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Du hast doch 'ne Masche!

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Gestern war es frühlingshaft. Das heißt, Zeit für Dinge, die man tut, obwohl sie eigentlich noch Gänsehaut machen: Eis essen, Radfahren und dünne Strumpfhosen anziehen.  Hab ich auch alles gemacht, fast alles auf einmal. Nur ein Hindernis der Frühlingshaftigkeit: die Feinstrumpfhose.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Einen Dutt kannst du bestimmt auch nicht anständig binden!

Wie das so ist mit dünnen Strumpfhosen. Lebensdauer einer Halbtagsfliege. Vom Rad steigen, ein Mal kratzen und es ist dahin, das perfekte Nylonbein. So auch gestern. Ich stieg vom Rad, blieb an den Pedalen hängen, zack, Laufmasche. Nicht so schlimm, dachte ich. Bis ich andere Menschen traf. Die schauten mir gezielt aufs Bein und riefen dann sehr laut: „DU HAST DA EINE LAUFMASCHE!“ Oder sie schauten zu lange hin, dann wieder weg. Und flüsterten irgendwann konspirativ-errötend: „Ähm, Sina. Also ... Du hast da 'ne Laufmasche.“ Und jedes Mal sagte ich: „Oh! Danke.“ und dachte: „JA, UND?!“

Eigentlich passiert in meinem Kopf immer das gleiche, wenn mich jemand auf eine Laufmasche anspricht. Es brodelt ein kleiner Vulkan. Aber weil es sich im Lift so ungemütlich standpaukt, mache ich das stattdessen jetzt und hier.

Was auch immer in der Welt passieren muss, tief Einatmen, Plakatwerbung, Laufmaschenbotschafter, einen Energiekreis bilden und an den Händen halten, lasst es uns doch endlich sagen: Laufmaschen sind nicht schlimm. Denn ist die Laufmasche erstmal in der Strumpfhose, bleibt sie auch da. Daran ändert auch der Hinweis nichts. Der gute Ratschlag unterscheidet sich vom gut gemeinten dadurch, dass man ihn auch umsetzen kann. Also: Thema verfehlt.

Denn was soll danach passieren? Soll ich mir den Nylon vom Leib reißen? Die Strumpfhose weiter durchlöchern und sagen, trägt man jetzt so? Zum nächsten Drogeriemarkt fahren und mich schnell auf dem Klo umziehen, ein Bein in der Luft? Damit misst man ein paar aufgeplatzten Fasern am Bein weit mehr Bedeutung zu, als ihnen gebührt. Mehr noch. Man begibt sich argumentativ auf direktem Weg zurück in die Fünfzigerjahre. So etwa:

XY vom Laufmaschen-Ordnungsamt: Fräulein Pousset, DU HAST DA EINE LAUFMASCHE!   

S mit Laufmasche: Herrgott! Das hätte ich fast übersehen!  

XY: Kein Problem, ich kenne das.  

S: Gut, dass ich immer ein paar Wolford-Ersatznylons in der Schreibtischschublade habe – wenn das der Herr Helten sehen würde! Oder das Fräulein Hollmer erst! Die sagt mir sowieso schon die ganze Zeit, ich wisse nicht, wie man sich einen anständigen Dutt macht.

XY: Ist mir auch schon aufgefallen. Kannst du denn wenigstens Pökeln oder in Aspik einlegen?

S: Nee, auch nicht!  

XY: Mei, mei. Dann versuch doch wenigstens, so auszusehen!

Ihr versteht?  

Unperfekt ist an sich offenbar in Ordnung. Es sei denn, man trägt Nylons.

Aber ich bin eben keine elegante Fünfzigerjahre-Frau. Meine Oma sagt mir ständig, dass ich mich mal wieder Kämmen soll, ich habe irgendwo immer einen Fleck und weiß prinzipiell nie, wie man mit Rock aufs Rad steigt, ohne dass jemand die Unterhose sieht. Und manchmal stehe ich auf und gehe genau so zum Bäcker, wie ich eben gerade aufgestanden bin. Und während ich so durchs Leben gehe, befleckt und unfrisiert, ernte ich erstaunlich selten Kritik. Unperfekt ist an sich also in Ordnung. Es sei denn, man trägt Nylons. Wenn mir jetzt also einer mit der Masche kommt, ist das für mich das letzte Relikt eines veralteten Perfektionsdenkens.

Was stattdessen zum Beispiel hilfreich wäre: Nicht die Laufmasche, sondern lieber den Spinatrest am Zahn ansprechen. Das Klopapier am Fuß. Oder den offenen Hosenstall. Spinat kann man sich nämlich schnell vom Zahn wischen, Klopapier von der Schuhsohle zupfen und Hosenställe mit einem dezenten Ruck wieder schließen. Seltsamerweise machen wir aber gerade auf die Dinge ungern aufmerksam, die sich am leichtesten beseitigen lassen. Erschließt sich mir nicht.

So, und mit dem Ende dieses Textes ist jetzt wirklich das Maximum an Zeit, das alle überall in ihrem Leben noch mit diesem Thema verbracht haben sollten, erreicht. Denn wer 'ne Masche hat, hat noch lange keine Macke. Könnt ihr ruhig auf T-Shirts drucken, will ich kein Geld für.

Text: sina-pousset - Foto: jodofe/photocase.de

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