Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Mehr Chauvinismus, Mädels!

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Und dann: Bumm! Plötzlich mal wieder ein bisschen Sexismus, der dadurch noch etwas schöner wurde, dass er so gar nicht zum Rahmen passen wollte: Eine Kneipe in dem Fall, die für Münchner Verhältnisse relativ ungeputzt war – der Boden an manchen Stellen ein bisschen klebrig, das Schnitzel etwas zu fettig und die Gespräche am Tisch nach ein paar Gläsern eben auch. Thema: Job und Vorteile durch gutes Aussehen und angenommene Promiskuität.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mehr davon!

Und zwar, und hier wird es nun interessant, als Vorwurf an einen Mann. Nennen wir ihn Thorsten. Thorsten macht irgendwas im Controlling, und hat darin gerade einen beachtlichen Karriereschritt hinbekommen. Der Vorwurf lautete nun: Fällt ihm alles ja nur zu, weil er jetzt der „Lustsklave“ der Abteilungsleiterin sei. Der Flurfunk sage das jedenfalls. Erzählte eine Frau. Und die Runde lachte. Und Thorsten saß mit am Tisch und lachte auch. Vielleicht nicht ganz so druckvoll kehlig wie sonst, aber dafür, dass man ihm sinngemäß gerade gesagt hat: „Du kannst nix, außer eine glaubwürdige Straight-out-of-bed-Frisur herumtragen und die Chefin beglücken – du Tropf“, schon ordentlich. Zu Recht auch. Wenn man den auf sehr adrette Art schluffigen Thorsten kennt und seine neue Chefin, die in ihrem ganzen Habitus eine gewisse Reitgertigkeit transportiert, dann ist das Bild ja auch ein bisschen witzig.

Thorsten hob irgendwann trotzdem den Finger, schnippte pennälerhaft-nervig, und stellte dann, leicht näselnd, die Frage: „Und warum dürft ihr das jetzt einfach so?!“ Mit „ihr“ meinte er die anwesenden Frauen. Und mit „das“ den Sexismus, der in dem zotigen Witz ja durchaus mitschwingt. Weil, immer noch Thorsten, wenn er die Geschlechter jetzt mal wieder tausche, einer Kollegin also vorwerfe, einen begehrten Job nur bekommen zu haben, damit sie beim Chef ab und an unter den Tisch krabbelt: Himmel, das zöge ja unweigerlich Morden und Brandschatzen nach sich.

Und man muss sagen: Er macht damit schon einen Punkt, der Thorsten! Klischees werden durch ihre Umkehrung ja weder wahrer noch lustiger noch reflektierter noch richtiger. Und wer nicht will, dass durch dumpfe Zündeleien ein sozialer Unterschied zwischen den Geschlechtern aufgemacht oder zementiert wird, der darf sie eben auch nicht in die andere Richtung bemühen. Richtig?

Schon richtig. Aber in die falsche Richtung. Gleichberechtigung zu krakeelen und damit gleiche Freiheit von blöden Scherzen zu meinen, das ist wie Kommunismus zu skandieren und damit Armut auf gleichem Niveau zu fordern: inhaltlich möglich, aber geil ist halt anders.

Haut rein, Mädels. Oft, hart und unnachgiebig. Je härter ihr zuhaut, desto schneller kommt das Pendel ins Lot.

Dann lieber alle gleich reich. Und alle ausgestattet mit demselben Recht, verarscht zu werden. Emanzipation ist erst, wenn bei jedem dieselben Tiefschläge möglich sind. Wenigstens theoretisch. Über die Ästhetik von tumbem Humor kann man ja dann noch diskutieren. Vorher: Dauerfeuer bitte. Wenn sich nämlich endlich alle Geschlechter mit derselben Wonne auf allen Niveauebenen mit klugen und dummen und verqueren und direkten Kalauern gegenseitig und mit Wonne in die Fresse hauen, kommt der Spaß an der Gender-Satire irgendwann aus der Schmuddelecke. Für alle.

Erst dann lässt sich erkennen, dass es beim aufgeklärten Witz über Reitgertenfrauen und Zigarrenmänner eben gerade nicht um Geschlechterrollen geht – sondern um Machtpositionen. Dass der Ekel vorm Herrenwitz nichts mit dem Herren an sich zu tun hat, sondern mit der überlegenen Position, aus der der Witz fallengelassen wird.

Lässt sich auch weiterdenken: Je mehr Bilder und Videos mit Charlie Hunnams Hintern sich Frauen hin- und herschicken, desto schneller verschieben sich auch da die Machtpositionen. Desto klarer wird, dass man sich nackte Menschen im Netz anschauen kann, ohne sie zu Objekten zu degradieren. Einfach, weil es schön ist. Oder, vielleicht sogar noch besser: dass das mit dem zum Objekt werden gar nicht so schlimm ist, wenn alle mal Objekt sind.

Also: Viel mehr Sexismus von Frauenseite, bitte! Die Witze-Waage ist schließlich schwer im Ungleichgewicht. Historisch. Es gab bislang schlicht viel zu wenige Chefinnen, die man in sexistische Witze hätte einweben können. Natürlich gibt es immer noch zu wenige. Und zu wenige Hunnam-Hintern-Tumblr auch. Aber die paar, die da sind, die gilt es zu nutzen. Mehr werden kommen! Haut also rein, Mädels. Oft, hart und unnachgiebig. Je härter ihr zuhaut, desto schneller kommt das Pendel ins Lot. Und dann dürfen wir endlich auch wieder.


Text: jakob-biazza - Illustration: katharina-bitzl

  • teilen
  • schließen