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Simpsons? Nö, danke!

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Homer Simpson hatte uns gerettet. Wir saßen im Keller des Studentenwohnheims, tranken Cola-Mischgetränke aus dreckigen Gläsern und hatten endlich einen Ersatz für den bisher gängigen Musik-Moment gefunden: Homer und seine Familie sollten uns zukünftig als Indikatoren dafür dienen, ob der Gegenüber ein weiteres Gespräch verdiene oder nicht. Simpsons-Sympathie, so lautete unsere Gleichung, führt auch zu einer Sympathie für die Person gegenüber: Wer sich in Springfield Zuhause fühlt, kann kein Arsch sein. Diese Erkenntnis traf uns – zugegeben spät - im Jahrhundertsommer 2003.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Der Konsens hat sieben Vornamen (im Uhrzeigersinn): Homer, Marge, Maggie, Santa's Little Helper, Bart, Snowball II und Lisa, Foto: reuters Damals war ein neues Messinstrument nötig geworden, weil der Musik-Moment zunehmend versagt hatte: Idioten trugen Interpol-Shirts, Nationalisten mochten Morrissey und auf der Verbindungs-Party tanzten alle zu den Strokes. Wie konnte da der Musikgeschmack noch als Ausweis für Sympathie dienen. Doch wir hatten ja Homer und die Sympathie-Simpsons. Dachten wir. Im Sommer 2003. Drei Sommer später trinke ich mal wieder ein Cola-Mischgetränk (allerdings aus der Flasche), als mich während des Simpsons-Marathons (am Sonntagnachmittag auf ProSieben) eine Erkenntnis trifft – erneut erstaunlich spät: Diese gelbe Überbiss-Figur, die ich auf dem Weg zur Marine beobachte, ist schlimmer als die große Koalition. Homer und die Simpsons sind zu gelbem Konsens-Quatsch verkommen. Alle mögen sie, aber keiner scheint sie wirklich zu sehen. Denn das, was da am Sonntag als die zehn besten Simpsons-Folgen überhaupt (aus ingesamt 16 Staffeln) gezeigt wurde, bot auch nur das, was man sich bei all den gewöhnlichen Folgen immer wieder denkt: „Och, das ist aber eine schwache Folge.“ Das entspricht ziemlich genau einem anderen Musik-Phänomen, das ich den Robbie-Ruck nennen möchte: Robbie Williams und die Simpsons unterscheiden sich mittlerweile nämlich nur noch in ihrer Hautfarbe. In beiden Fällen sinkt nicht nur die dargebotene Leistung (lahme Folgen, platte Songs), das gesellschaftliche Ansehen steigt gleichzeitig so weit, dass Boulevardzeitungen und Spieleabende gemeinsam begeistert von Kult sprechen. Das wiederum führt dazu, dass sich die Sympathie-Richtung dreht: Die Simpsons zu mögen, ist keine besondere Eigenschaft mehr, die dich von anderen unterscheidet. Bei jedem Party-Gespräch wird mittlerweile als selbstverständlich vorausgesetzt, dass Mr. Burns „so schön böse“ und Homers Erlebnisse im und um das Atomkraftwerk herum „voll lustig“sind. Das wäre ja eigentlich schön: Dass diese eigensinnigen jungen Menschen, die sich sonst mächtig was auf ihre so eigene Meinung einbilden, endlich mal eine Einigung finden. Dass sie ihre notorisch eigene Ansicht zurückstellen, hinter die Option einer Gemeinsamkeit. Doch leider ergeht es dem Club der Nicht-Clubmitglieder mit einem Faible für gelbe Comicfiguren wie jeder Konsens-Bewegung: Ab einem gewissen Punkt wird sie dickflüssig und zäh. Deshalb habe ich mich gestern nach der dritten Simpsons-Folge entschieden, zum Rebell zu werden. Meine Post-Simpsons-Ära beginnt, ich bin über Homer hinweg: Ab sofort werde ich den einzigen Tabu-Bruch begehen, mit dem man euch gelben Konsens-Figuren noch schocken kann. Wenn man mich fragt, ob ich die Simpsons mag, werde ich das Umögliche sagen: Nö! Was Positives über die Simpsons? Das Netz ist voll davon: Die offizielle Webseite TheSimpsons.com. Ein Simpsons-Wiki namens Simpsonspedia. Der Trailer zu "Simpsons - The Movie", der im kommenden Sommer im Kino zu sehen sein soll. Die Webseite von SFC, dem Simpsons-Fan-Club.

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