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Ich bin ein Business-Student! Wie die Hochschulreform das Studieren verändert hat

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Erst neulich sagte jemand zu mir, ich sei ein typischer Student. Ich würde mich eher als Business-Studentin bezeichnen, als das Produkt von Bologna, Studiengebühren und der Reform der Reform. Als zum Sommersemester 2007 die Studiengebühren eingeführt wurden, freute ich mich zwar nicht gerade darüber. Allerdings vertröstete ich mich mit dem Argument, dass ich dafür auch unter besseren Bedingungen studieren könne, also genügend Seminarplätze, ausreichendes Lehrangebot, guter Service. Ich studiere Geschichte und Theater- und Medienwissenschaft. Das sind Fächer, die nicht gerade viele Kosten verursachen – im Gegensatz zu Medizin oder Bioinformatik. Mit dem Geld würde man, so dachte ich mir, bestimmt einiges anfangen können. Wohl getäuscht. Eigentlich fehlt es an allen Ecken. Schon während meiner Einschreibung vor den Studiengebühren stellte ich mit Entsetzen fest, dass ein wichtiges Dokument, wie unser Studentenausweis aus Papier ist und zum selbstausschneiden. Diese wurden den Studierenden per Post ausgehändigt. Das Papier ist geblieben, nur die Zusendung wurde gestrichen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Papiere, die man sich selbst Ausdrucken muss, sind nun nicht unbedingt ein Totschlag-Argument gegen Studiengebühren. Tatsächlich hat sich auch manches verbessert: Die Öffnungszeiten der Universitätsbibliothek wurden verlängert, neue Computer und Bücher wurden angeschafft. Nur weiß ich bis heute nicht, wo diese stehen. Erst im letzten Semester habe ich eine Woche lang in allen möglichen Haupt- und Zweigbibliotheken nach einem Plutarch-Werk gesucht. Das ist Pflichtlektüre für ein Geschichts-Seminar. Schließlich entschuldigte sich der Dozent für die Unannehmlichkeiten: Er wisse auch nicht, warum so ein grundlegendes Werk fehlt. Ich war also gezwungen in dem in wissenschaftlichen Kreisen verpönten Internet fündig zu werden. Auch ich hätte lieber in einer altehrwürdigen Bibliothek nach Plutarch gesucht. Meine Freundin Janina hat mehr Glück. Sie studiert BWL an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg (früher sagte man dazu noch „Fachhochschule“). Studenten von Fachhochschulen zahlen zwischen 300 und 500 Euro, Janina zahlt die vollen 500 Euro. Dafür gibt es jetzt: elektronische Tafeln, einen Aufzug, zig Computerräume und sogar Ledersessel. Nun kann man sich die Frage stellen, wozu eine Hochschule Ledersessel benötigt. Und dann könnte man auf die Antwort kommen: Diese Schule weiß vielleicht nicht mehr, wohin mit ihrem Geld. Mit dem Geld, für das wir alle uns in „Business-Studenten“ verwandeln mussten. Denn im Schnitt kommen 1800 Stunden Arbeit im Jahr bei einem effizienten Studium zusammen. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Erwerbstätigkeit liegt in Deutschland bei 1360 Stunden bei Vollzeitbeschäftigungen, im Dienstleistungsgewerbe bei 1750 Stunden. Dazu kommen aber noch Nebenjobs – und vor allem Praktika: Denn mit den jungen Hochschulabschlüssen Bachelor und Master hat sich auch der Leistungsdruck erhöht. Absolventen sollen zwar jung sein, gleichzeitig aber jede Menge Praxiserfahrung mitbringen. Das ist schwer zu leistender Spagat – einerseits sollen wir lernen, alles kritisch zu hinterfragen. Andererseits unser Studium in kürzester Zeit absolvieren. Und um ein gutes Praktikum zu bekommen, müssen die Noten perfekt sein. Studieren ist zu einer Knochenarbeit geworden – nach bloß eineinhalb Jahren Umstrukturierung. Im letzten Wintersemester rannte ich jeden Montag zehn Minuten vor Vorlesungsbeginn von der Werbeagentur, in der ich seit meinem Studienbeginn arbeite, in den Hörsaal. Im Grunde genommen rannte ich die ganze Woche von A nach B. Montags erreichte der Stresspegel immer die Obergrenze. Ich schaffte es trotz allem schon in der ersten Sitzung pünktlich zu erscheinen und freute mich über mein Organisationstalent. Einen Schock bekam ich trotzdem, als ich den Saal betrat. Er ist für 300 Hörer konzipiert. Ich begnügte mich mit einem Sitzplatz unter dem Fenster auf dem Boden, gleich neben dem Papierkorb. Ich fragte dann eine Kommillitonin, die einen Sitzplatz hatte, um wie viel Uhr man denn kommen müsse, um einen in den Genuss eines solchen Luxus’ zu kommen. Sie sagte, sie sei selbst vor ein paar Minuten gekommen. Sie habe jedoch einen Platzpartner. „Wie, du hast keinen Platzpartner?“- fragte sie mich völlig erstaunt. Platzpartner kommen abwechselnd eine Stunde vor Vorlesungsbeginn in den Hörsaal und reservieren zwei Plätze. Mit den Studiengebühren ist Bildung zu einer Dienstleistung geworden. Bloß kann ich darin kaum Vorteile erkennen: Ich studiere weder für Noten noch für einen Personalsachbearbeiter. Ich wollte studieren, um zu denken. Jetzt bin ich ein Business-Student geworden. Ich kann mich mit diesem Dasein anfreunden. Wahrscheinlich dauert es einfach noch ein bisschen, bis die Reform auch ihre positiven Aspekte entfaltet. Doch für diesen Preis, möchte ich als Gegenleistung Zeit erhalten. Zeit, um in einer Bibliothek mit tausenden von Büchern recherchieren zu können, Zeit, mir kritische Gedanken machen zu können und vor allem Zeit für diesen Lebensabschnitt – so wie sie Generationen vor uns hatten.

Text: sandra-panzner - Bild: photocase/luxuz

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