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Der dritte Mann
In der Serie Seinfeld gibt es eine Episode, in der das Problem der Dreisamkeit perfekt dargestellt wird. Jerry, Elaine und George sind enge Freunde und gehen öfters zusammen aus. Eines Abends muss jedoch Jerry kurzfristig absagen und dabei wird klar: Elaine und George haben einander zu zweit nichts zu sagen. Stattdessen gibt es bedrückende Stille, gesenkte Blicke und klägliche Versuche, dort eine Gemeinsamkeit zu finden, wo sonst ganz selbstverständlich eine ist. Die beiden sind das, was sie “friends in law” nennen. Sie führen eine Freundschaft zu dritt – miteinander, aber nicht untereinander. Sie brauchen ihren Verbingdungsmann Jerry. Die beiden führen eine Schwiegerfreundschaft.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Fehlt der Schwiegerfreund, fehlt auch etwas in der Zweierfreundschaft.
Auch im echten Leben gibt es das: Schockstille, nervöses Geknibbel am Flaschenetikett, verlegene Blicke aufs Handy - und der Kampf um ein halbwegs gutes Gespräch. Es ist nicht rational zu erklären, wie und warum sich die Atmosphäre verändert, aber etwas fehlt plötzlich. Was vor wenigen Minuten in geselliger Runde noch so gut lief, wird jetzt zu einer Qual.
Wer ist also dieser Mensch, der so sehr am Konzept der Freundschaft rüttelt? Eigentlich fand man ihn doch immer so lustig mit seinem trockenen Humor und seinen interessanten Geschichten, die immer schallendes Gelächter in der Runde auslösten. Wieso fällt man mit ihm alleine auf einmal in die kommunikative Mittelmäßigkeit zurück?
Mit dem Schwiegerfreund fallen Gespräche leicht - weil die Verantwortung auf drei Personen aufgeteilt wird
Ist der Schwiegerfreund ein schlechter Freund? Möglich. Aber nicht zwangsläufig. Er ist vielmehr ein Zwischenwesen in den menschlichen Beziehungen. Seine wahren Freundschaftsqualitäten zeigt er, wenn er in Begleitung mit dem eigentlichen Freund auftritt. Er stellt Fragen, auf die man selbst nicht kommen würde, zeigt neue Perspektiven. Vielleicht ergreift er sogar manchmal Partei bei Meinungsverschiedenheiten. Er ist der Motor einer Zweierbeziehung und macht das, was vorhin schon gut war, noch besser. Er ist die dritte Instanz und sorgt für das Gleichgewicht in der Dreierkonstellation, indem er alle als eine Art Brücke miteinander vereint.
Denn mit dem Schwiegerfreund fallen Gespräche leicht, weil die Verantwortung für eine gute Unterhaltung auf drei Personen aufgeteilt ist. Das hilft der Zweierfreundschaft - und kaschiert die Tatsache, dass man sich mit dem Schwiegerfreund eigentlich nichts zu sagen hat. Die Dreisamkeit verschleiert die zwischenmenschlichen Probleme, die zwei von drei miteinander haben. Man muss sich nicht mit dem Fehlen der Basis für eine Freundschaft auseinandersetzen, weil die Harmonie im Dreiergespann irgendwelche Zweifel gar nicht aufkommen lässt.
Der Schwiegerfreund wird damit wohl eher selten zum sehr engen Freund. Ausgeschlossen ist es aber nicht. Denn wenn sich beide alleine in einem Raum gegenüberstehen und mit sich selbst, und nur mit sich selbst, konfrontiert werden, entscheiden sie, ob sie wirklich Freunde sind oder einfach nur Beilagen, die gut miteinander harmonieren, aber auf keinen Fall das Hauptgericht ausmachen. Aber auch das ist dann nicht schlimm. Mit den Beilagen schmeckt das Hauptgericht doch schließlich erst richtig gut.
Text: dilek-ozyildirim - Foto: photocase/aussi97