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Deutsche unerwünscht

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Ich stand in meiner Küche und knetete rohes Hackfleisch. Oskar, mein schwedischer Mitbewohner, zeigte mir, wie man Köttbullar macht. Er rührte in Töpfen und erklärte mir die Vorzüge von schwedischem Glühwein. Am Tisch saß Julie, unsere französische Mitbewohnerin, und trank ein Bier, das sie "Ohgustina" nennt. Zwischendurch reichte sie uns Scheibchen von irgendeiner sehr teuren Wurst, die man ihr zu Weihnachten aus Frankreich geschickt hatte.

Ich kaute auf der Wurst herum, rollte Hackfleisch zu einem Köttbullar, hörte Julies französische Musik und merkte mal wieder, warum meine WG die beste ist, die ich kenne: Es fühlt sich immer ein bisschen an, als wäre ich im Urlaub.

Seit ein paar Jahren wohne ich nur mit Ausländern zusammen, nicht aus Zufall, sondern aus Überzeugung. Gerade suchen wir einen neuen Mitbewohner. Wenn man auf Zimmerportalen guckt, findet man Jungs-WGs, die suchen nur nach Jungs, oder Juristinnen, die nur Nichtraucher wollen. Wir haben auch ein Kriterium: Er oder sie sollte kein Deutscher sein.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Am Frühstückstisch der einzige Deutsche sein zu wollen - ist das schon rassistisch?

Als ich das gestern ein paar Kollegen erzählte, fanden sie das "hirnrissig". Einer benutzte gar das Wort "rassistisch". Deshalb kommt hier jetzt ein Plädoyer. Keines gegen deutsche Mitbewohner, sondern eines für ausländische.

Wir laden nämlich schon auch Deutsche zur Besichtigung ein. Nur mögen wir die halt fast nie. Vor ein paar Tagen kam Michael aus Hannover, Masterstudent, 26. Noch bevor er das freie WG-Zimmer gesehen hatte, guckte er auf meine Füße und fragte mit gekräuselten Lippen: "Ihr, äh, lasst eure Straßenschuhe also in der Wohnung an?"

Das ist jetzt gemein und ich wünschte, es wäre anders, aber: Von den sieben Deutschen, die wir inzwischen zur Besichtigung eingeladen haben, fragten drei in den ersten Minuten nach Putzplan oder morgendlicher Duschreihenfolge. Zwei waren skeptisch, ob die Bio-Heizung, die der Vermieter in unserer Wohnung installiert hat, denn auch wirklich stark genug für den Altbau sei? Der Rest wollte wissen, ob hinter dem Bauzaun auf der anderen Straßenseite denn wirklich gar kein Baggerlärm entstünde? Auch nicht morgens?

Würde ein Deutscher in Rom nach dem Putzplan fragen?

Nennt mich unfair, nennt mich einen miesen Statistiker, aber diese Beispiele bestätigen genau das Urteil, das ich schon vor Jahren gefällt habe. Deutsche sind im Schnitt die pedantischeren, die unzufriedeneren, die unentspannteren Mitbewohner. Dabei glaube ich gar nicht an das Klischee vom Deutschen als Regelfreund und Langweiler, auf dem ja niemand so gerne herumbeißt wie wir Deutschen selbst. Ich glaube aber, es stimmt ex negativo: Wer im Ausland ist, für zwei Semester oder eine Doktorarbeit, wer die Sprache nicht kann und eine Wohnung sucht, ist ein bisschen euphorischer. Und deshalb angenehmer. Ich bin auch sicher, dass Michael aus Hannover nicht als erstes nach der Hausschuh-Policy fragt, wenn er ein Zimmer in Rom besichtigt. Und umgekehrt, wenn Oskar in seiner Heimat Stockholm eine Wohnung sucht, achtet er vermutlich auch mehr auf Heizkosten und Baustellen im Umkreis.

Und ich? Ich finde Menschen aus anderen Ländern einfach spannender. Weil ich die Welt außerhalb von Deutschland spannender finde als die Welt innerhalb von Deutschland. Ich weiß, dahinter verbirgt sich letztlich die Sehnsucht des Angestellten, der gerne mehr reisen würde, aber zu feige und luxuskorrumpiert ist, seinen Job zu kündigen. Für mich ist das Zusammenwohnen mit Ausländern eben ein gutes Substitut dafür. Na und?

Was jetzt kommt, klingt wie eine Phrase, aber es stimmt halt: Man lernt die eigene Stadt anders kennen, wenn man mit Menschen Zeit verbringt, die sie noch nicht kennen. Ich wohne sechs Jahre in München, habe aber im letzten halben Jahr dank meiner Mitbewohner und ihrer Freunde mehr neue Restaurants und Bars entdeckt als in den zwei Jahren davor. Ich wusste weder, dass München eine grandiose Stadt zum Schlittenfahren ist, noch, dass es in Bayern sowas wie "Ferienstraßen" gibt, über die man mit dem Mietwagen in Ecken von Deutschland kommt, die so aussehen, als hätte Walt Disney sie eins zu eins für die Kulissen von Cinderella abgepaust.

Ja, ja, ich weiß - jeder Satz hier ist ein Beleg meiner selbstverschuldeten Blindheit und Beschränktheit, natürlich könnte mir auch ein netter Nürnberger Seiten an meiner Stadt zeigen, die ich nicht kenne. Natürlich haben wir auch einem halben Dutzend strunzlangweiliger Engländer, Franzosen und Italiener nach der WG-Besichtigung abgesagt. Und es gibt selbstverständlich genug Deutsche, die keine Putzpläne brauchen, um sich in einer WG wohlzufühlen. Aber: Es dauert viermal länger, so einen zu finden, als einen interessanten ausländischen Mitbewohner. Denn, und vielleicht ist das der Kern meiner Argumentation, der meinen Kollegen so sauer aufstößt: Ich glaube, dass jemand, der seine gewohnte Umgebung verlässt, um woanders sein Glück zu versuchen, neugieriger ist und tendenziell interessantere Geschichten erzählen kann als jemand, der nur für den Masterstudiengang von Hannover nach München wechselt. Und neugierige Menschen mit interessanten Geschichten sind ja überhaupt der Grund, weshalb ich immer noch in einer WG wohne.

Text: jan-stremmel - Foto: Senon/photocase.de

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