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Verbot! Erst das Rauchen. Dann das Böllern?

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Ich weiß genau, wo ich sein werde, wenn ich davon erfahre: im Bad. Es wird sechs, acht oder zwölf Uhr sein. Von fern wird in der Küche die Kaffeemaschine glucksen. Ich werde mir gerade Rasierschaumreste aus den Mundwinkeln waschen. Und aus dem Weltempfänger unter dem Spiegel wird ein Stimmchen plärren: "Kurz vor Silvester will die EU Feuerwerkskörper verbieten lassen." Die Sätze, die das Stimmchen außerdem plärrt, werde ich in ihrer semantischen Komplexität so früh morgens noch nicht zu erfassen in der Lage sein. Wörter, die darin vorkommen: Vorstoß, EU-Kommission, Klimaschutz, überraschend. Vielleicht auch „Feinstaub“. Genau so habe ich in den vergangenen Monaten vom Rücktritt Becksteins, der Herbstmeisterschaft Hoffenheims, dem Wahlsieg Obamas und dem Ausfall der S3 zwischen Hamburg-Dammtor und Sternschanze wegen Gleisbruchs erfahren. Ziemlich sicher werde ich diesmal das gleiche denken wie immer: Krass. Aber war klar. Okay, offiziell deutet noch nichts darauf hin, dass es so kommen könnte, aber: Damit, dass jemand die Idee kriegt, Böller, Raketen, Sonnenräder, Wunderkerzen und all diesen Kram zu verbieten, rechne ich jetzt seit gut einem Jahr. Fast täglich. Es ist nicht so, dass ich ein überzeugter Nichtböllerer wäre. Oder einer von denen, die sich schon mit 14 für zu seriös hielten, um das Erdbeben, ausgelöst von einem in ein Kanaldeckelloch geworfenen Böller, als ein sehr sinnliches Erlebnis zu betrachten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich gehöre nur nicht zu den Leuten, die beim Böllerverkaufsstart eineinhalb Monatsgehälter in den Einzelhandel tragen, mit plastiktütenweise Schinken (so heißen diese Böller-Großpacks) nach Hause laufen und dann bis zum 3. Januar abends auf der Straße herumstehen, frieren, zündeln und irre lachen. Zu den Leuten, die sich um Punkt Null Uhr im Halbkreis aufstellen, den Inhalt eines Päckchens Wunderkerzen verteilen und dann zwanzig Sekunden lang gucken wie das Christkind, gehöre ich aber auch nicht. Ein kubischer Kanonenschlag im rechten Moment kann, finde ich, eine richtig feine Sache sein. Noch. Blöderweise verhält sich eine Großpackung D-Böller zu der Idee, jeden Tag ein bisschen die Welt zu retten, ungefähr genauso wie YouTube zum Vorsatz, heute endlich die Hausarbeit fertig zu schreiben: Muss nicht stören, stört letztlich aber doch. Weil: Müll. CO2. Und bestimmt noch eine Reihe weiterer Schadstoffe, deren Namen ich immer wieder vergesse. Dazu: Die Hitzeentwicklung vor dem Bumms. Die danach. Und: der Feinstaub. Zum Sachenverbieten reicht's also, denn die Trendyness von Nachhaltigkeit ist ja nach wie vor unschlagbar. Der Einzelhandelsverband wird, wenn es denn soweit kommt, lautstark warnen und mahnen. Der Finanzminister wird leise weinen und mit seinem für die Wirtschaft zuständigen Kabinettskollegen waidwund auf die Konjunktur blicken. Ein Vertreter des Verbands der pyrotechnischen Industrie wird sich zu Anne Will einladen lassen, ein Kollege vom Verband der Sicherheitsingenieure zu Maischberger. Sehr viele Freiwillige Feuerwehren werden nicht wissen, ob sie lachen oder weinen sollen. Die Politikverdrossenen werden noch ein bisschen politikverdrossener, die Kopfschüttler werden wieder mit dem Kopf schütteln und in Leserbriefen schreiben: "Erst nehmen sie uns die Lust am Rauchen, dann die Glühbirne, jetzt die Böller. Wo. Soll. Das. Hinführen?" Die Kanzlerin wird sich eine Stellungnahme schreiben lassen, laut derer sie das Verbot „richtig und wichtig“ findet. Noch in diesem Jahr realisieren könne sie das Verbot aber nicht, wird sie weiterhin verkünden. Und, was sie wohl eher verschweigen wird, sie kann es – die Konjunktur! die Konjunktur! – auch nicht wollen wollen: 100 Millionen Euro sind es, die wir jährlich vom 29. Dezember an in die Luft jagen, einschließlich Mehrwertsteuer. Außerdem ist nächstes Jahr Bundestagswahl – und es kommt ungeheuer schlecht an, vor Wahlen Sachen zu verbieten, auf die ungefähr jeder zweite versessen ist. Dann also nach der Bundestagswahl. Oder jemand erfindet Bioböller und Ökoraketen (falls das hier jemand liest, der das kann: Die müssen dann aber bitte genauso stinken und krachen wie die Normalen!). Oder Böller kriegen künftig eine Farbkodierung. Blaue Böller dürfen überall und immer, gelbe nur um Punkt Mitternacht, rote nur einmal im Jahr. Oder es gibt Böllerzonen, irgendwo in alten Kasernen, oder im Wald, wo es keinen stört und nichts brennen - naja, vielleicht doch nicht im Wald. Oder wir kümmern uns nicht drum und böllern einfach weiter. So ähnlich wie in Hamburgs Kneipen, wo man die Rauchverbotsschilder durch den Qualm gar nicht mehr sehen kann. Kleines Problem: Wir müssten die Dinger irgendwie aus China schmuggeln. Oder wir ziehen gleich ganz nach Peking. Dort sind Böller und Raketen zu Silvester gerade erst wieder erlaubt worden.

Text: florian-zinnecker - Illustration: Katharina Bitzl

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