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Jenseits-Sex mit Waldwuffel und Moosmutzel: Die Presseschau der Subkultur Teil 4
[b]Magazin 1: Die andere Realität[/b] [b]Worum geht’s?[/b] D.A.R begreift sich als „Wissenschaftliche Zeitung für Parapsychologie, bodenständige Esoterik und spirituelle Ökologie“. Das Heft erscheint alle zwei Monate im Tabloid-Zeitungsformat. Die Wissenschaftlichkeit verbirgt sich allerdings. Nur wo? D.A.R. erweckt eher den Eindruck eines Fanzines – als publizistische Plattform für die inzestuöse Realität eines spirituellen Geheimzirkels: Medien, Geistheiler und Bioenergetiker, die sich gegenseitig durch die „außerordentliche Tiefe ihrer Fragenbeantwortung bestechen“ oder mit „schier unglaublichem umfassenden (!) Wissen verblüffen“. Das tun sie vorzugsweise auf Kongressen und Seminaren. Herausgeber der Zeitschrift ist Dieter Wiergowski, er ist der Kopf der „D.A.R.-Familie“. [b]Die drei besten Headlines:[/b] 1. Eine neue Heilmethode von Erzengel Michael: Sofortige Hilfe bei Problemen in der Liebe, für Geld, Beruf und Gesundheit 2. Sex im Jenseits – Dieter Wiergowski interviewt Bruno Würtenberger 3. Hawaiianische Heilerausbildung zum Geistigen Genesungshelfer/in [b]Der Leser…[/b] kommt im Heft nicht vor: keine Leserbriefe oder sonstige Feedback-Möglichkeit, nichts. Die Kommunikation mit der Redaktion vollzieht sich offenbar im paranormalen Modus. [b]Das sagt die Redaktion:[/b] „Nehmen Sie es uns bitte nicht übel, dass wir manchmal sehr hart und kontrovers schreiben. Manchmal muss das einfach sein. Viele sehen es im Nachhinein. Es gab eine ganze Reihe, die wegen einiger Sätze die ganze Zeitung abbestellt haben. Dies ist natürlich das gute Recht, aber es zeigt doch viel Unreife. Na ja, vielleicht kommen sie in ein paar Jahren wieder, nachdem sie dies erkannt haben.“ [b]Bizarres Paar:[/b] Hart und kontrovers? Eigentlich geht’s in D.A.R. nur um die esoterischen Geschehnisse im Dunstkreis von Wiergowski und seinem Co-Autor, dem Schweizer Guru Würtenberger – den Wiergowski hündisch vereehrt: „Wir brauchen spirituelle Lehrer, wie zum Beispiel Bruno Würtenberger, der das Free Spirit Training entwickelt hat. In diesem 9-Tage-Kurs kann jeder Mensch sehr viel lernen und danach eine Menge an Fortschritten bei sich selbst feststellen. Bruno hat übrigens auch in Fernsehinterviews mit tiefer Weisheit brilliert. Würtenberger, den viele als einen der wenigen Meister sehen, die wir zur Zeit in Europa haben, hielt meines Erachtens nach einen seiner besten Vorträge, die ich je von ihm gehört habe.“ [b]Das schönste Bild:[/b]
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Wer sonst: Wiergowski und Würtenberger [b]Beste Werbung:[/b] ein launiges Inserat von Peter und Dagmar Nemetz aus Fürth: „Fogo Sagrado – Heiliges Feuer: Mediale Problemtransformation und multidimensionale Heilung“ [b]Das Interview:[/b] Medium Isanna im Gespräch mit dem verstorbenen Showmaster Rudi Carrell. Der schelmische Redaktions-Kommentar dazu: „In der Tat können wir in keinster Weise sagen, ob es sich wirklich um Rudi Carrell aus dem Jenseits handelt. Aber wir können auch nicht das Gegenteil behaupten. Vielleicht ist er es doch? Das Medium Isanna ist jedenfalls felsenfest davon überzeugt.“ [b]Was wir gelernt haben:[/b] „Wer heilt, hat Recht.“ „Es kommt vor, dass zwei Menschen sich schlank begegnen, sich verlieben, gemeinsam dick werden und sich dann trennen oder auch nicht. Dicksein kann einerseits trennend aber auch verbindend wirken. Entweder kommt man sich dadurch näher, auch rein körperlich, anderseits kann man sich dadurch auch räumlichen Abstand schaffen. Nichts ist ambivalenter als diese Thematik. Ein Urteil über einen dicken Menschen zu fällen, ist ein sehr großes Risiko. Man liegt sehr schnell daneben.“ (sagt Prof. Dr. Elvira Neumann) Geistheiler sind das neue Ding.
