsächlich etwas mit dem Mund zu tun. Die Abkehr vom Zeitgeist ist man von der Kirche gewohnt. Dass sie sich nicht auf Trends einlässt, macht irgendwo auch ihr Profil und ihre Daseinsberechtigung aus – auch wenn ihr verhärteter Standpunkt zur Kondomfrage zuletzt Risse zu bekommen schien. Aber wer weiß schon sicher, ob kein Sex vor der Ehe statt wechselndem Körperkonsum nicht vielleicht doch etwas Gutes hätte? Das Schicksal der Kirche wird sich nach 2000 Jahren jedenfalls nicht am heutigen Moralverständnis entscheiden. Sie hat ein viel größeres Problem.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Umgeben von Wänden? (Foto: dpa) Das Hauptproblem der Kirche ist das Problem fast aller Bewegungen und ihrer Gründer, ob weltlich oder geistlich: Die Nachfolger verwalten nur das Erbe. Und sie verwalten es schlecht. Aus der Urkirche, bestehend aus einer Handvoll Fischer und Handwerker, die sich um einen charismatischen Zimmermann versammelten, ist ein Verein mit Satzung (codex iuris canonici) und Mitgliedsbeiträgen (Kirchensteuer) geworden. Die revolutionären Ideen der Bergpredigt, die knackigen Gleichnisse und provokanten Thesen werden heute in Dogmen und Enzykliken verwurstet, deren Sinngehalt allenfalls noch die Schüler eines Priesterseminars kurz wach zu halten vermag. Mit der „goldenen Regel“ hatte Jesus einen Evergreen gelandet, einen Hit in praktischer Lebensethik, der nicht mehr zu toppen ist. Zumindest nicht von der müden Revival-Band des Vatikans. Aber was will man erwarten? Der Sohn Gottes trug Sandalen und hat dem Teufel 40 Tage in der Wüste die Stirn geboten. Der neueste Nachfolger Petri ließ sich in den ersten Wochen seines Pontifikats neue Treter von Prada machen. Nutten in der Kirche? Raus! Die Lehre der Kirche kann nicht die Lehre von Jesus sein. Wie wäre es sonst möglich, dass der vorige Papst dem Bischof von Recife das Bistum entziehen konnte, nur weil dieser die Prostituierten des brasilianischen Sextourismusmekkas in die Kirche eingeladen hat? Jesus speiste mit Zöllnern und ließ sich von einer Prostituierten die Füße waschen. Verzeih ihm, Herr. Wie kann die Kirche es dulden, dass der polnische Redemptoristen-Pater Tadeusz Rydzyk im Namen des Herrn im Mercedes-Maybach unterwegs ist und über sein „Radio Marija“ nationalistische und antisemitische Hetze verbreitet? Vielleicht müssen erst Kamele durch Nadelöhre kriechen, um solche Missstände abzuschaffen. Und bis dahin fährt Ratze weiter mit dem gepanzerten Papamobil durch die Lande und predigt Gottvertrauen. Verzeih ihnen allen, oh Herr. Wen wundert es da noch, dass auch bei den Schäfchen Bigotterie, Doppelmoral und verknöcherte Gesinnungsethik dort am meisten Konjunktur hat, wo der Glaube an Gott groß geschrieben wird? Polen hat die größte Quote an Katholiken und gleichzeitig die höchste Abtreibungsrate in Europa. Mehr als 20 Prozent der Frauen verhüten mangels Aufklärung überhaupt nicht. Abtreibung als Form der Geburtenkontrolle? Verzeih ihnen einfach, Herr, denn sie hatten schlechte Bildungsminister. Wäre Jesus nicht am dritten Tag von den Toten auferstanden, würde er sich heute vermutlich im Grabe umdrehen. Die Juden haben es da besser. Sie glauben, dass der Retter erst noch kommt. Schön wäre es, wenn es wieder einer wie Jesus wäre, der unseren Pharisäern und Schriftgelehrten mal die Spur stellt. Eine Peitsche wie früher wird wohl nicht ausreichen, um im Haus Gottes auszumisten. Heute müsste es schon der neue Hochdruckreiniger von Kärcher sein. +++

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Den Text entnehmen wir mit freundlicher Genehmigung der aktuellen Ausgabe des Online-Magazins daheim, die sich mit dem Thema "Religion" befasst. "daheim" versteht sich als "unabhängiges Online-Magazin, die Redaktion arbeitet in München. Jede Ausgabe widmet sich einem Thema und beleuchtet dieses aus verschiedenen Perspektiven. Das Magazin möchte Denkanstöße geben und sich dabei die Zeit nehmen, aktuellen Debatten und Fragestellungen auf den Grund zu gehen." Ein Porträt des Daheim-Magazins erschien bereits auf jetzt.de.

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