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Faulheit essen Sex auf
Diese Woche gab mal eine ganz neue Erkenntnis zu Beziehungen: Je länger sie dauern, desto tiefer sinkt das Bedürfnis nach Bettspaß, haben Forscher aus Hamburg fest gestellt. Natürlich nur beim weiblichen Anteil, Männer wollen auch nach Jahrzehnten gerne mit ihren Freundinnen schlafen. Die winken dagegen dankend ab und verlangen lediglich mehr Kuschelzeit. Die Erklärung der zuständigen Wissenschaftler für diesen bedauernswerten Zustand ist so einfach wie platt. Männer, heißt es, hätten Angst, dass ihre Frauen fremd gehen könnten. Das versuchten sie durch fortgesetzte Beischlafaktivität zu verhindern. Frauen hätten Sex von Anfang an nur aus funktionalen Gründen, nämlich um den Partner an sich zu binden. Sobald ihnen das gelungen ist, sinke die Libido rasant runter – auf lauwarme Schmusetemperatur.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Bisschen zu einfach: Er will immer, sie will nimmer. Die Unvereinbarkeit von Frauen, Männern und deren jeweiligen Ansprüchen ist ein Lieblingsthema von Frauenzeitschriften, Männerforen und Anthropologen. Und sie gehört zu den großen, nervigen Mythen, die mittlerweile Bestandteil des allgemeinen Evangeliums zwischengeschlechtlicher Beziehungen geworden sind. Kein Wunder, es ist ja auch recht einfach, sexuelle Unzufriedenheit in einer Beziehung auf eine angeblich naturgegebene Bedürfnisdifferenz abzuschieben. Ich finde bei der Annahme, Sex sei für Frauen einfach mal nicht so wichtig wie für Männer, handelt es sich um eines der größten – und, romantisch gesehen, tragischsten – Missverständnisse überhaupt. Denn Sex bedeutet beiden Geschlechtern grundsätzlich gleich viel. Frauen mögen Orgasmen auf regelmäßiger Basis auch ziemlich gerne. Und noch lieber mögen sie es, wenn sie die mit jemandem bekommen, für den sie Liebe empfinden. Ein wirklich guter Liebhaber bindet ein Mädchenherz mit Sicherheit wesentlich enger als der standhafteste Kuschelbär. Insofern sind eigentlich die natürlichen Voraussetzungen für dauerhaftes Sexglück in einer langen Partnerschaft ideal. Das Problem liegt woanders. Faulheit wird bestraft Mädchen verlieren vor allem das sexuelle Interesse, wenn Nachlässigkeit ins Spiel kommt. Das hat nichts damit zu tun, dass sie einmal im Monat Blumen geschenkt bekommen oder romantische Überraschungstrips brauchen, um knutschwillig zu werden. Wie das bei Sex nun ist, geht es hier um die Körperlichkeit. Nichts stellt der Mädchenlust so sehr ein Bein wie Unaufmerksamkeit. Und die schleicht sich leider immer wieder gerne zwischen zwei Leute, die sich sehr vertraut sind. Von außen sieht sie nach ansetzender Wampe unterm T-Shirt und komischen Rasiergewohnheiten aus. Wenn es jemandem, den man ganz lange am liebsten nackt hatte auf einmal egal ist, wie er sich dabei anfühlt oder aussieht, ist das zugleich eine Form von Gleichgültigkeit gegenüber dem Partner. Und die ist – bei aller Zuneigung – alles andere als erotisch. Natürlich ist körperliche Faulheit kein rein männliches Phänomen. Ich glaube aber, dass sich an der Reaktion darauf der tatsächliche Geschlechterunterschied der sexuellen Wahrnehmungsapparate zeigt: Jungs sind besser darin, Begehren für einen Körper aufrecht zu erhalten, der ihnen zu Verfügung steht, ohne sich zu sehr um eine Drumherum zu scheren. Mädchen dagegen verlieren nicht einfach die Lust. Sie neigen eher dazu, sich zu überlegen, was ihnen fehlt und ganz oft ist das nur dieses klitzekleine Stück Aufmerksamkeit – das aber für den Sex den entscheidenden Unterschied macht. Wenn zu diesen Überlegungen noch ein bisschen Abenteuerlust kommt, dann ist es auch nicht mehr weit bis zum nächsten Jungen. Weil da, wenigstens eine Zeit lang, das mit der Aufmerksamkeit wieder besser klappt. Und nicht weil das Kuscheln schöner ist. Foto: SZ-Archiv