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Presseschau der Parteimagazine: Von Grantlern, Greisen und grünen Herzen
liberal Worum geht’s? Liberal ist nicht das offizielle Parteimagazin der FDP, sondern wird seit 1959 quasi als liberaler „Think Tank“ für die Friedrich-Naumann-Stiftung herausgegeben. Dies allerdings mittlerweile durch Wolfgang Gerhardt, der bis vor kurzem noch FDP-Fraktionsvorsitzender war. Sein Beitrag im Heft: „Für einen freiheitlichen Politikentwurf“. Das Magazin erscheint vierteljährlich in einem soliden A5-Überformat mit verstärktem Paperback und kostet 11,50 Euro. Anflüge von Blau (und etwas Rot) auf dem Umschlag werden durch die konsequente Schwarz-Weiß-Optik der Innenseiten klar in die Schranken gewiesen - in „liberal“ geht es um Inhalte. „Liberale Perspektiven“ oder „Europa und die Welt“ heißen die Rubriken, in denen Gegenwart und Zukunft einer freiheitlichen Weltanschauung beleuchtet werden. Das Wort Freiheit kommt auf jeder Seite gefühlte 25 Mal vor. „Politik und Wirtschaft in Deutschland“ widmet sich der Bildung als „Megathema“ einerseits, der Suchtgefahr, ausgelöst durch staatliches Glücksspiel andererseits. Obwohl der Fließtext in „liberal“ ganz klar die Redaktionshosen anhat, sorgen die Lesetipps in der Rubrik „Kritik und Umschau“ weiter hinten für etwas Auflockerung. Gut gefallen die hier und da eingestreuten Einträge aus dem „Liberalen Wörterbuch“, in denen Begriffe wie „Nachtwächterstaat“, „Feminismus“ und „Laissez Faire“ erklärt werden. Die 3 besten Headlines: - Wo ist der deutsche Tony Blair? - Ölpreis – quo vadis? - Günter Grass – und kein Ende? Das sagt die Redaktion: „Wenn die Gesellschaft immer liberaler wird, dann sollte es wenigstens eine Zeitschrift geben, die Plattform für liberale Debatten und liberales Vordenken ist. Wir sind so selbstbewusst als Redaktion zu sagen: Wenn mehr Bürgerinnen und Bürger >liberal< kennen, dann werden es auch mehr kaufen.“ Der Leser im Heft: Erfüllt die ihm zugeschriebene Aufgabe – er liest. Politisch äußern kann er sich dann ja bei der nächsten Wahl. Beste Werbung: Keine. Auf dem Backcover findet sich allerdings die Ausschreibung des Preises der Wolf-Erich-Kellner-Gedächtnisstiftung für Arbeiten aus den Fachrichtungen Geistes-, Sozial-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Das Extra: Gedichte. Einfach so. Zwei Seiten mit „zeitgenössischer christlicher Lyrik im modernen Gewand“ des Hallensers Christoph Kuhn. Kleine Kostprobe? Bitte sehr: Abends landen die Engel im Feld gehn wegen der Lerchen leise Streifen reifes Getreide Schönstes Bild:
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Ralf Dahrendorf, Verfasser des Buches „Engagierte Beobachter – Die Intellektuellen und die Versuchungen der Zeit“ Schönstes Zitat: „Berlin ist nicht zu retten.“ (Hans F. Bellstedt) Was wir gelernt haben: Deutschland ist super, aber es geht uns nur so mittel - und wenn die Große Koalition weiterhin so herumregiert, wird es immer schlimmer werden; Selbstverantwortung macht glücklich; und: Guido Westerwelle interessiert offenbar keinen, er fehlt im Heft völlig oder ist einfach gut versteckt.
