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Rapper und ihr Lehrer-Komplex
Harte Schale, weicher Kern.
Du kannst nix, aus dir wird nix, mit der Einstellung wird das nie was. Die Vorurteile der Lehrer, mit denen einige von uns in der Schule konfrontiert werden, beschäftigen uns manchmal das ganze Leben. Man braucht sich bloß die Texte aus der Deutschrapszene anzuschauen, dann wird klar: Auch die ganz harten Jungs haben da noch ordentlich dran zu knabbern. Und nichts ist so rührend wie Rapper, die sich noch Jahre später ihren Lehrern beweisen wollen.
Wie zum Beispiel in “Panamera Flow” von Bushido und Shindy. Das Video in edlem schwarzweiß, eine schier endlose Kamerafahrt um den Porsche Panamera herum, beiläufig in die Luft geschnipste goldene Kreditkarten - und in der zweiten Strophe plötzlich Shindy, der “Panamera Tech Art, pechschwarz, Nappaleder/ schöne Grüße an den Hurensohn von Mathelehrer” rappt. Und dabei der Kamera zwei Stinkefinger zeigt wie ein wütender, hochpubertärer Junge aus der Mittelstufe.
Warum tut er das? Shindy ist seit knapp zehn Jahren nicht mehr in der Schule gewesen und hat als Musiker so viel Geld gemacht, dass er sich den Porsche aus dem Video tatsächlich einfach so kaufen könnte. Er ist erfolgreich und ist im Laufe seiner Karrriere vermutlich zahllosen ebenso erfolgreichen Menschen begegnet - und trotzdem hat er das Bedürfnis, in einem Lied mit 19 Millionen Youtube-Clicks seinen früheren Mathelehrer zu beleidigen.
Wenn man sich ein bisschen umhört - und das ganz wörtlich -, dann taucht dieser Gedanke überall im Deutschrap auf. Trotzdem: Kaum etwas ist so rührend, wie Rapper, die sich ihren früheren Lehrern beweisen wollen. Darum geht es nämlich: Zu zeigen, dass man es doch geschafft, dass man alle Erwartungen übertroffen hat und nicht ein Leben lang der pöbelnde Proll aus der letzten Reihe bleibt. Shindy ist da schon ein wirklich super Beispiel: “Alle meine Lehrer meinten, geh' und mach 'ne Maler-Lehre/ Jetzt verdien' ich so viel Geld, als ob ich deren Zahnarzt wäre”, heißt es zum Beispiel in “FVCKB!TCHE$GETMONEY”.
Schlagfertig? Niedlich!
Eko Fresh balanciert in “GD 4 Life” elegant zwischen Beleidigung und Prahlerei: “Damals hielten Lehrer mich für einen hoffnungslosen Fall/ Heute könnt ich ihre Tochter nur in Jogginghose knallen”. Und Kollegah, der Boss, garniert das Facebookfoto, das ihn diesen März mit zwei gewonnenen Echos zeigt, mit “Damals dachten Lehrer, dass ich als Dealer im Bezirk ende/ Heut sehn sie: man verleiht mir Echos wie Gebirgswände.”Sowas ist natürlich mal mehr, mal weniger schlagfertig. Und ziemlich oft: ungewollt niedlich. Etwa, wenn Kay One eine Frau Meier grüßt und meint, ihr erzählen zu müssen, wie er nach dem Ausschlafen täglich sein Geld zählt. Das wirkt dann fast so, als würde er mit fisteliger Stimme “Guck mal, ich bin doch nicht so blöd!” rufen. Das zeigt, wie viel Einfluss Lehrer ein Leben lang auf unser Selbstbild haben. Wie sehr es jeden von uns trifft, wenn man in der achten Klasse vor allen anderen bloßgestellt wird, weil man mit 13 immer noch nicht schriftlich dividieren kann. Da ist es dann egal, ob man später Gangsterrapper oder Bankangestellter wird. Völlig irrelevant auch, worum es tatsächlich gegangen ist - das Gefühl, das sich bei einer Demütigung durch einen Lehrer einstellt, brennt sich tief in die zarte Teenagerseele und wird nie, niemals vergessen. Wenn Rapper also über ihre Lehrer singen, dann ist das auf eine merkwürdige Art irgendwie sehr beruhigend.
Denn: Wenn nicht einmal zwei Echos oder ein Porsche Panamera ausreichen, um die Komplexe aus der Kindheit auszulöschen, dann brauchen wir uns keine Gedanken machen, wenn wir selbst auch ab und zu an böse Lehrerworte zurückdenken.
Text: kristin-hoeller - dpa, ap, screenshot youtube