[b]Magazin 2: L-Mag – Magazin für Lesben[/b] [b]Worum geht’s? [/b] L-Mag ist das einzige überregionale Kaufmagazin für Lesben im deutschsprachigen Raum, etwa 30 000 Exemplare werden pro Ausgabe abgesetzt. Die Zeitschrift hat Anspruch und Niveau, ein Schwerpunkt liegt bei lesbenspezifischer Kultur und Politik. Unter anderem gibt’s ein Interview mit einer lesbischen US-Kongress-Abgeordneten und ein einfühlsames Porträt der Lesbenszene von Beirut. Außerdem in die großen lesbischen Lebensentwürfe verpackt: Alltagstrends und Phänomene in der Community. Es stellt sich – unter anderem – vor: die Schlampenbewegung, die Stoßfront der Polyamourie: „Eine bekennende Schlampe ist auch die Ethnologin Gwendolin Altenhöfer, die derzeit in Thüringen lebt. Sie kam zunächst aus persönlichen Motiven zur Idee der Mehrfachliebe: Was mir an der Schlampenbewegung gefällt, ist, dass man nicht auf eine Person fixiert ist. Die Frage ist, wer kann mir was geben.“ Wegen „pornografischer Inhalte“ hat Google eine Anzeige von L-Mag online gesperrt, auf der Startseite sei eine Brustwarze zu sehen gewesen, so der Sprecher von Google. [b]Die drei besten Headlines:[/b] 1. Der gute alte Sexshop – was ist wirklich drin für lesbische Kundinnen? 2. Schreckensherrschaft Pärchenterror: Wenn aus Liebe Terror wird 3. Sexy Tierchen. Fuckerware statt Tupperware auf dem heimischen Sofa bringt viel Verspieltes für die Hausfrau [b]Die Leserin…[/b] ist hochpräsent in der Rubrik „Leserinnen-Post“ und in den Kleinanzeigen von Liebe bis Job. Eine Leserin angelt nach lesbischen Business-Kontakten: „Suche Mitstreiterin/nen oder stille Teilhaberin/nen zur Gründung einer Frauenbar. Habt Mut, ich hab ihn.“ [b]Das sagt die Redaktion:[/b] „Auf unserer Suche nach Paaren, die sich über das Internet kennenlernten, kamen so überwältigend viele Antworten, dass wir ein wenig um die Romantik der Welt fürchten. Wo bleibt das gute alte Kennenlernen in Bars, auf Partys oder im Sportverein? Was ist aus dem vielsagenden ersten Blickkontakt geworden, der so schön prickelt? Wer heute in die wenigen übrig gebliebenen Lesbenbars oder auf große Partys geht, sieht sich mit einer Masse von Paaren konfrontiert, die sich gegenseitig zum Date ausführen – nachdem sie sich online verabredet haben. Das Abenteuer Ausgehen wird zu einer einsamen Erfahrung. Schade, geht doch damit auch ein Stück Subkultur verloren. Haben Lesben wirklich so viel Scheu, aufeinander zuzugehen, dass es nur noch im Netz möglich scheint, Kontakte zu knüpfen?“ [b]Bizarres Paar:[/b] Waldwuffel und Moosmutzel, in den Kleinanzeigen: „Mein lieber Waldwuffel! Dich sehen, hören, mit Dir reden, Dich berühren – mehr, als ich je zu träumen und zu hoffen wagte. Hab Dich so lieb – Dein Moosmutzel“ [b]Das schönste Bild:[/b]
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Jimmy (2006): Foto von Kerstin Buchwald – Mut zur Nichtanpassung an festgelegte Frauenrollen in der queeren Szene [b]Beste Werbung:[/b] der Slogan eines homosexuellen Karriere-Anbahnungs-Instituts: „Wirtschaftsweiber. Netzwerk lesbischer Fach- und Führungskräfte“ [b]Das Extra:[/b] Lesbenkreuzfahrt – mit den Cruising Queens auf hoher See [b]Was wir gelernt haben:[/b] Lesben erkennt man in der arabischen Welt an Jeans, Tanktop und Turnschuhen. „Egal, ob es eine lesbische Clubnacht ist, oder nicht: Die Mädchen eröffnen immer die Tanzfläche.“ (sagt die Wiener DJane Susanne Kirchmayr) „Für uns wäre eine derartige sexuelle Ausrichtung kein Makel.“ (Gerhard Rehberg, Präsident von Schalke 04, über homosexuelle Kicker auf Schalke)