Schrägstrich Worum geht’s? „Schrägstrich“ – man ahnt es schon – ist die Zeitschrift von Bündnis 90/Die Grünen. Betont frisch geht es zur Sache, sowohl inhaltlich als auch äußerlich. Kein anbiederndes Format-Schnicki-Schnacki, sondern ein simples A4-Konzept in mediokrer Papierqualität (umweltfreundliches Bleichverfahren) kündet viermal im Jahr von Wollen und Wirken der Grünen, zum Preis von knapp drei Euro. Thematisch gehen die Herausgeber gezielt auf aktuelles Geschehen des Erscheinungsquartals ein, wie die Landtagswahlen (Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen) oder den Grünen Zukunftskongress (im September 2006). In dieser Ausgabe natürlich im Kreuzfeuer der Kritik: die Gesundheitsreform. Bei „Schrägstrich“ hat man verstanden, dass eine emotionale Bebilderung der Wirkung von Texten die nötige Durchschlagskraft verleiht. Auch wenn im Heft so vielen verschiedenen Themen des modernen Lebens ein grüner Aspekt hinzugefügt wird, dass man mitunter den Überblick verliert. Zusätzliche thematische Schwere erlangt „Schrägstrich“ mit dem innen liegenden Beihefter „profil: grün“ der Bundestagsfraktion, der sich in dieser Ausgabe dem Schwerpunktthema „Integration“ widmet. Buchempfehlungen zu Magazinthemen und der grüne Veranstaltungskalender runden das Format zugunsten der Schmökerbarkeit ab. Die 3 besten Headlines: - Das Herz schlägt … grün - Die Zukunft ist ohne die Frauen nicht zu haben - Operation misslungen Das sagt die Redaktion: Der grüne Grundansatz (zur Integrationspolitik) lautet: „drin ist drin“. (Renate Künast im Editorial von „profil: grün“) Der Leser im Heft: Schweigt. Beste Werbung: Auf dem Backcover wirbt niemand Geringeres als: DaimlerChrysler. Das Extra: Ist eigentlich Eigenwerbung. Dennoch: Die letzte Umschlaginnenseite bietet eine bunte Galerie der aktuellen positiv-progressiven Wahlplakate von Bündnis 90/Die Grünen und sorgt für Unterhaltung durch verschiedenste Wortspielereien mit dem Begriff „grün“ (berlingrün, ideengrün, wissensgrün). Schönstes Bild:
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Allet jrün in Berlün? Schönstes Zitat: „Wussten Sie, dass rund ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland aus Migrantenfamilien stammen?“ (Priska Hinz, MdB) Was wir gelernt haben: Deutschland ist so mittel, aber dafür geht uns noch ganz gut – wenn wir aber weiter so mit Energie herumplempern, werden wir bald keine Luft mehr zum Schnaufen haben; und: Gesund ist, wer trotzdem lacht.
Union Worum geht’s? Nicht schwer zu erraten: „Union“ ist das Magazin der CDU Deutschlands. Die vorliegende Novemberausgabe ist gleichzeitig die Erstausgabe. Völlig neu will sich die Partei präsentieren, viermal im Jahr, frisch und modern, vertrieben vom Burda/Yukom-Verlag für 2,50 Euro (für Parteimitglieder gratis). Es ist ein richtiges Magazin mit allem, was ein solches braucht: kleine Meldungen (Kinderfreundlichkeit, Gesundheitsreform, Menschenrechte), große Stories (Angela Merkel: „Weiter nach vorn“) und Wissenswertes, zum Beispiel über Michael Popp, einen mittelständischen Familienunternehmer, der von der Oberpfalz aus pharmazeutische Produkte in alle Welt exportiert. Oder von wem das Europäische Parlament eigentlich so besetzt ist. Zeitgemäß: Die Leserbriefe heißen „Feedback“ und werden unter der Überschrift CDUnet als E-Mail-Zuschriften gedruckt. Die gern gesehene Rubrik „Was macht eigentlich…?“ findet auch in der „Union“ ihren Platz. Diesmal mit: Ernst Albrecht. Die großen Namen in dieser Ausgabe heißen: Angela Merkel, Ronald Pofalla und Konrad Adenauer. Interessant: Die Kampagne „Mitglieder werben“ wirbt mit dem Slogan „Farbe bekennen“ und der Signalfarbe Orange. Auf der Plakat-Vorschau ist eine herangewachsene Familie zu sehen – komplett in orangefarbene T-Shirts gekleidet. Orange ist in Unionskreisen das neue Schwarz. Die 3 besten Headlines: - Kinderfreundlichkeit als Markenzeichen - Weichenstellung in Dresden - Weiter nach vorn Das sagt die Redaktion: „Tue Gutes und rede darüber! Das Sprichwort trifft auf Menschen zu – und manchmal auch auf Parteien. Die CDU Deutschlands ist eine Partei, in der viel Gutes passiert.“ (Ronald Pofalla im Editorial) Der Leser im Heft: „Ich würde gerne eine andere Frage in den Raum stellen. Was sind wir für eine Volkspartei? Die SPD ist jetzt wieder „linke“ Volkspartei – und wir?“ (U. Gernhardt) Beste Werbung: Für eine CDU-Lesereise nach Cadenabbia/Comer See: „Auf den Spuren Konrad Adenauers“. Das Extra: Das ganze Heft ist ein Extra. Schönstes Bild:
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Bundeskanzler von 1949 bis 1963: Konrad Adenauer Schönstes Zitat: „In einigen Monaten ist Premiere: Dann wird die CDU aller Voraussicht nach die mitgliederstärkste Partei Deutschlands sein.“ Was wir gelernt haben: Deutschland ist fantastisch, es merkt nur keiner. Noch nicht. Aber die Kanzlerin wird das schon richten.
