- • Startseite
- • MeineTheorie
-
•
Keine Macht dem Mitbringsel!
In den Markthallen von Teheran schieben Menschen mit roten Köpfen ihre verschwitzten Gliedmaßen aneinander vorbei. Curry links, Curry rechts, dazwischen ein paar hässliche Haarspangen und gefälschte Markenpullis. Nicht die überzeugendste Auswahl. Aber ich. Muss. Mitbringsel. Kaufen!
Früher war das einfach: Ein paar Muscheln oder Steine am Strand für die beste Freundin gesammelt, schon hatte ich ein nettes Andenken parat. Heute ein paar moosige Steine als Präsent zu überreichen, käme mir mindestens etwas esoterisch vor. Mitbringsel unter Erwachsenen müssen mehr können. Und deshalb fängt der Stress meist gleich am ersten Urlaubstag an. Schon kurz nachdem ich aus dem Flugzeug gestolpert bin und zum Wachwerden auf den nächsten Wochenmarkt gehe, rattert es los: „Oh, wäre diese Mütze hier nicht was für Frank?“ - „Und würde sich Christoph wohl über diesen Alpaca-Pullover freuen?“ - „Kann Franz nicht so einen gehäkelten Beutel gebrauchen?“
Ich nehme das Mitbringsel-Geschäft ernst. Bitterernst. So ernst, dass ich nicht nur sofort nach Ankunft im Reiseland mit der Suche danach anfange - sondern es mich manchmal wochenlang runterzieht. Buchstäblich, übrigens: Einmal schleppte ich einen Monat lang ein Kilo Morrocho-Samen im Rucksack durch Kolumbien, weil ich gleich am ersten Reisetag glaubte, das perfekte Schnäppchen gemacht zu haben. Am Ende verstaubten die Samen in der WG-Küche.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
"Oh, wie schön, ein Kühlschrankmagnet!" - Typische Ferienlüge. Hören wir also auf mit dem ewigen Mitbringen!
Das Mitbringsel-Geschäft ist ein undankbares. Und es hat das Potenzial, jeden Urlaub zu vermiesen. Die Suche nach Mitbringseln nimmt den lang ersehnten Ferien schnell die Leichtigkeit, für die man doch vorher monatelang als Hiwi am Lehrstuhl oder als Kellnerin in der Kneipe geschuftet hat. Von der ersten Reiseminute an unterbewusst nach ausgefallenen kleinen Geschenken für die sieben besten Freunde zu schauen, bereichert einen Urlaub nämlich ungefähr so, als würde man im Kopf noch seine Steuererklärung machen.
Statt sich treiben zu lassen, plant man extra Städtebesuche und Marktspaziergänge. Man spart sich frisch gepresste Säfte vom Mund ab, weil man ja noch Geld für die Töpfervasen braucht, die bestimmt super auf Luisas Fensterbrett aussehen. Und statt faul und gedankenlos am Meer zu sitzen, macht man sich Sorgen darüber, wie die verdammten Töpfervasen eigentlich unbeschadet die Reise überstehen sollen. Wer kann so etwas allen Ernstes von seinen Freunden verlangen?
Urlaub ist Urlaub, und Pflicht ist Pflicht. Wer beides vermischt, macht etwas grundsätzlich falsch. Also Schluss damit!
Trotzdem gibt es da scheinbar dieses ungeschriebene Gesetz: Wer guten Freunden und Familie nicht zumindest ein kleines Stückchen Urlaub mitbringt, ist herzlos, egozentrisch und hat den Urlaub selbst gar nicht verdient. Und so sucht und kauft und sammelt man, um dann am Flughafen wegen Übergewicht doch die Hälfte dazulassen und noch ein Bündel Freundschaftsbänder in die letzten Ecken des Rucksacks zu stopfen. Die es daheim natürlich längst in jedem Afro-Shop zu kaufen gibt, wo sie aber natürlich auch keiner kauft, weil: Wer würde schon Geld für Freundschaftsbänder ausgeben, wenn er nicht gerade verzweifelt am Flughafen von Medellin steht und noch Mitbringsel braucht?
Schon klar: das schlechte Gewissen liegt nah, wenn man sich in Südamerika eine schöne Zeit macht, während die anderen daheim mit dem Blick auf Topfpflanzen vor den Bildschirmen schmoren. Aber muss ich deshalb krampfhaft die Eindrücke meiner Reise zu teilen versuchen, indem ich nutzlosen Kram mitbringe?
Nein, und deshalb kommt hier die Forderung: Hören wir endlich auf mit dem Unsinn. Urlaub ist Urlaub, und Pflicht ist Pflicht. Wer das eine mit dem anderen vermischt, nur weil die Freunde daheim gerade keinen Urlaub haben, macht etwas falsch. Und übrigens sollte auch niemand mehr seine reisenden Freunde um Mitbringsel bitten! Zumal man den Kram, den man dann bekommt, ja auch fast nie brauchen kann. Der rumänische Honig, der seit sechs Jahren bei meinen Eltern im Küchenschrank steht, sei mein Zeuge.
Text: pia-rauschenberger - Foto: Cydonna/Photocase.de