[b]Magazin 3: Der Hund[/b] [b]Worum geht’s?[/b] „Der Hund“ etikettiert sich mit den honorigen Labels „sachlich, kompetent und unabhängig“. Unabhängig wovon? Von den Hedgefonds der Hundefutter-Fertigung? Von den Schecks der Tierarztmafia? Das Heft ist ein Heft von Hundehaltern für Hundehalter. Man erhält ein buntes Mischmasch von Service-Schmankerln, Beauty-Contests für Hunde mit inbegriffen. Weiters erfährt der Leser vom Hundeelend auf der griechischen Insel Kos. Dann wird der Frage nachgegangen, was den seriösen Züchter vom „skrupellosen Vermehrer“ unterscheidet. Zuletzt schreibt der Kynologe (Hundeforscher!) Dr. Friedmar Krautwurst über den Hundesport in der DDR. Der Hundefreak wird sich beglückt einen Happen Chappy einwerfen, für alle anderen ist das Heft a pain in the ass. [b]Die drei besten Headlines:[/b] 1. Zwei Zeitschriften in einer! Der Hund + Mein Hund nur 2,50€ 2. Infektionsrisiko Ratte – Bedrohung für Hund und Mensch 3. Erlebnisse mit „denkenden“ Hunden [b]Die Leserin…[/b] legt Wert auf antisexistische Hundeaufzucht: „Unsere Meute ist sozialisiert, und sie akzeptieren meinen Mann und mich gleichermaßen als Rudelchefs.“ (Sibille Hildebrandt, Wedemark) [b]Das sagt die Redaktion:[/b] Im Editorial äußert sich der Redaktionshund Jack zum Thema Silvester-Kracherei und faire Hundebehandlung zum Jahreswechsel. „Hier bellt Jack: Jenny aus Dresden, eine betagte weiße Zwergpudel-Hündin mit Tierheim-Vergangenheit, macht mit ihren Leuten jedes Jahr eine Silvester-Wanderung und lässt sich im Rucksack durchs Elbsandstein-Gebirge tragen. Diese Menschen nehmen einfach Rücksicht auf die empfindlichen Nerven ihrer Gefährten. Bravo!“ [b]Bizarres Paar:[/b] Chefredakteurin Susanne Kerl mit blondem Hund, der ihr womöglich eines Tages maskuline Avancen im Park bescheren wird. [b]Das schönste Bild:[/b]
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Kerl & Hund [b]Beste Werbung:[/b] Anzeige für ein Wunderpräparat gegen unerwünschte Flohbrut im Hundefell: „Flohprophylaxe auch im Winter“ [b]Was wir gelernt haben:[/b] In England nehmen Hundeentführungen immer mehr zu. Vielfach sollen Obdachlose für die Hundediebstähle verantwortlich sein. Erschienen Vermisstenanzeigen, meldeten sich die „Dognapper“ (Hundediebe), die meist mehrere Hunde „auf Vorrat“ entführten, bei den Hundebesitzern und verlangten ein als Finderlohn getarntes Lösegeld. Ein Jäger, der meint, auf ein Wildschwein zu zielen, stattdessen aber einen Hund erschießt, verliert seinen Jagdschein. (Verwaltungsgericht Neustadt)
[b]Magazin 4: Aerokurier – Das Magazin für Piloten[/b] [b]Worum geht’s?[/b] Diese Zeitschrift ist nur was für echte Luftfahrt-Profis, eine Subkultur-Publikation der spröderen Sorte. Viel technisches Datenwerk gesellt sich zu juristischem Kleinkram. Piloten und Blattmacher kommen extrem sachlich und nüchtern rüber, fast schon bieder: Das Fliegen wird als sozial verträglicher und sicherer Transport-Mechanismus gepriesen, für präpotenten Piloten-Machoismus bleibt kein Platz. Eigentlich nicht unsympathisch, aber halt auch furchtbar spießig! Das Who-is-Who in der Pilotenszene informiert sich im Aerokurier über allfällige Flugshows, Messen und Fortbildungen – und greift auch selbst zur Feder. Lesenwert: ein Report von Gerhard Obernosterer, der mit zwei Co-Piloten in die Ukraine gejettet ist. [b]Die drei besten Headlines:[/b] 1. Ersatzteile: Schnelligkeit ist Trumpf 2. Unfall-Analyse: Wind treibt Einmot ins Hochhaus 3. Erstflug HpH 304S Shark: Neuer Hai im Becken [b]Der Leser…[/b] -brief des Monats ist der von Christoph Schumacher aus Puchheim: „Mit leerem Kopf nickt sich´s leichter“ Der Piloten-Schumi ärgert sich über idiotische Denkmuster von Politikern, die angeblich unsichere Fluplätze in Ortschaften sperren wollen: „Bei diesen Denkmustern muss man ansetzen, aber das ist leichter gesagt als getan.