Vorwärts Worum geht’s? „Vorwärts“ ist das Monatsblatt für soziale Demokratie. Die sozialdemokratische Zeitung wurde bereits 1876 gegründet und hat dementsprechend viele Wandlungen vollzogen. Sie erscheint heute im Format einer kleinformatigen Tageszeitung zum Preis von 1,30 Euro. Die vorliegende Novemberausgabe ist nach den Worten des Chefredakteurs Uwe-Karsten Heye modern, offen und voller Neugier auf die globalisierte Welt. Zu neonröhrenartiger Leuchtkraft verhilft das graue Zeitungspapier dem das Layout dominierenden Rot. Die Thesen, Interviews und Essays sind von fettgedruckten Prozentzahlen durchzogen, die dem klassenkämpferischen Profil eine Portion empirischer Realität beimischen. (14 Prozent der Wahlberechtigten sehen sich als Verlierer der gesellschaftlichen Entwicklung; 44 Prozent fühlen sich vom Staat allein gelassen). Mutig ist die Mischung der Rubriken: Der „Ältestenrat“ („Ein Volk muss Ja sagen können zum Vaterland“) gibt der „Jungen Meinung“ die Klinke in die Hand („Null Bock? Von wegen!“). Und wer dachte, Schröder sei endgültig von der Bild-Zeitung korrumpiert, der hat sich getäuscht: In „Vorwärts“ erscheint nicht nur ein riesiges Schröder-Interview, sondern auch der Abdruck von drei Kapiteln aus seinen Memoiren „Entscheidungen“. Was den Spaßfaktor angeht, gewinnt „Vorwärts“ eindeutig in der Riege der Parteimagazine: Fünf Seiten Kultur – und ein Kreuzworträtsel! (11 Senkrecht: italienischer Komponist (Guiseppe)? – Hmmm…) Die 3 besten Headlines: - Gekommen mit Freunden, um Freunde zu werden - Kampf dem Saufen - Die SPD im Realitätsloch Das sagt die Redaktion: „130 Jahre deutsche Geschichte spiegeln sich in den Faksimiles der alten Ausgaben. Sie beschreiben mehr als ein blutiges Jahrhundert.“ (Uwe-Karsten Heye im Editorial) Der Leser im Heft: „Ich war ehrlich gesagt etwas enttäuscht vom neuen „Vorwärts“. Nur einen kleinen Bericht über den Fall des Verbotes des durchgestrichenen Hakenkreuzes. (…) Man könnte am besten Solidarität zeigen, indem man den nächsten „Vorwärts“ mit einem durchgestrichenen Hakenkreuz als Titelblatt verkauft.“ (L. Frey per E-Mail) Beste Werbung: Der Tabakwarenerzeuger Reemtsma wirbt mit dem Schlagwort „Verantwortung“. Das Extra: Wurde wegrationalisiert. Schönstes Bild:
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Der Altkanzler ist vom Typ her eher kein Grantler Schönstes Zitat: „Energie ist teuer, die Abhängigkeit von Importen immens. Die Lösung ist: effizienter mit Energie umgehen.“ (Dr. Susanne Dohrn) Was wir gelernt haben: Deutschland ist längst nicht mehr so cool wie noch vor drei Jahren. Das macht aber nichts, denn Angela Merkel wird früher oder später auf Gerhard Schröders Angebot zur Nachhilfe zurückkommen – und dann wird alles gut. Und: Es gibt keinen Sozialismus ohne Demokratie.