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Die Flying Gags
Neulich: Ein Roadtrip-Wochenende mit den alten Jungs, endlich mal wieder! Schafft man ja viel zu selten. Wir sind grade alle gelandet und noch im Abtastmodus – lange nicht gesehen, wie geht´s denn? – da sagt der Mietwagenmann bei der Abholung des Mietwagens echt: "Der ist wie neu, und hier, die kleine Macke, naja..." Kurze Pause. Spannung. Dann: "...ist ja nur ein Kratzer."
Yes! Großes Gelächter, Freude, Highfive! Wie auf ein geheimes Kommando flippen wir alle aus. Bis auf den Mietwagenmann, der uns anschaut, als überdenke er noch einmal die Entscheidung, uns ein Auto anzuvertrauen. Aber hey! in "Die Ritter der Kokosnuss"? Als der schwarze Ritter mit abgeschlagenen Armen und Beinen behauptet, das wäre "nur ein Kratzer"? Aber, noch besser: Dass einer von uns sich mal beim Fußball das Kreuzband riss, und im Krankenhaus mit schmerzverzerrten Gesicht zum Arzt sagte – na ihr wisst schon! Wahnsinn!
Der Mietwagenmann kann es nicht wissen, aber wir – wir fühlen es umso mehr. Die Monate und Kilometer Distanz, die uns eben noch trennten, fliegen hinfort übers Autodach. Wir sind wieder so gut zusammen, wie wir es in unseren besten Zeiten waren. Wir sind wieder wir.
Als wir uns beruhigt haben und endlich im Wagen sitzen, frage ich mich: Was sind das für Zaubersprüche, die weghexen, was immer sich zwischen Freunde geschoben hat? Dieses komische Gefühl, das eben ums Auto herum herrschte. Der Widerspruch, die anderen super zu kennen, aber trotzdem zu fremdeln, weil es eben länger her ist. Diese kleine Distanz, die sich unter Freunden riesig anfühlt. Wie ein Mini-Stück Essen zwischen den Zähnen, das stört, weil es von der sensiblen Zunge vielfach vergrößert wird. Warum funktioniert "Nur ein Kratzer!" für uns so sicher wie ein Tor für Fußballfans?
Erlahmten Freundschaften Flügel verleihen
Ähnlich des „Running Gags“ kehren manche untoten Ureinwohner unserer gemeinsamen Erinnerungslandschaft immer wieder. Sind nicht kaputt zu kriegen von ausbleibenden Telefonaten, Auslandssemestern, neuen Freundschaften. Und beamen uns aus jeglichem Kontext und über jeden Sinn, der eigentlich gerade angesagt war. Man könnte diese Peergroup-Parolen deswegen "Flying Gags" nennen. Weil sie über alles drüber fliegen. Und weil sie, anders als der ermüdende Running Gag, der niemanden aufbaut, der nur für den schnellen Witz gemacht wird, auch erlahmten Freundschaften wieder Flügel verleihen.Eben beriet man über den nervigen Chef, die eifersüchtige Freundin, die Geburt des ersten Kindes. Und schwups, ein falscher – oder eher sehr richtiger – Satz, und man albert sich durch den siebten Freundschaftshimmel. Solche Trigger können Film-Zitate ("Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden!"), Witze-Klassiker („Hurzzz!") oder Signalwörter wirklich erlebter Situationen sein. Es reicht ein einziges Stichwort, um unsere Freundschaftsfreude hervorzulocken wie einen hungrigen Hund, der sich auf einen Knochen stürzt. Deswegen sind manche Begriffe für immer magisch.
"Keine Sorge, es ist ein Hovercraft-Rad!"
Nie wieder wird einer von uns „Hovercraft“ sagen können, ohne dass die anderen reflexhaft krähen: „Keine Sorge!“ Weil einmal ein Spezialist sein Fahrrad in den Fluss steuerte und rief: "Keine Sorge, es ist ein Hovercraft-Rad!" Weswegen uns die Begriffe "Hovercraft", "keine Sorge" oder allein schon die Kombination von "Fluss" und "Fahrrad" auf ewig zu besten Freunden machen. So wie alle mit einer Geschichte aufgeladenen Bonmots eines zeitweise geteilten Leben. Hauptsache wir spielen die Hauptrolle und es war groß. Größer als wir.Klar, menschliche Beziehungen leben von sprachlichen Codes, vom Vokabular, vom Bruder- und Schwesterwitz. Aber nichts funktioniert so verlässlich wie der Flying Gag. Wenn Liebe durch den Magen geht, geht Freundschaft durch den Lachmuskel. Und der ist stark. Dass man sich viel zu selten trifft? Nicht mehr die gleichen Filme sieht, nicht mehr die gleiche Partei wählt, sich manchmal fast fremd wird vor lauter Erwachsenwerden? Nur ein Kratzer.
Text: friedemann-karig - Illustration: Daniela Rudolf
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