“ [b]Das sagt die Redaktion:[/b] „Vielen Dank für diese erhellenden Denkanstöße. Als Autor des Leserbriefs des Monats erhalten Sie dafür von uns eine superhelle, langlebige LED-Taschenlampe.“ [b]Bizarres Paar:[/b] Motorflugpilot Dr. Karl-Heinz Augustin und seine Neuerwerbung, eine Eurostar-Maschine. Wer weiter liest, erfährt: Es ist die 500. Eurostar in der Geschichte der Luftfahrt. [b]Das schönste Bild:[/b]
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Dr. Augustin und sein schmucker Flieger [b]Beste Werbung:[/b] eine Anzeige für Piloten-Treibstoff: „Ihre Leidenschaft ist das Fliegen – unsere das Öl.“ (Castrol Aviator) [b]Das Extra:[/b] 43-seitiges Special im Mittelteil des Heftes: der „aktuelle Branchenführer“, ein Katalog, in dem sämtliche Reparatur-Tricks und Ersatzteil-Lieferanten der Gegenwart aufgelistet sind [b]Was wir gelernt haben:[/b] Wer sich bei langen Standzeiten nie um den Reifendruck kümmert, riskiert Schäden an der Karkasse. „Respekt ist ein guter Flugbegleiter, aber Angst ist ein schlechter Copilot. Den kann man unter anderem mit einer guten Flugvorbereitung und passender Kommunikation vertreiben. Dann kann es kaum passieren, dass man vor der Alternative steht: Luftraumverletzung oder riskantes Flugmanöver.“
[b]Magazin 5: Baby born[/b] [b]Worum geht’s?[/b] Das „Magazin für die beste Puppenmutti der Welt“ ist bunt und schmal. Für die jugendliche Leserin ist es ein dankbares Ersatzventil für unerfüllte Bemutterungs-Fantasien. Die Puppenmutti lernt, wie sie ihre Plastikpuppen fachgerecht aufzieht. Kochrezepte, Rätselspaß und lässige Frisiertipps garnieren das infantile Puppenuniversum, das eigentlich nichts weiter ist als ein zielgruppenangepasstes Marketing-Tool der Herstellerfirma von Baby born. „Der Puppenmutti-Test: Worauf achtest du, wenn du mit Baby born das Haus verlässt?“ Korrekte Antwort: Ob ich frische Baby born-Windeln und ihr Baby born-Schneezauberset dabei habe. Sicher nicht im Sinne von Lisa Simpson, Chefklägerin der emanzipierten Puppenkritik. [b]Die drei besten Headlines:[/b] 1. Bruno braucht Hilfe! Mit ein paar Strichen ist Bruno wieder komplett. 2. Musik liegt in der Luft. Oh weh! Baby born singt ja alles durcheinander. Kannst du ihr helfen? 3. Ich habe meine Baby born lieb… [b]Die Leserin…[/b] kommt selbst nicht vor, hat aber dafür die Qual der Wahl zwischen dem Puppen-Buggy „Annabell“ (49,95 Euro) und einem sprechenden Rucksack mit Zubehör. [b]Das sagt die Redaktion:[/b] „Liebe Puppenmutti, freust du dich auch auf den Winter? Hoffentlich liegt bald ganz viel Schnee, dann kannst du mit Baby born unsere tollen Spiele ausprobieren. Und unser spannender Psycho-Test verrät dir, welcher Mutti-Typ in dir steckt.“ [b]Lustigstes Paar:[/b] Originalbild und Fehlerbild [b]Beste Werbung:[/b] Werbung? Das ganze Heft ist Werbung. [b]Das schönste Bild:[/b] das Fehlerbild
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
[b]Das Extra:[/b] Glitzerherzen-Haarband („verzaubert jede Puppenmutti!“) [b]Was wir gelernt haben:[/b] Der seitliche Pferdeschwanz („dieser pfiffige Zopf!“) gehört zu jedem frechen Mädchen, das gerne einmal auffallen möchte. Diese Frisur sollte man sich unbedingt merken, denn sie ist einfach und schnell zu machen. Ein Huhn ist schon mal 13 Sekunden geflogen.