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Der Bär ist tot - der Aufschwung ist vorbei

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Sie wurden erst gefragt, als es zu spät war. „Schade“, seufzte Britta Schopp und Wiggerl Kölbl zuckte mit den Schultern: „Ich hätte ihn leben lassen.“ Die Wirtin und der Parkplatzwächter arbeiten am oberbayerischen Spitzingsee. Doch ihre Reaktionen auf das, was da direkt vor ihrer Haustür passiert ist, stehen für das ganze Land: Als Montag morgen gegen 4:50 Uhr der Bär erlegt wurde, starb auch der sonnige Optimismus, der sich mit Beginn des Sommers (und der Fußball-WM) über Deutschland gelegt hatte.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Sie nannten ihn Bruno, JJ1 und den Problembären - aber eigentlich war das aus Italien stammende Tier nichts anderes als der Rockstar des Jahres 2006. Alle Namen, die man ihm gab, waren nur Annäherungen an ein Lebensgefühl des Aufbruchs. „Rebellion“, sagte Bruno mit jeder über ihn verbreiteten Meldung, „Rebellion und Widerstand lohnen sich.“ Er narrte seine aus dem Pisa-Musterland angereisten finnischen Verfolger. Seinen Widerstand gegen Überwachung und Repression drückte er vor einer Polizeiwache in Kochel aus: kess ruhte er sich direkt vor der Tür der Staatsgewalt aus. Gegen die zunehmende Umweltverschmutzung durch den Autoverkehr protestierte er, indem er den rechten Außenspiegel eines schwarzen VW-Golfs abriß und gegen die dicken Reifen eines SUV pinkelte. Er durchschwamm den Soinsee im Landkreis Miesbach, riss Schafe (am Freitag übrigens am nicht mit Wolfgang verwandten Thiersee) und räumte Bienenstöcke aus. 300 Kilometer legte der haarige Rebell so in den vergangenen Wochen zurück. Die jedenfalls hat das bayerische Umweltministerium gezählt. Im Ministerium erkannte man Bruno als Feind und als gefährlich – und warnte. Der bayerische Anti-Bär, der Bärenbeauftragte des Freistaats, Manfred Wölfl übernahm das: Er warnte vor der Bedrohung für den Menschen, davor, ihn als Teddy zu verharmlosen. Ihm zu folgen, sagte Wölfl noch am Freitag, sei wie Bungee-Springen ohne Seil. Deshalb beschloss man: der Bär muss sterben. „Das ist die dümmste aller Lösungen“, kommentierte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Hubert Weinzierl, den Tod des Bären. Doch nicht nur aus Naturschutzgründen hat Weinzierl Recht. In einer nach Symbolen gierenden Zeit, war Bruno zum Grund allen Aufschwungs geworden. Sein Rebellentum hatte medial den Weg bereitet für Aufbruch, Entkrampfung und sonnige Laune im Land. Die befreit aufspielende Nationalmannschaft war nicht Anlass, sondern nur Ergebnis der Euphorie im Land. Die jubelnden Fans werden es merken, wenn am Freitag der argentinische Spielmacher Riquelme zum fußballerischen Bärentöter wird und Deutschland aus dem Turnier kickt. Den tapfer kämpfenden deutschen Nationalspielern wird dann - im Regen von Berlin - die gleiche mitleidige Sympathie zuteil, wie sie der verschiedene Bruno jetzt erhält. Man wird Podolskis Laufbereitschaft loben wie Brunos Finten und Kloses Kampfgeist wie Brunos Ausdauer. Doch am Ende wird der Traum vom Weltmeistertitel in der Stadt des Bären sterben wie der Braunbär oberhalb des Spitzingsees. Andere Nationen werden dann im weinenden Deutschland ihren Meister ausspielen. Und lange wird es nicht dauern, bis in der - im ständigen Wettbewerb stehenden - Wirtschaft, die gleichen Parolen laut werden wie im weltweiten Bärentum: „Bären der Welt,“ rief Hubert Weinzierl am Montag „meidet Bayern.“ In einer globalisierten Welt ist das natürlich ein Alptraum. Die Lohnzusatzkosten werden steigen, die Steuern explodieren, der Himmel sich verdunkeln – und Ottfried Fischer (wieder versöhnt) wird ganz alleine das Sommerloch füllen müssen. Und alles nahm seinen Anfang an dem Tag, an dem der Bärenbeauftragte Wölfl die Sätze sprach: "Der Schuss ist gefallen. Der Bär ist tot." An jenem trügerisch sonnigen 26. Juni 2006, dem Tag, an dem nicht nur Bruno der Bär starb. Mehr über Bruno auf jetzt.de - Im Interview erklärt der Pressesprecher des bayerischen Umweltministeriums, was jetzt aus Problembär Bruno wird: er wird zum Dauerbär. - Der Bericht aus der Süddeutschen Zeitung vom 26. Juni 2006: Wie Braunbär Bruno sein Ende fand - Auch im aktuellen Podcast ist Bruno ein Thema. - Schon bevor er abgeschossen wurde, war JJ1 ein Medienphänomen. Wir vergleichen die mediale Berichterstattung über den Bären mit der über Problemschüler Mehmet. - Im Kosmos wurde bereits im Tagesticker über das Schicksal des Bären diskutiert. Illustration: dirk-schmidt

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