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Wahre Jeschichte, Mario?

Foto: Stephanie Pilick/dpa

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An einem normalen Tag in New York gliche das, was Mario Barth da gemacht hat, schon fast einer Mutprobe. Einfach mal stehenbleiben, mitten auf dem Bürgersteig an der Fifth Avenue. Gerade da oben, in der Nähe des Central Parks, wo der Trump Tower steht, kann man ziemlich genau zwei Sekunden stoppen, ehe man angerempelt wird von den gefühlt Milliarden Passanten.

Mario Barth, der Komiker, ist am 11. November sogar für mehrere Minuten dort stehen geblieben. Leider nicht nur einfach so. Er hat vor dem Trump Tower, dem Prestige-Gebäude des kommenden Präsidenten der USA, ein Live-Video gemacht. Um zu beweisen: Da sind ja gar keine Proteste. Gar keine Menschenmassen, die „Not my President“ skandieren und gegen die Wahl von Donald Trump demonstrieren. Sein gar nicht subtiler Subtext: Die Presse lügt. Oder dramatisiert zumindest stark. Als einer der ersten hatte Über Medien darüber berichtet.

Nun war der 11. November aber kein normaler Tag in New York. Es war Veterans Day, der Tag, an dem überall in den USA ehemaliger Militär-Mitglieder gedacht wird. Ihnen zu Ehren gibt es eine Parade auf der Fifth Avenue, die dafür extra gesperrt wird. Etwas weiter südlich von Barths Standort. Dorthin zu kommen wurde den vielen Passanten also per se schon schwer gemacht. Das ist der erste entscheidende Fehler, der seine „Berichterstattung“ beeinflusst. Der zweite: Es war Vormittag. Wo ungefähr die ganze Metropole damit beschäftigt ist, sich in ihren oft mehreren Jobs das Geld zu verdienen, mit denen sie sich ihre unfassbaren Mieten leisten kann. Die Proteste, von denen die Presse berichtet hat, fanden und finden abends statt.

„Ich möchte jetzt seriös berichterstatten“, beginnt der Comedian sein Facebook-Live Video gegenüber dem Eingang zum Trump Tower also. Macht er aber nicht – und das ist das Problem. Barth ironisiert rum, erzählt von „Tausenden und abertausenden Menschen“, die völlig durchdrehen würden. Genau das war auch zuvor passiert: Tausende hatten gegen Trump demonstriert – aber eben abends.

Als Mario Barth da ist, sieht man zwar auch einige Menschen, aber „alle Leute hier machen Fotos. Irgendwie machen die nur Fotos. Vom Trump Tower. So. Also, ’ne Demo, ich komm aus Berlin-Kreuzberg, ich bin da bisschen verwöhnt, vielleicht. (…) Also, hier passiert irgendwie gar nix“, berichtet Barth.

Sein Video wurde mehr als eine Million Mal geklickt. Und unter anderem vom österreichischen Rechtspopulisten Heinz-Christian Strache geteilt, der es kommentierte mit: „ Mario Barth zeigt auf, wie uns diverse Medien für dumm verkaufen wollen…… Es finden keine Massendemos vor dem Trump-Tower in New York statt.“

Nun war Mario Barth bislang immer schon ein Code für alles, was wir stumpf und platt fanden. Einer, der Comedy nach dem immer gleichen Muster macht: Männer sind toll, Frauen nerven. Kennste, kennste? Immerhin, das muss man ihm lassen, dieses Muster hat ihn berechenbar gemacht. Wer es zu oberflächlich findet, braucht es sich nicht anzutun und kann ihn ignorieren.

Jetzt könnte er aber gefährlich werden. Zumindest kommentieren viele, sehr viele, sein Video in diesem Tenor: „ Mario Du bist der Größte... die Lästermedien so genial vorführen... 😉“  „ Deutsche Medien sind der letzte Dreck- wie absolut genial von Dir,DANKE!“ und „ Ich hab es doch gewusst,wieder falsche Pressemeldungen ......... Gut das wir dich haben Mario dafür liebe ich dich ....weiter so du rasender Peporter“. Wo sonst flachwitziger Klamauk beklatscht wird, suggeriert Barth nun einem Millionen-Publikum eine falsche Realität und inszeniert sich als Aufdecker.

Zurück in Deutschland hat sich Barth dann gleich wieder zu Wort gemeldet, wieder per Facebook Live-Video. Zehn Minuten lang lacht er viel, obwohl er eigentlich schimpft. Auf die Presse, von der er immer „auf die Fresse“ kriege, auf die Rechten, von denen er „so was von weit weg“ sei und überhaupt auf alle, die ihn nicht verstehen würden. Im Kern sagt er dann: „Da war 'ne Demo. 15 Leute. Als ich weggeflogen bin, waren da glaub ich mehr. Ich hab ja auch nicht gesagt Lügenpresse. Letztlich sind auch die Zuschauer ein Stück weit schuld, weil wenn die Presse schreibt: Tachchen. Dienstag. Ist nix passiert. Ist ja auch langweilig. Wie es in den anderen Städten war – keine Ahnung. Ich war in New York. Ich komm aus Berlin Kreuzberg. Demo sieht anders aus.“

 

Den schon jetzt, auch unter seinem ersten Video, oft geäußerten Vorwurf, dass er einfach zu früh vor dem Gebäude stand? Beachtet er nicht. Kein Wort sagt er dazu. 

Was wirklich in New York los war:

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